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Eine der erfolgreichsten Liebesgeschichten unserer Zeit

1831 wird in einem verschlafenen französischen Nest ein Junge mit einer scheußlichen Missbildung geboren. Erik soll der Priester den Knaben taufen, denn einem solchen Ungeheuer kann die junge Mutter Madeleine unmöglich den Namen ihres geliebten verstorbenen Mannes Charles geben. Widerwillig akzeptiert sie ihr Schicksal und fertigt noch in der Nacht seiner Geburt das erste Kleidungsstück an, das Erik je tragen würde: eine weiße Maske.
Erik entwickelt sich wider Erwarten prächtig und erschreckend schnell, und bald stellt sich heraus, dass er neben einer offensichtlichen Hochbegabung viele weitere Talente besitzt, besonders seine Stimme, die von solch engelsgleicher Schönheit ist, dass selbst seine Mutter ihr voller Verzückung lauscht. Erik lernt schnell, dass er mit seiner Stimme Macht ausüben kann und verfeinert seine Fähigkeiten über die Jahre immer weiter. Er wächst eingesperrt auf, da seine Mutter und der Priester ihn vom Hass und Spott der Welt bewahren wollen. In seiner Einsamkeit entwickelt er bemerkenswertes Können als Musiker, Architekt, Zauberer, Physiker… Doch mit dem Alter wächst auch seine Neugier, und sein großartiger Geist erträgt es kaum, dass ihm Grenzen gesetzt werden.
Als seine Mutter schließlich einen jungen Mann kennenlernt, und es für Erik aussieht, als müsse sie sich entscheiden, fasst der 9 jährige einen Entschluss. Er läuft davon und eine jahrzehntelange Reise durch ganz Europa und darüber hinaus beginnt. Zigeuner, Architekten, sogar der Shah von Persien – jeder, der Erik begegnet, ist fasziniert von seinen fast übermenschlichen Fähigkeiten, und doch wird ihm stets Misstrauen und Hass entgegen gebracht. Sein unerschöpflicher Drang, etwas zu erschaffen, treibt ihn schließlich nach Paris, wo die Vorbereitungen für den Bau des neuen Opernhauses getroffen werden. Endlich eine Möglichkeit für Erik, seine Kreativität zu verwirklichen, und sich gleichzeitig ein eigenes Zuhause zu schaffen.

Basierend auf Gaston Leroux‘ Roman „Das Phantom der Oper“ verarbeitet Kay in biographischem Stil die Geschichte des fiktiven Phantoms, das die Pariser Oper in Atem hielt. Der Inhalt des Originals, bekannt auch aus dem gleichnamigen Erfolgs-Musical, wird in „Das Phantom“ nur im letzten Viertel behandelt. So konzentriert sich Kay im Hauptteil des Romans auf die Vorgeschichte. Wie wurde Erik zum Phantom, woher kam dieses Genie? Wie kann man einen so schöpferischen Geist mit den manischen Phasen eines Wahnsinnigen vereinen, ohne ihn als Monster darzustellen? Diese Fragen behandelt Kay sehr ausführlich, durchdacht und gut recherchiert. Dabei hält der tagebuchähnliche Stil die Geschichte stets sehr emotional und hilft dem Leser, sich in jeden der erzählenden Charaktere hineinzuversetzen. Für Leser, denen die Geschichte von Leroux bekannt ist, hält „Das Phantom“ natürlich wenige Überraschungen bereit, aber darum geht es in diesem Roman auch gar nicht. Vielmehr ist er eine sehr emotionale und schlüssige Hintergrundgeschichte, die uns hilft, einen der faszinierendsten fiktiven Charaktere des 20. Jahrhunderts zu verstehen.

Für „Phans“ ein echtes Muss, für Einsteiger eine gute Möglichkeit, sich mit der Geschichte vertraut zu machen und Hintergründe zu verstehen.

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Susan Kay – Das Phantom
Fischer Verlag, Taschenbuch, 2005

416 Seiten
9,99€

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