Beiträge

Und die Welt ist doch eine Scheibe

Pratchett_TVollsthaend_uunentb_Atlas_181232Vollsthändiger und unentbehrlicher Atlas der Scheibenwelt, so lautet der vollmundige Titel, bei der Komplexität der Scheibenwelt ein schwieriges Unterfangen. Aber beginnen wir mit dem Äußeren, das in diesem Fall wirklich eine Erwähnung wert ist. Das Buch steckt extra in einem hochwertigen Schutzumschlag, der mittels Gummikordel zu schließen ist, und auf der Rückseite im Inneren dieses Schutzumschlags befindet sich eine große doppelseitige Landkarte. Die Rückseite ist quasi ein Poster von Groß-A-Tuin, die die vier Elefanten trägt, auf deren Rücken die Scheibenwelt ruht. Auf der Vorderseite befindet sich eine detaillierte Landkarte der gesamten Scheibenwelt, sodass man die Entfernungen zwischen zwei Orten besser abschätzen und die Reisen von Herrn Zweiblum oder Rincewind, dem „Zaubberer“ nachverfolgen kann. Weiterlesen

Abschied von der Scheibenwelt

Tiffany Weh, die Hexe des Kreidelandes, hatte es ja noch nie leicht, aber in letzter Zeit scheint alles zusammenzukommen. Eine Fernbeziehung, die Betreuung von zwei Hexen-Revieren, und obendrein hat sie immer noch das Gefühl, sich vor den älteren Hexen beweisen zu müssen. Allerdings hat sie bald mit ganz anderen Problemen zu kämpfen, denn im Märchenland rührt sich ein alter Feind, und als die Grenzen durchlässig werden, muss Tiffany erneut ihr Land verteidigen – das Land unter der Welle, das Feuerstein in der Seele hat, genau wie Tiffany selbst.

Mit Volldampf in die Zukunft

In einer kleinen Hütte gelingt es dem jungen Tüftler Dick Simnel (dem aufmerksamen Leser klingt der Name Simnel vielleicht aus Alles Sense in den Ohren), den Dampf zu zähmen und in einer wunderbaren neuen Erfindung für die Bevölkerung nutzbar zu machen. Er entwickelt eine Maschine, die nur mit Wasser und Kohle auf Schienen fahren und Personen und Güter transportieren kann. Lord Vetinari, der Patrizier von Ankh-Morpork, riecht den Nutzen dieser bahnbrechenden Erfindung und stellt seinen Lieblingshalunken Feucht von Lipwig in den Dienst dieser wunderbaren neuen „Eisenbahn“.
Doch nicht jeder Bewohner der Scheibenwelt ist so zukunftsbegeistert. Während in Ankh-Morpork das Eisenbahnfieber ausbricht, brütet in den dunklen Höhlen des Schmalzberges eine Gruppe von Fanatikern über Plänen, die Zwerge wieder „zwergisch“ zu machen – zur Not mit Gewalt. Und Fortschritte wie Klackertürme oder Eisenbahnen passen nicht in ihr Konzept.

Fürchte den Sensenmann nicht

pratchett_terry_72dpi_7399„DON’T THINK OF IT AS DYING, said Death. JUST THINK OF IT OF LEAVING EARLY TO AVOID THE RUSH.“
Weise und auch ein wenig tröstende Worte desjenigen, der es wissen muss. Der Tod, eine der menschlichsten der zentralen Figuren aus Sir Terry Pratchetts Scheibenwelt-Kosmos, holt die Seelen der Menschen nach ihrem Ableben ab, begleitet sie wie ein guter Freund.
Zu so einem guten Freund ist Sir Pterry vielen Millionen Lesern im Laufe der letzten Jahrzehnte geworden. Durch sein schriftstellerisches Werk, seine klugen Interviews, seine schwarzen Fedora-Hüte, seine Faszination für die verschiedensten Dinge, sein Engagement für bedrohte Orang-Utans, seinen einzigartigen Witz, der kaum in andere Worte als seine eigenen zu fassen ist. Weiterlesen

Ein Weltenschöpfer

terry-pratchett_christian-thiel

photo by Christian Thiel

Terry Pratchett – Wem klingt dieser Name nicht in den Ohren? Mittlerweile sicher nicht nur Fantasy-Insidern, denn Terry Pratchett hat sich mit Witz und cleveren Anspielungen in die Herzen seiner Fans auf der ganzen Welt geschrieben. Vor dem Erfolg von J. K. Rowlings Harry Potter der erfolgreichste Autor Großbritanniens, schrieb er bisher rund 50 eigene Romane und zahlreiche weitere in Zusammenarbeit – übersetzt in 37 Sprachen. Seine Fantasie und sein einmaliger Stil brachten ihm Ende 2008 sogar die Ritterschaft der englischen Krone ein. Außerdem wurde eine fossile Urzeit-Schildkröte aus dem Eozän nach ihm benannt: Psephophorus terrypratchetti. Wer kann das schon von sich behaupten? Weiterlesen

Wenn einer eine Reise macht …

Samuel Mumm, Kommandeur der Stadtwache von Ankh-Morpork und seit der Heirat mit Lady Sibyl Käsedick obendrein ein steinreicher Herzog, wird von seiner Herzensdame zum Urlaub auf dem gemeinsamen Landsitz verdonnert. Als Stadtkind, das nie aus der Zwillingsstadt herausgekommen ist, tut Mumm sich auf dem Lande reichlich schwer, insbesondere die Kultur der Teepartys und jungen Frauen, deren einzige Perspektive eine gewinnbringende Heirat ist, will ihm so gar nicht in den Kopf. Noch dazu kommt ihm ständig irgendetwas verdächtig vor, und sei es nur die lärmende Stille des Getiers vor seinem Schlafzimmerfenster. Wo ein Polizist, da auch ein Verbrechen, heißt es so schön – und als der aufmüpfige Schmied verschwindet, dem Mumm vor der Dorfkneipe eine kleine Abreibung verpasst hatte, findet er sich plötzlich mitten in einem Verbrechen wieder, dessen Ausmaße erst langsam ans Licht kommen.

Pratchett lässt sich wie üblich viel Zeit, um das eigentliche Geschehen in Gang zu bringen, und ich habe lange gerätselt, wie denn die neue Rasse der Goblins, die uns vorher so noch nicht auf der Scheibenwelt begegnet ist, wohl ins Bild passen würde. Auch der Titel blieb mir lange schleierhaft, doch die Zeit wird gut genutzt. Die Handlung läuft ganz in Ruhe an, und der Leser bekommt die Gelegenheit, sich in die Gefühlswelt und das Familienleben von Samuel Mumm hineinzuversetzen.
Mumm, der rechtschaffene Polizist, der treuen Fans aus vielen Scheibenwelt-Romanen bekannt ist, dürfte wohl fast jedem sympathisch sein. Früher oft bloß ein Spielball von Lord Vetinari hat er sich zu einer noch stärkeren Persönlichkeit gemausert, und in Steife Prise hat es sogar den Anschein, dass er den Patrizier von Ankh-Morpork tatsächlich überrascht. Sein innerer Kampf zwischen Polizist und Verbrecher tritt stärker zutage als in früheren Romanen und verleiht dem Charakter eine neue Tiefe. Er scheint sich vor etwas zu fürchten, das aus ihm werden könnte, wenn er kein Polizist wäre, und hält deshalb nur mit umso größerer Kraft an Gesetz und Ordnung fest.

Die Goblins wurden zwar in einer Handvoll früherer Scheibenwelt-Romane erwähnt, fanden jedoch nie Beachtung. Endlich widmet „Sir Pterry“ ihnen mehr Aufmerksamkeit und erschafft so eine neue Rasse, für die der Leser nur tiefste Sympathie und Mitleid empfinden kann. Vom Rest der Welt als Ungeziefer angesehen, gesteht die zivilisierte Scheibenwelt ihnen nicht einmal den Rang einer vernunftbegabten Rasse zu. Als wäre das nicht schon schlimm genug, scheint die immerwährende Isolation und Verdrängung dieser hässlichen, stinkenden kleinen Kerle sie selbst davon überzeugt zu haben, wertlos zu sein. So fristen sie ihr karges Darsein in abgelegenen Höhlen und warten auf ihre gänzliche Verdrängung aus der Welt. Doch Pratchett wäre nicht Pratchett, hätte er diesen bemitleidenswerten Wesen nicht auch ein paar ganz einmalige Qualitäten mitgegeben, und so lernt Sam Mumm, dass auch diese Geschöpfe ihn brauchen, um ihnen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.

Steife Prise ist thematisch einer der ernsten Scheibenwelt-Romane und wird nur durch Pratchetts urkomischen Stil zu einem echten Lese“vergnügen“. Die Geschichte ist ein actiongeladener Krimi, dessen Setting etwas an viktorianische Romane à la Jane Austen erinnert. Die Verdorbenheit der Gesellschaft, insbesondere der Aristokratie, steht im Mittelpunkt und wird nur langsam und mühevoll ausgetrieben, indem ehrliche Menschen wie die Eheleute Mumm und Dorfpolizist Volker Aufstrich sich für die Schwachen einsetzen.
Der übliche Slapstick, Pratchetts einmalige Beobachtungsgabe und sein lockerer, humorvoller Stil machen Steife Prise zu einem lesenswerten, kurzweiligen Abenteuer mit viel Hintergrund und Tiefgang. Der Roman zählt meiner Meinung nach zwar nicht zu den besten Scheibenwelt-Romanen, doch da die Messlatte extrem hoch liegt, bleibt er dennoch eine Empfehlung – für Fans ein Muss, für Einsteiger ein großer Lesespaß!

:buch:  :buch:  :buch:  :buch:  :buch2:

Terry Pratchett – Steife Prise
Manhattan, Taschenbuch, 2012
448 Seiten
17,99€
ebook: 13,99€

 

Steife Prise bei Manhattan

Steife Prise bei Amazon
Terry Pratchett