Beiträge

Das Krimifestival München ist bereits in vollem Gange, aber wir wollen natürlich nicht versäumen, auf das folgende kriminalistische Feuerwerk diesen Herbst hinzuweisen.
Als eines der größten deutschsprachigen Krimifestivals lockt es bereits seit 2003 Genreliebhaber nach München, um an zahlreichen Veranstaltungen teilzunehmen und sich von Profis durch die Welt von Thriller, Krimi und Co. führen zu lassen. Weiterlesen

Im Traum kann dir kein Leid geschehen …?

Johannes Cabal Das Institut fuer Angst und Schrecken von Jonathan L HowardJohannes Cabal staunt nicht schlecht, als eines Tages drei Herren vor seinem Gartentürchen stehen und ihn auf eine Reise einladen möchten. Sie soll in die mysteriösen „Traumlande“ führen, eine von Träumern (manche mehr, manche weniger wahnsinnig) erdachte Welt, in der die Mitglieder des Instituts für Angst und Schrecken hoffen, die Angst selbst ausfindig zu machen und ein für alle Mal zerstören zu können. Für Abenteuer an sich hat Cabal nicht viel übrig, doch die Aussicht auf neue Erkenntnisse über seine eigene Forschung lässt ihn zusagen. So macht sich die wunderliche kleine Expedition auf in eine Welt, die verrückter kaum sein könnte, und Cabal erregt die Aufmerksamkeit von Mächten, die er wohl lieber in Ruhe gelassen hätte …
Weiterlesen

„Denn es begab sich,
dass die Welt im Argen lag …“

Die Vereinigten Staaten von Amerika existieren nicht mehr. Stattdessen eine unverbundene Ansammlung von größeren und kleineren Kolonien von Überlebenden – denn die Bevölkerung in diesem Teil der Erde wurde fast vollständig ausgerottet. Nach einem missglückten Experiment an Schwerverbrechern breitet sich ein Virus über Nordamerika aus, das die Infizierten in „Virals“ verwandelt – blutrünstige, lichtscheue Monster, die, angeführt von den „Zwölf“, über die Menschheit herfallen. Doch nicht nur diese zwölf tragen das Virus in sich – auch Amy, das Mädchen, das seit hundert Jahren 14 ist. Und nur sie hat die Macht, die Virals und ihre Anführer zu stoppen.

Die Zwölf ist der zweite Teil der „Passage“-Reihe von Justin Cronin, und knüpft vermutlich direkt an Der Übergang (original: The Passage) an, den ich leider nicht gelesen habe. Trotzdem findet man schnell einen Eingang in die Welt und die Geschichte, der durch den Prolog im biblischen Stil erleichtert wird. So wird der Leser kurz ins Gesamtbild eingeführt, bevor in episodischen Abschnitten das Leben der Menschen im zerstörten Amerika beschrieben wird. Einige Zeitsprünge sind etwas verwirrend, und die ausgewählten Einzelgeschichten wirken fast willkürlich ausgewählt. Durch geschickte Kapiteleinteilungen und fesselnde Handlungsbögen gelingt es Cronin allerdings, dass man sich zwar wundert, aber nie gelangweilt ist. Doch was anfangs zufällig wirkt, entpuppt sich im Laufe der Geschichte als gekonnt verwobener Plot. Jedes der post-apokalyptischen Einzelschicksale hat eine Bedeutung für die spätere Handlung, denn in diesem „Vorgeplänkel“ wird dem Leser ein tiefer Einblick in verschiedenste Charaktere gewährt, die im Verlauf der Geschichte eine wichtige Rolle spielen sollen.
Gerade die Erlebnisse von Amy, dem ewig mystischen Mädchen, werden oft nur indirekt beschrieben und einige Handlungsstränge werden offen gelassen, sodass man nie genau weiß, was mit ihr eigentlich passiert. Amy ist selbst ihren Freunden stets ein Rätsel gewesen, und so fügen sich diese nebulösen Ereignisse nur dem Mythos um sie hinzu. Nie ist ganz klar, ob sie von Gott geschickt und befähigt wurde, um gegen die Virals anzutreten, oder ob sie schlicht ein misslungenes Experiment ist. Diese Schwebe zwischen Wissenschaft und Religion verbindet in Die Zwölf einen typischen Endzeit-Thriller mit einem Hauch von Fantasy – eine gelungene Kombination.
Cronin beweist ein großes Talent darin, sich in verschiedenste Personen hineinzuversetzen und dem Leser ihre Beweggründe und Gefühlswelt zu vermitteln. Die Erzählperspektive wechselt von Kapitel zu Kapitel, sodass man bald eine tiefe Verbundenheit zu den Charakteren empfindet. Dies erleichtert auch das Verständnis für Leser wie mich, die den ersten Band der Reihe, die offenbar eine Trilogie werden wird, nicht gelesen haben.
Lange bleibt der Leser im Unklaren darüber, wohin sich die Geschichte eigentlich entwickeln könnte. Die große Handlung bleibt zugunsten kleiner Events im Hintergrund und bewegt sich nur langsam, doch Cronins fesselnder Schreibstil und seine überraschenden Wendungen und Verknüpfungen machen jedes Kapitel zu einem Genuss, auch wenn man die Verbindung zur Handlung nicht sofort erkennt. Das eigentliche Finale, das Zusammenführen aller Handlungsstränge, die lang ersehnte Auflösung, geschieht erst im letzten Viertel des Romans, doch es könnte beeindruckender kaum sein. Es schließt Die Zwölf in sich ab, und macht doch Lust auf den letzten Teil.
Die vielen handelnden Personen werden zwar eingehend beschrieben, doch man könnte bemängeln, dass es irgendwann schlicht ein paar zu viele werden, sodass ich teilweise bei der Erwähnung eines Namens erst überlegen musste, wo genau er vorher eine Rolle gespielt hatte. Doch dieses Problem hält sich in Grenzen und tut dem Lesespaß keinen Abbruch.

Die Zwölf ist ein spannender und komplexer Endzeit-Roman, der auf keiner einzigen Seite Langeweile aufkommen lässt. Cronin schreibt flüssig und reißt den Leser mit, selbst, wenn gerade nicht die wortwörtlichen Fetzen fliegen. Er versteht es, Gänsehautsituationen zu schreiben, übertreibt es aber nie damit.
Der Roman ist eine Empfehlung für Fans von Zombie- und Vampirgeschichten genauso wie Liebhaber von post-apokalyptischen Szenarien und Fantasy, und macht definitiv Lust auf den dritten Teil.

:buch:  :buch:  :buch:  :buch:  :buch:

Justin Cronin – Die Zwölf
Goldmann, Gebundene Ausgabe, 2013
832 Seiten
22,99 €
Ebook: 18,99 €

„Die Zwölf“ bei Goldmann

„Die Zwölf“ bei Amazon

Justin Cronin

 

Es irrt der Mensch, solang er strebt

howard_seelenfaenger

Johannes Cabal ist Nekromant, und versteht noch dazu überhaupt keinen Spaß. Um sein geheimes Wissen zu erlangen, verschacherte er dereinst seine Seele an den Teufel, doch ein Bund mit diesem Zeitgenossen geht bekanntlich nie so aus, wie man es gern hätte. Deswegen will Cabal seine Seele zurück, und da Geduld nicht gerade zu seinen Stärken zählt, macht er sich auf in die Hölle, um dort etwas Unfrieden zu stiften und schließlich mit dem Satan um seine Seele zu wetten: Bringt er ihm innerhalb eines Jahres 100 andere Seelen, so bekommt er seine eigene zurück. Klingt doch fair. Und als Hilfe gewährt der Leibhaftige ihm sogar Unterstützung durch einen Jahrmarkt, denn wo könnte man den Menschen schließlich besser das Geld und die Seele aus der Tasche ziehen? So macht sich Johannes auf eine verrückte Reise, um mit seinem Bruder Horst, einer Krähe und einem Haufen wahrlich jahrmarkt-tauglicher Mitarbeiter die Wette zu gewinnen.

Die Story von Seelenfänger ist natürlich keine neue, bereits Goethe hatte die Idee mit dem Wissenschaftler, der seine Seele verkauft. Und genau da liegt der Hund begraben (oder vielleicht auch nicht, bei einem Totenbeschwörer?) – denn wie so oft sind die simpelsten Geschichten doch die, die uns am meisten beeindrucken.
Wie auch Faust im weltberühmten Drama, so ist Johannes Cabal nicht unbedingt der sympathischste Typ von Hauptcharakter. Genau genommen hat fast jede andere Person freundlichere Wesenszüge abbekommen. Sein triefender Sarkasmus und die Absurdität seiner vollkommen analytischen Denkweise sorgen zwar für einige Lacher, aber kaum jemand würde diese Sorte Mensch als „nett“ beschreiben. Unterstrichen wird dies dadurch, dass Howard nur sehr selten seinen Vornamen benutzt, meist ist schlicht von „Cabal“ die Rede – sein Bruder wird jedoch stets Horst genannt. Es ist nicht schwer zu bemerken, dass sogar Horst, der sicher auch seine Leichen im Keller hat und sogar selbst eine solche war, menschlicher ist als der Nekromant. Sogar Satan kommt als bemerkenswert nett beim Leser an. Trotzdem schafft Howard es auf wundersame Weise, dass man dem gewissenlosen Nekromanten nichts Böses wünscht und irgendwie auch Mitleid mit ihm hat.
Große Überraschungen bietet Seelenfänger zwar nicht, doch bei dieser Art von Geschichte ist es nahezu unmöglich, sie so hinzudrehen, dass tatsächlich etwas gänzlich Unerwartetes passiert. Es gibt Dinge, die müssen geschehen, und es gibt Geschichten, die nur einen möglichen Ausgang nehmen können. Howard schreibt dennoch mitreißend genug, dass man ständig hofft und still fleht, Cabal möge Einsicht haben und zu einem guten Menschen werden. Und schließlich muss er erst beinahe alles verlieren, fast sogar sich selbst, bevor der gefühlskalte Nekromant zeigt, dass er sich seine Seele doch irgendwie verdient hat.
Neben Faust sind auch Anspielungen an H.P. Lovecrafts Cthulhu-Mythos zu finden, und ich meinte sogar, kleine Zitate von Monty Python und aus Charles Dickens‘ Klassiker A Christmas Carol zu entdecken.
Der aberwitzige Stil und tiefschwarze Humor erinnert zum Teil an Neil Gaiman oder Terry Pratchett, generell ist Howards Roman aber düsterer, sowohl thematisch als auch im Detail. Der Zombie-Zirkus hat einen geradezu burtonesquen Hauch und bietet eine so herrliche Vorlage, dass man sich wünschen würde, jener Filmemacher würde sich des Buches annehmen.
Johannes Cabal: Seelenfänger ist eine schwarzbunte Achterbahnfahrt, die die Lachmuskeln schwer beansprucht. Eine alte Geschichte mit einem modernen Antihelden, den man wirklich nur mögen kann, wenn man ihn nicht persönlich ertragen muss. Ein garantierter Lesespaß für Fans von Tim Burton, Neil Gaiman und den guten, alten Geschichten über das Austricksen des Teufels. Macht definitiv Lust auf Teil zwei und drei der Reihe!

:buch:  :buch:  :buch:  :buch:  :buch:

Jonathan L. Howard – Johannes Cabal- Seelenfänger
Goldmann, Taschenbuch, 2009
384 Seiten
12,00€

Johannes Cabal: Seelenfänger bei Goldmann

Johannes Cabal: Seelenfänger bei Amazon
Jonathan L. Howard 

 

Katzen, Schuhe, Doppelleben

grimes_all-die-schoenen-tote

Im kleinen Örtchen Chesham wird die beeindruckend elegant gekleidete Leiche einer jungen Frau gefunden. Die Suche nach ihrer Identität gestaltet sich als überraschend schwierig für Superintendent Richard Jury von Scotland Yard, und es stellt sich heraus, dass die junge Dame ein interessantes Doppelleben geführt hat. Doch in Chesham ist der einzige Mordzeuge die schwarze Pubkatze, die kurz darauf verschwindet. Als in London eine weitere, und schließlich eine dritte junge Frau erschossen aufgefunden werden, beginnen für Jury höchst verworrene Ermittlungen und er taucht ein in eine Welt aus schönem Schein, Eifersucht und Schuhen.

Anfangs ist Martha Grimes‘ Stil etwas verworren, ich hatte Schwierigkeiten, bei Dialogen den roten Faden zu behalten. Doch man gewöhnt sich schnell ein und die Geschichte nimmt zügig Fahrt auf, um den Leser mitzureißen. Von Anfang an wird klar: Die Schuhe müssen der Schlüssel zum Geheimnis um den Tod von drei jungen Frauen sein, denn sie alle trugen nur die edelsten Treterchen. Dennoch fand ich das plötzliche Interesse eines hochrangigen Polizisten in seinen 40ern an Manolo Blahnik etwas übertrieben. Auch seine Frauengeschichten konnte ich nicht ganz durchblicken, wobei das vermutlich daran liegt, dass All die schönen Toten mein erster Roman von Martha Grimes ist.
Die Geschichte um Jurys Ermittlungen wird immer wieder unterbrochen von netten und kurzweiligen Episoden um Morris, die schwarze Katze, die aus dem Pub verschwunden ist, vor dem der Mord geschehen ist. Diese stellt sich als entführt heraus und schließt Freundschaft mit Mungo, dem Hund von Jurys Lieblingsfeind Harry Johnson. Doch was diese goldigen Einwürfe nun mit der eigentlichen Kriminalgeschichte zu tun haben – keine Ahnung. Eventuell ist es auch hier hilfreich, die Vorgeschichte zu kennen, denn ganz schlau wurde ich aus der Beziehung zwischen Harry und Jury nicht. Die Art, wie der Polizist sich von einem potentiellen Mörder auf der Nase herumtanzen lässt, war zumindest sehr merkwürdig. Auch die Rettung eines streunenden Hundes und die Diskussion über dessen Namen, der sich durch etwa zwei Drittel des Buches zieht, brachten mich mehr als einmal zum Stirn runzeln. In diesen Episoden geht der Bezug zur Handlung und der rote Faden dermaßen verloren, dass ich mehrmals zurückblättern musste, um den Handlungsverlauf im Auge zu behalten.
Martha Grimes punktet mit einem herrlich bissigen Humor und Bemerkungen, die mich mehrmals laut auflachen ließen. Sie schreibt flüssig, doch in manchen Teilen kamen mir die Dialoge extrem gestellt vor. Außerdem stört die penetrant häufige Benutzung des Wortes „ausklamüsern“ den Lesefluss.
Die Hauptgeschichte, von allen Tieren und Harrys mal abgesehen, ist fesselnd und interessant. Die Schlüsselrolle von Mode und Schuhen bietet wahrscheinlich besonders Frauen einen Anreiz, doch der Fall, an dem Jury hier zu knabbern hat, geht weit über diese oberflächlichen Themen hinaus. Im Grunde spiegelt dieser Gegensatz genau den Inhalt des Romans wieder: zwei Welten, zwei Leben, nebeneinander. Glanz und Glitzer an der Oberfläche, doch was liegt darunter? Genau dies ist der Schlüssel zur Lösung des Rätsels, denn der erste Eindruck ist nicht immer der richtige.

Alles in Allem ist All die schönen Toten ein gelungener Krimi und ein kurzweiliger Lesespaß. Die Handlung entwickelt sich flüssig und bleibt spannend, wird jedoch von Tiergeschichten und dem mir nach wie vor vollkommen schleierhaften Charakter des Harry Johnson unnötig in die Länge gezogen und auf eine harte Probe gestellt. Vielleicht ist dies aber für Fans der Serie weniger störend, als für einen Einsteiger. Der sprachliche Stil macht Spaß, und die Episoden mit Mungo und Morris, die sich so gar nicht wie Hund und Katz‘ benehmen, sind immerhin für ein Schmunzeln gut.

:buch:  :buch:  :buch:  :buch2:  :buch2:

Martha Grimes – All die schönen Toten
Goldmann, Taschenbuch, 2012
382 Seiten
9,99€
ebook: 8,99€

All die schönen Toten bei Goldmann

All die schönen Toten bei Amazon
Martha Grimes