Beiträge

In der Eiswüste der Seele

Ehe- und Geschlechterkriege auf offener Bühne sind nichts Neues im Theater – ein Urvater des Genres dürfte August Strindberg sein, in jüngerer Zeit feierten damit Autoren wie der Schwede Lars Norén und natürlich Yasmina Reza mit ihrem Gott des Gemetzels Erfolge, letztere insbesondere auch im Kino. Zum Spielzeitauftakt im Münchner Residenztheater steht nun Edward Albees 1962 entstandener Klassiker der Moderne Wer hat Angst vor Virginia Woolf? in der Inszenierung von Intendant Martin Kušej auf dem Programm, ein schonungsloser Seelenstriptease, der nicht zuletzt auch durch die geniale und oscarprämierte Verfilmung mit Elizabeth Taylor und Richard Burton Berühmtheit erlangte.

George und Martha sind ein in inniger Hassliebe verbundenes Ehepaar, er 46, sie 52, er Geschichtsdozent an einem mittelmäßigen amerikanischen College, sie die Tochter des Collegepräsidenten, die keinen Hehl daraus macht, dass sie ihren Gatten für einen Komplettversager hält, weil er irgendwann in der Mitte der Karriereleiter stehengeblieben ist. Ebenso kennt aber auch George die wunden Punkte und Verletzlichkeiten Marthas, und so zelebrieren beide ihre Rituale gegenseitiger seelischer Nadelstiche, ohne sich aber voneinander lösen zu können. Weiterlesen