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Es werde Licht!

 

 

Samael haben wieder mal ein neues Album auf den Markt gebracht und natürlich darf da eine Europa-Tour mit ein paar Support-Bands im Schlepptau nicht fehlen. Glücklicherweise verschlug es die Schweizer auch in hiesige Gefilde und sie gaben sich in der Münchner Backstage-Halle die Ehre. Das Plakat versprach einen voll gepackten Abend, ganze fünf Bands aus allen Ecken Europas umfasste der Musiker-Tross und machte gespannt auf sehr illustre Unterhaltung der schwermetallenen Art.

 

Finnisch-spanische Brachialien

 

Pünktlich um 19:30 eröffneten Dead Shape Figure aus Helsinki das Spektakel und präsentierten sich als grundsolider musikalischer Mix aus Machine Head und Slayer mit gelegentlichen kühnen Rhythmuswechseln und interessanten Songstrukturen. Als nächstes waren die Spanier Noctem an der Reihe, die ebenfalls diesen Sommer ihr neues Album Oblivion aus der Presse ließen. Da sie mir bis dato noch kein wirklicher Begriff waren und das sonst so freigiebige Internet (außer der obligatorischen Myspace-Seite, die hübsch aufgemacht ist) recht wenig Infos zu Tage förderte, war ich gespannt, was sie live zu bieten hatten. Anfangs gab’s in schönster Black-Metal-Manier richtig auf die Umme, Frontkreischer Beleth bewies ein vermögendes Organ und mit seiner Kapuze und wallendem Mantel erinnerte er an eine Art Priester und gab der Bühnenpräsenz einen mystischen Touch – ein bisschen wie die großartigen Kollegen von Moonspell (scheint ein Trend unserer europäischen Mit-Metaller aus dem Westen zu sein). Der Rest fügte sich optisch in die üblichen Klischees: Pseudo-Rüstungen, Nieten, Leder und immer schön grimmig dreinschauen – Dimmu Borgir wäre stolz. Musikalische Abwechslung gab’s auch hinreichend, denn immer wieder wurden die Songs mit rhythmischen, beinahe hypnotischen Partien gespickt, sodass keine Langeweile aufkommen konnte und es durchaus bangtaugliche Passagen gab. Die Bühnenshow war bodenständig und bot Bekanntes: Talent im Dauer-Rotor und Affinität zu Kunstblut. Nach dem Auftritt wurde dann auch gleich die neue CD erstanden, denn die Jungs haben auf ganzer Linie überzeugt.

 

Nach der Mauser

Nachdem die beiden Rotating-Slot-Acts ihre Show abgeliefert hatten, ging es ans Eingemachte, die Halle füllte sich zusehends und den Anfang bei den großen Jungs machten Keep Of Kalessin. Das letzte Mal, als ich die Norweger erlebt habe, waren sie Support von Satyricon bei deren „Now Diabolical“-Tour anno 2006. Damals waren sie nicht viel mehr als eine von vielen Black-Metal-Bands, die in dieselbe Kerbe schlugen wie ihre Vorbilder: möglichst laut und schnell, dafür aber leider wenig Eigenes, was sie aus der Masse hätte hervorstechen lassen. Glücklicherweise hat sich das bei KOK geändert und sie waren für eine positive Überraschung gut. Los ging es mit bewährtem Geknüppel, Geschrammel und Gekeife und das können die Jungs einfach im Schlaf. Keine Bassdrum-Triole lag daneben, keine Seite war falsch gegriffen – technisch perfekt. Aufhorchen ließ dabei ein neuer Hauch von Groove, der die einstige Monotonie aufbricht. Vereinzelte rockige Riffs und ein von den Gitarreros mit backing vocals unterstützter, zwischen den Shouts tatsächlich singender Thebon bringen frischen Wind und gekonnte Innovation in das Repertoire der Band. Was die Bühnenpräsenz betrifft kann auch nicht gemeckert werden, Thebon kam seiner Rolle als Frontmann mit Publikumsnähe nach und der Rest der Band hatte sichtlich Spaß an dem, was sie da auf der Bühne fabriziert haben. Keep Of Kalessin haben sich weiterentwickelt und das in eine viel versprechende Richtung, wie ich finde. Sie sind auf jeden Fall auch einen zweiten und dritten Blick wert.

Nicht ganz koschere Kakophonie

 

Auf Melechesh war ich sehr gespannt. 1994 in Jerusalem gegründet schreibt sich diese mittlerweile über die ganze Welt verstreut lebende Band auf ihre Fahne, sie betrieben „Mesopotamian Black Metal“. In der Theorie heißt das, sie mischen Elemente des Black-, Death- und Thrash-Metal mit orientalisch inspirierten Gitarrenriffs und Trommelrhythmen sowie arabischen Skalen. Ruft man sich Ähnliches ins Gedächtnis – zum Beispiel Teile von Moonspells Debüt-Album Under The Moonspell (1994), einiges von Hollenthon oder vielleicht auch System Of A Down – weiß man, dass so was durchaus gut funktionieren kann, dabei allerdings auch sehr geschmacksabhängig und speziell bleibt – aber hey, es geht hier schließlich um Black Metal und da ist so ziemlich alles sehr geschmacksabhängig und speziell. Wie haben sich nun die Burschen aus Nahost tatsächlich geschlagen? Das Intro war, wie erwartet, eine wunderbar rhythmische Melodie, wie man sie auf einem sumerischen Bazar vermutet und ging dann stilecht in einen beinharten Blast über – gekonnt, wirkungsvoll, aber nichts wirklich Neues. Die Songs selber sind eine Mischung aus herkömmlichem Black-Metal und, wie beschrieben, arabischen Klängen. Manchmal lösten sich die verschiedenen Teile ein bisschen zu hektisch ab für meinen Geschmack, aber für sich genommen waren sie sehr eingängig, intuitiv beinahe. Witzig war der zweite Gitarrist, der die ersten paar Songs vermummt spielte. Fazit: Melechesh machen ihr Ding nicht schlecht, sind aber selbst im Black-Metal-Genre (und für unbedarfte westliche Ohren) extreme Exoten. Ein bisschen wie ein Snack auf einem türkischen Wochenmarkt: entweder es schmeckt und man will einen Nachschlag, oder man hat eine Woche Brechdurchfall und will nie wieder was davon. Der mesopotamische Black Metal wird wohl eher die etwas spezielleren Geschmäcker ansprechen, ist es aber auf jeden Fall wert, auf Myspace mal reinzuhören und sich selbst ein Urteil zu bilden.

 

Wer hat’s erfunden?

 

Nach einer kleinen Umbaupause war der Höhepunkt des Abends dann endlich erreicht. Mit einem spätestens seit der Reign Of Light obligatorischen Synthie-Intro brachen Samael mit dem Opener der neuen Scheibe Lux Mundi los. Getaucht in ein Stroboskop-Gewitter und umspielt von optischen Effekten auf der Leinwand im Hintergrund bekam das Publikum eine Breitseite vom Feinsten. Die neue CD bleibt dem Trend der Band treu und entwickelt den Stil der Above logisch weiter. Songs im Midtempo, das an alte Tage erinnert, aber weiterhin mit progressiven Riffs, hämmernden Drums und Synthies erfreuen den geneigten Hörer und die unverwechselbare Stimme von Vorph tut ihr Übriges, um den typischen Samael-Sound zu komplettieren. Nach dem fulminanten Auftakt gab’s ein Wiederhören mit den alten Bekannten „Rain“ und „Baphomets Throne“, gefolgt von einigen neueren Stücken von der Above und der Reign Of Light. Unerwartet wurde dann gekonnt in einem Medley aus „Flagellation“, „Mask of the Red Death“ und einem Song der neuen Scheibe die Brücke über 15 Jahre geschlagen, und „Sol Invictus“ stellte die Nackenmuskeln auf eine harte Probe. Nach weiteren Perlen der Bandgeschichte und einer zweiten Verschmelzung von „Shining Kingdom“ und „In The Deep“ folgt der letzte Song und schließt den Kreis zurück zum aktuellen Tonträger. Ein wirkliches Schmankerl gab’s bei der Zugabe, die Fans der ersten Stunde mit „Ceremony of Opposites“ und „Into The Pentagram“ verwöhnte. Nach diesem Konzert besteht, zumindest für mich kein Zweifel mehr an der Qualität dieser Schweizer Ausnahme-Musiker. Besser kann man eine Fan-Gemeinde, die vom Black-Metal-Puristen bis zum Industrial-Rocker so ziemlich alles abdecken dürfte, beim Konzert nicht bei Laune halten. Hut ab!
:mosch::mosch::mosch::mosch::mosch:

 

-JD