Beiträge

Gewohnte Glamrock-Qualität aus Schweden

88765440292Booklet.indd

Crashdiet haben in ihrer Karriere (gegründet 2000 in Stockholm, erstes Album Rest in sleaze 2005) schon einiges durchgemacht: 2006 bringt sich Originalsänger Dave Lepard mit 26 Jahren um, was die Band in eine schwere Krise stürzt. Kaum hat man sich zum Weitermachen aufgerafft und mit einem neuen Sänger ein zweites Album eingespielt (The unattractive revolution, 2007), verlässt dieser die Band. Album Nummer drei – das hochgelobte Generation wild (2010) – war die Bewährungsprobe für Sänger Nummer drei, Simon Cruz, der seine Sache richtig gut gemacht hat. Und offensichtlich scheint die Bandchemie jetzt auch zu stimmen, denn mit The savage playground liegt seit diesem Jahr der vierte Kracher der schwedischen Glam- und Sleaze-Rock-Formation vor, der nach den ersten Durchläufen schon sehr hartnäckig in den Gehörgängen festhängt.

Eröffnet wird The savage playground nach einem düster-aufpeitschenden Sprechintro mit „Change the world“, einem melodiös-treibenden Rocker, der mit schönen Aahaa-ahaaaa-Chören sofort ins Ohr geht und gute Laune verbreitet. „Cocaine Cowboys“ gönnt einem glücklicherweise auch keine Verschnaufpause, sondern rockt genauso gut weiter nach einem sehr schönen Sleaze-Gitarreneinstieg, aggressiv, aber immer melodiös.
Mit „Anarchy“ wird das Tempo ein wenig herausgenommen, Simon Cruz singt angenehm tief und shoutet weniger grell und aggressiv, der Track lebt von eingängiger Melodie und Refrain und setzt sich sofort im Ohr fest.
Bei „California“ wird es mir persönlich etwas zu pop-rockig und cheasy, aber zumindest nicht soft, gerockt wird hier immer noch, und auch das Stück wird seine Anhänger finden.
„Lickin’ dog“ zeigt dann die rock’n’rollige Seite der Band, allerdings ist das Stück sonst nicht weiter auffallend und will trotz an sich gutem Rhythmus und guter Melodie nicht so recht ins Ohr.
„Circus“ bietet dagegen wieder ein echtes Highlight, inhaltlich knüpft es an den CD-Titel The savage playground. Simon Cruz singt in einer sehr angenehmen Stimmlage, ungewöhnliche Melodieführung, die in einen mitreißenden Refrain mündet, den man den halben Tag danach noch vor sich hinträllert.
„Sin City“ thematisiert das Glücksspiel und setzt damit das Thema des vorherigen Tracks indirekt fort. Schöner Rocker mit Spielautomatensamples im Hintergrund.
„Got a reason“ überrascht nach einem etwas arg eingängigen Beginn mit ungewöhnlichen Momenten und gefällt nach mehreren Durchläufen doch sehr gut, nicht zuletzt durch den wieder angenehm tiefen Gesang.
„Drinking without you“ ist dagegen mein persönlicher Weglasstitel des Albums, mir schlicht zu poppig und seicht und irgendwie auch langweilig. Tut nicht weh, aber mehr auch nicht.
Zum Glück plätschert das Album danach nicht wie so viele andere auf den letzten Metern dröge dahin, nein, The savage playground dreht noch mal richtig auf.
„Snakes in paradise“ ist eine klasse Hommage an Skid Row zu ihren besten Zeiten, schön rockig und nach vorn gehend, catchy Refrain. Passt.
„Damaged kid“ gehört dann wieder zur Kategorie „tut nicht weh, aber sticht auch nicht so wirklich heraus“. Nach mehreren Durchläufen wächst das Lied allerdings noch etwas und bleibt doch im Ohr hängen.
Mit „Excited“ haben Crashdiet meinen persönlichen Favoriten auf diesem Album geschaffen, ein eher melancholischer Midtempo-Track, der mich sofort berührt hat. Unbedingter Anspieltipp!
Die große Überraschung von The savage playground wartet am Ende auf den Hörer, und was für ein schöner Abschluss dieses ansonsten (im sehr positiven Sinne) Genre-Albums: „Garden of Babylon“, ein Midtempo-Rocker in Überlänge, der verschiedene Stile vereint und vor allem durch orientalische Gitarrenläufe und schön psychedelische Soli auf sich aufmerksam macht. Hossa, hätte ich so nicht erwartet!

Fazit: Für alle Glam- und Sleaze-Rock-Fans absolut empfehlenswertes Album ohne wirklichen Ausfall – und generell an gutem Rock mit schönen Melodien interessierte Hörer dürfen hier auch mindestens ein Ohr riskieren. Das Album klingt angenehm authentisch, nicht überproduziert, die etwas schrille Shout-Stimme des Sängers ist ein bisschen Geschmackssache, aber ich fand es sehr erfreulich, dass er variabel singen kann und es auch oft tut. Insgesamt gefällt das Album durch Abwechslungsreichtum und überraschende Momente in vielen Tracks, wobei es sich doch immer eindeutig in den Genregrenzen bewegt. Eine große Stärke der Band war und ist das Gespür für wirklich tolle Melodien, und wenn an der Sängerfront jetzt endlich etwas Ruhe eingekehrt ist, dürfen wir uns hoffentlich auf noch diverse weitere Ohrwürmer aus Schweden freuen.

Anspieltipp insgesamt: „Circus“
Anspieltipp persönlich: „Excited“

:mosch: :mosch: :mosch: :mosch: :mosch2:

Tracklist:
1.Change the world
2.Cocaine cowboys
3.Anarchy
4.California
5.Lickin’ dog
6.Circus
7.Sin city
8.Got a reason
9.Drinkin without you
10.Snakes in paradise
11.Damaged kid
12.Excited
13.Garden of Babylon

Plattenfirma: Frontiers Records
VÖ-Datum: 25. Januar 2013
17,99 €
erhältlich z.B. bei: amazon