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Band der Woche

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So düster-schillernd die Musik der Glam-Rocker von Cardillac Complex auch ist, so heiter fallen mitunter die Antworten auf unsere Interview-Fragen zur Band der Woche aus – Viel Spaß beim Lesen!

Musik

Kennt ihr Novastorm? Nein? Ausprobieren!, meint Horusauge, und empfiehlt hierzu die Single Unter deiner Haut. Weiterlesen

Ein Abschied?

Wildwood war vor drei Jahren eins der ersten Bücher, die ich je für dieses Webzine besprochen habe. Die Saga um den zauberhaften Wald direkt hinter der Stadtgrenze von Portland, Oregon begleitet mich also schon lange, und der mittlerweile dritte Teil fühlt sich ein bisschen wie ein Abschied an.
Doch davor geschieht noch einiges: Der Ratsbaum hat Prue aufgetragen, den wahren Erben von Südwald auferstehen zu lassen. Dazu will sie das Volk von Südwald auf ihre Seite holen, doch sie stellt bald fest, dass dort nach der von ihr angestoßenen Revolution einiges im Argen liegt. Curtis und die Ratte Septimus hat sie seit ihrer Trennung nach den Abenteuern im Unterwald nicht mehr gesehen.
Die Waisenkinder aus Mr. Unthanks Heim haben sich derweil in der Industriewüste ein neues Zuhause aufgebaut, sind aber noch immer auf der Suche nach ihrer Freundin Martha und ihrem blinden „Ziehvater“ Carol.
Als einige Mädchen aus Südwald zum Spaß eine Séance abhalten, wecken sie etwas auf, das seit den Ereignissen des letzten Jahres tief im Wildwald geschlafen hat …
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Zurück in den Wald

Nach den Ereignissen in der Undurchdringlichen Wildnis (die in Band I, Wildwood beschrieben wurden) geht das Leben für Prue und Curtis weiter. Curtis wird von den Wildwaldräubern zu einem der ihren ausgebildet und genießt sein Leben im Wald. Prue hingegen ist zurück im Alltag. Mit ihren Eltern kann sie kaum über ihre Erlebnisse reden, in der Schule ist sie unkonzentriert, und seit einer Weile hört sie Pflanzen sprechen. Sie glaubt fast nicht mehr daran, den Wald oder Curtis jemals wiederzusehen – doch plötzlich überschlagen sich die Ereignisse. Curtis holt sie zurück in die Wildnis, beide müssen vor Attentätern fliehen, die es auf ihre Leben abgesehen haben, und die Revolution im Südwald hat keineswegs zu geordneten Verhältnissen geführt. Eine kryptische Prophezeiung führt die beiden Freunde tiefer und tiefer in den Wald, sogar darunter, wo ungeahnte Überraschungen warten. Weiterlesen

„… und ich möchte, dass du dort
nie, nie hingehst.“

 

Die 12jährige Prue traut ihren Augen kaum, als ihr kleiner Bruder Mac auf dem Spielplatz plötzlich von einem Schwarm Krähen in die Luft gehoben und in Richtung Wald getragen wird. Der Wald, den niemand aus dem verschlafenen Nest St. Johns je betreten hat, den man hier nur die „Undurchdringliche Wildnis“ nennt und über den allerhand merkwürdige Geschichten kursieren. Für Prue ist sofort klar: ihren Eltern kann sie diese Geschichte nicht auftischen. Genauso wenig kann sie ohne ihren Bruder nach Hause kommen. Also ist die einzige Möglichkeit, die ihr bleibt, in den Wald zu gehen und Mac allein zurück zu holen. Auf dem Weg dorthin schließt sich ihr ein etwas nerviger Klassenkamerad namens Curtis an, der weder besonders mutig noch sonst irgendwie von Nutzen scheint. Und natürlich werden die beiden auch prompt getrennt, als sie ein Rudel sprechender Kojoten in Uniformen beobachten – Prue kann entkommen, Curtis wird von den Kojoten gefangengenommen und in ihr Lager verschleppt. Im unzivilisierten Wildwald wird er ihrer Herrin, der bezaubernd schönen und freundlichen Alexandra übergeben und unter ihre Fittiche genommen. Sie macht ihn zum Soldaten, und an ihrer Seite kämpft er gegen die Wildwaldräuber, die seiner Retterin und ihren Kojoten immer wieder das Leben schwer machen wollen.
Prue stolpert derweil direkt in die politischen Verstrickungen der Tiere und Menschen des Waldes, muss sich gegen die korrupte Regierung von Südwald wehren und findet Verbündete im Vogelfürstentum und in Nordwald – und erhält überraschende Hilfe von den Wildwaldräubern…
Bald bemerken beide, dass sie in eine viel größere und bedeutendere Geschichte geschlittert sind, als ihnen lieb wäre, und beinahe gerät Macs Rettung etwas in Vergessenheit angesichts der Ausmaße des Übels, das hier bald geschehen soll.

Meloy wirft den Leser mitten ins Geschehen hinein, baut Spannung auf und fällt dann in einen ruhigeren Erzählstil, der die Möglichkeit gibt, sich erst mal mit der Geschichte auseinanderzusetzen und hineinzudenken. Dann geht es aber Schlag auf Schlag weiter. Mit seiner sehr blumigen Sprache unterstreicht er die zauberhafte Wildheit seines Waldes, ohne je kitschig zu wirken. Die aussagekräftigen Bilder, die er mit seinen Worten zeichnet, helfen auch der faulsten Fantasie auf die Sprünge und machen die strategisch platzierten Zeichnungen von Meloys Frau Carson Ellis beinahe überflüssig. Diese muss man wohl mögen, ich tu es nicht, aber da es hier um das Buch geht, soll die Kritik nicht an den Bildern hängen.
„Wildwood“ spielt geschickt mit der Erwartungshaltung und den Klischees des Lesers, verunsichert ihn dann aber immer wieder in seiner Einteilung von Gut und Böse. Man findet sich in einem erstaunlich komplexen Machtgefüge innerhalb des Waldes wieder, in dem es nur schwer gelingt, sich ein klares Bild über die Motive und Charaktereigenschaften der Figuren zu machen, bis man mit der Nase darauf gestoßen wird.
Mitten in der Geschichte schlägt das Buch, an einer Stelle, wo man sich als Leser fragt, wie es jetzt überhaupt noch weitergehen könnte, dann plötzlich einen gewaltigen Haken. Es verwandelt sich von einer bloßen Geschichte in ein Märchen. Die Undurchdringliche Wildnis, die anfangs auf merkwürdige Art und Weise wie ein Spiegelbild der „Außenwelt“ wirkte, bekommt einen Hauch von Magie, der äußere Schein lichtet sich ein wenig und gewährt Einblick auf etwas größeres, das dahinter versteckt lag. War Prue anfangs nur ein „Außenweltmädchen“, das in den Wald kam, um ihren Bruder zu retten, erfährt sie plötzlich, dass die Geschichte viel größere Kreise zieht, bis weit in die Vergangenheit vor ihrer Geburt, und bis hin zu ihren Eltern. Auch Curtis bekommt mehr und mehr das Gefühl, kein dummer Junge aus St. Johns zu sein, sondern irgendwie nach Wildwald zu gehören. Plötzlich fällt alles langsam an seinen Platz und die Welt, die Meloy zeichnet, wird noch etwas zauberhafter und lehnt sich mehr an klassische Märchen und alte Naturreligionen an. Erst ganz am Ende, in der großen Schlacht um Wildwald (die zugegebenermaßen besonders mit dem Eingreifen der Vögel verdächtig an „Der Herr der Ringe“ erinnert) wird endgültig klar, wer auf wessen Seite steht, und wie tapfer die Bewohner des Waldes ihre Kräfte sammeln, um ihre Heimat zu beschützen.
Die Charaktere Prue und Curtis erfahren eine wirklich interessante Entwicklung, die mir so noch nie in einem Fantasy-Roman untergekommen ist. Normalerweise lernt man anfangs den großen Helden kennen, der auch meist der große Held bleibt. Zu Beginn von „Wildwood“ wirkt Prue wie ein fest entschlossenes, tapferes Mädchen, das alles geben würde, um ihren Bruder zurückzuholen. Curtis scheint der lästige kleine Kriecher zu sein, der dem coolen Mädchen nachläuft, um sich ein wenig in ihrem Mut zu sonnen. Es beginnt allerdings eine zunehmend gegensätzliche Entwicklung: Prue wird mehr und mehr müde und ausgelaugt, hat allzu oft den Gedanken, aufzugeben, und knickt schließlich tatsächlich ein, als Alexandra ihr verspricht, ihren Bruder zu finden und zurückzubringen. Zwar kehrt sie in einem zweiten Anflug von Mut und vor allem Zorn zurück und kämpft tapfer weiter, doch diese kleine Schwäche bleibt im Gedächtnis des Lesers. Curtis hingegen mausert sich, manchmal eher zufällig, zum heimlichen Helden, vertritt nach anfänglichen Unsicherheiten zunehmend klarere Standpunkte und kämpft dafür, was er für richtig hält. Natürlich hat auch er als 12jähriger Junge Momente der Schwäche, gibt ihnen jedoch nie nach. Er verwandelt sich vom nervigen Nebencharakter in einen wirklich liebenswerten Kerl, der trotz seiner Ängste tapfer an vorderster Front um den Wald kämpft.

„Wildwood“ ist eine wirklich lohnende Lektüre, und man sollte sich nicht davon abschrecken lassen, dass es anfangs teilweise etwas wie eine wenig tiefreichende Gutenacht-Geschichte wirkt. Die Erzählung nimmt immer mehr Fahrt auf und Meloy versteht es prächtig, den Leser mitzureißen. An der durchdachten Entwicklung seiner Charaktere kann sich so mancher moderner Fantasy-Newcomer ein Beispiel nehmen. Er schafft es, aus einem beinahe banalen Märchen eine fesselnde und komplexe Geschichte zu bauen, ohne dabei diesen wundervollen kindlichen Charme zu verlieren.
Ich würde mich freuen, wenn es von Colin Meloy – eigentlich Musiker in einer Band aus Oregon – bald neuen Lesestoff gäbe, sein Talent liegt offenkundig nicht nur darin, seine Klampfe zu zupfen und selbstgeschriebene Texte zu schmettern.

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Colin Meloy – Wildwood
Heyne fliegt, Gebunden, 2011
591 Seiten
19,99€

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