Sonntag, 24.05.15

torshammare

dupontDupont (Altes Stadtbad): Weil es im Stadtbad so schön war, geht es hier am Sonntag gleich weiter. Wieder rufen Schweden, diesmal Dupont (die andere Band von Covenant-Mitglied Daniel Jonasson) mit eingängigem Synthie-Elektro. Aber Moment mal – wieso stehen da auf einmal drei anstatt zwei Männer auf der Bühne? Wohin ist der melodiöse Sound von früher verschwunden? Plötzlich bricht ein EBM-Gewitter mit extrem verzerrten Vocals und einem wild über die Bühne springenden Frontmann über das Publikum herein, das vom ersten Takt bis in die letzten Reihen das Tanzbein schwingt. Ich bin noch etwas schockstarr, aber nach ein paar Liedern habe ich mich eingegroovt, und das Ganze macht richtig Spaß. Wenn ich es richtig verstanden habe, spielt die Band mit ihrem ursprünglichen Sänger Johan vom ersten Album, dessen Sound sich von den späteren – mir bekannten – Sachen unterscheidet. Also wieder was gelernt, letztendlich auch Spaß gehabt und getanzt – wenn nur das lästige Stroboskop nicht gewesen wäre, das mir jetzt schon zum wiederholten Mal im Stadtbad auffällt. Muss man das Publikum bei jeder Band zu Tode blitzdingsen?

keluarKeluar (Kuppelhalle): Ein kurzer Abstecher in die schöne Kuppelhalle zu dem Duo Keluar, das aus den hochinteressanten Projekten Linea Aspera und Schwefelgelb hervorgegangen ist (wobei letztere noch existieren). Die Kollaboration von Zoè Zanias und Sid Lamar kann die (früheren) Hauptbands nicht verleugnen, erschafft aber dennoch eine ganze eigene musikalische Welt. Die tiefe, eindringliche Stimme von Zoè sowie die hörenswerten Texte in Kombination mit dem brillanten elektronischen Unterbau von Sid sind ein echter Ohren- und Augenschmaus. Minimal-Synth mit großen Sounds, eine hervorragende Lightshow und gezielte Drum-Akzente von Zoè machen den Auftritt von Keluar (Indonesisch für „hinausgehen“, die gebürtige Australieren Zoè wuchs in Malaysia, Papua-Neuguinea und Indonesien auf) zu einem beeindruckenden Gesamterlebnis.

Orphx (Altes Landratsamt): Elektronisch geht es weiter, wenn auch instrumental, um einiges lauter und sehr viel techno-lastiger. Das kanadische Duo Orphx, bestehend aus Rich Oddie und Christina Sealey, veröffentlicht seit zwanzig Jahren hochkarätige Techno-Powernoise-Experimentalelektronik-Alben von hohem Niveau, das live mühelos gehalten werden kann. Der auf den ersten Blick etwas eintönige Sound entwickelt schon nach kurzem Zuhören eine faszinierende Vielschichtigkeit. Um mich herum tanzen sich die Leute in Ekstase (ich auch, wenn auch wegen der Hitze im Alten Landratsamt etwas langsamer), und alle feiern eine große Techno-Messe (wobei Techno als Bezeichnung hier natürlich nicht ausreicht). Großartige elektronische Musik, toll gemachter Auftritt.

mono-no-awareMono no Aware (Altes Landratsamt): Als Nächstes kommt der Deutsche Leif Künzel aka Mono no Aware, ebenfalls vom Hands-Label. Ein hervorragender Soundtüftler, der vor allem für seine brachialen Konzerte berühmt-berüchtigt ist. Und ja, es wird laut, es wird lärmig, es wird richtig, richtig krass. Der Meister springt wie besessen hinter den Synthies hin und her, drückt auch schon mal mit einem Fuß auf einen Knopf, zieht sich langsam immer mehr aus, hat aber jede Sekunde alles im Griff. Hochgradig beeindruckender Lärm, ich liebe so etwas – doch nach einer Stunde muss ich das Landratsamt leider verlassen, die Luft ist zu schlecht, und tatsächlich ist diese Art Musik auch wirklich schwer verdaulich. Das muss erst mal sacken.

Klutæ (Altes Stadtbad): Nach einem kurzen Fußmarsch zum Alten Stadtbad habe ich Mono no Aware verarbeitet und freue mich auf die putzigen Dänen von Klutæ, die ich in München beim DMF leider verpasst habe. Allerdings hat sich in meiner Erinnerung wohl ein Fehler eingeschlichen – ich hatte das Nebenprojekt zu Leæther Strip als EBM abgespeichert, tatsächlich ist es aber viel verzerrter und lauter. Nur Bumm-Bumm, darunter die kaum verständliche Stimme von Claus Larsen, kaum Songstrukturen erkennbar, Hauptsache Geballer. Da auch hier das Stroboskop wieder unangenehm auffällt, spielen mich die Dänen leider aus der Halle, überwältigene Müdigkeit zwingt mich auf ein Sofa im Vorraum, von wo ich mir den Auftritt fast bis zum Ende anhöre. Die Stimmung in der Halle ist allerdings tadellos, die meisten feiern Klutæ gnadenlos ab – ich kann’s in dem Moment nicht verstehen, aber vielleicht haben sie mich auch einfach nur auf dem falschen Fuß erwischt. Beim nächsten Mal lieber wieder Leæther Strip.

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Phoebe

Kleine Komödie

Um 18 Uhr steht in der Kleinen Komödie – ein MUST für mich jedes Jahr – La Cage aux Folles – Ein Käfig voller Narren auf dem Programm. Um 16.30 Uhr reihe ich mich in einem kleinen Grüppchen ein, das da schon wartet. Heimlich zählt jeder ab, okay, 50 sind wir noch nicht. Das WGT hat ein Kontingent von 50 Karten bekommen, nicht viel, letztes Jahr waren es 150 Karten. Man kommt schnell ins Gespräch. Einige Gesichter habe ich schon mehrmals anderswo gesehen. Alle ausnehmend nette Leute, kein Problem, hier allein zu sein. Es kommen zwei Kleinbusse vom Arbeiter-Samariter-Bund an, lauter alte Damen steigen mühsam aus. Wir unken leise und machen Spaß, was ist jetzt, wenn die plötzlich alle die grünen WGT-Bändchen am Handgelenk tragen? Dann ist es vorbei mit dem Traum von der Karte! Aber nein, Punkt 17 Uhr öffnet sich die Tür, an der „nur für WGT-Teilnehmer“ steht, und so ziemlich alle um mich rum bekommen noch eine Karte. Nun noch ein alkoholfreies Weißbier trinken, ein Gläschen Sekt für die Pause bestellen, und rein ins Vergnügen.

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Und das ist es wirklich! Ich meine, jeder kennt doch die Geschichte über die zwei Schwulen, die zusammen den Travestie-Club „La Cage aux Folles“ in Paris führen. Deren Sohn heiraten will (eine Frau!), und die nur ganz kurz Zeit haben, die Wohnung zu ent-schwulen und eine Frau als Maman brauchen für den gemeinsamen Abend mit dem jungen Paar und den Eltern des jungen Mädchens (wobei der Vater noch dazu ein rechter Politiker ist, der „diesem Gesindel bald den Garaus machen will“). Dass das alles nicht ganz so ausgeht wie errechnet, ist doch klar. Das Musical nach einem Theaterstück von 1973 (es gibt auch diesen ganz bekannten Film mit Michel Serrault von 1979) ist ein eindringliches Plädoyer für Toleranz und Liebe. Das Lied „I am what I am – Ich bin was ich bin“ treibt einem die Tränen in die Augen, auch wenn man zwei Minuten vorher ob der Situationskomik noch Tränen gelacht hat. Nett, die kleine Situation, als Albin den Satz mit „den schönen schwarzen Ballerinas, extra fürs WGT!“ spricht. Freude-Johlen aus dem Publikum. Ein höchst emotionaler, aber vergnüglicher Abend. Die alten Damen standen übrigens teilweise schneller auf zu den Standing Ovations als mancher schwarze Youngster!

Schauspielhaus

Unto Ashes habe ich empfohlen bekommen, bei Youtube getestet, für gut empfunden. Eine Sängerin, die Raum einnimmt, betritt mit ihren Musikern die Bühne. Sie ist bemüht, ihre Jungs zu verständlichen Äußerungen zu animieren.

unto-ashes

Ihre Stimme ist gut und klar, aber sorry, die beiden Musiker links und rechts von ihr sind stumm oder Nuschler, die jede Stimmung zerstören. Da hilft auch nicht, dass die Sängerin allerlei Klimbim wie Glöckchen an einem Strang zum Einsatz bringt. Es war ja lieb gemacht, meines Erachtens aber nichts für das Schlussprogramm am Abend im Schauspielhaus, in dem sonst immer hochkarätige Musik gespielt wird. Es waren einige Coversongs dabei, u.a. von Tori Amos, die man bis zur Unkenntlichkeit uminterpretierte. Im Nachhinein finde ich es auch höchst sonderbar, dass auf Wikipedia wie auch auf ihrer eigenen Homepage als Sängerin immer noch die charismatische Mariko genannt wird, die die Band längst in Richtung Qntal und Estampie verlassen hat. Fazit: Kein komplett vergeigter Aufritt, aber nicht das, was ich erwartet habe.

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prager.student

Altes Landratsamt

Black Lung: Begann als experimentelles Elektronik-Set, das immer tanzbarer wurde und in einem Hillbilly-Dance endete.

blacklung
Orphx: Geiler Rave! GuterTechno (Ein Wort) – so, wie das Ultraschall hätte sein sollen, aber nie war.

Moritzbastei

Gerechtigkeitsliga: ruhiger Ambient-Noise, ideal zum wieder runterkommen.
Sektion B: Noise-Set mit treibendem, infernalischem Lärm, leider ziemlich plumpe antiislamische und antiamerikanische Bühnen- und Videoshow.

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Last Dominion Lost: Krach! Dazu ein ägyptisches Göttergeburtsfruchtbarkeitsritual mit Tempeltänzerin. Nach Aussage einer Freundin klappte hier die Götterbeschwörung deutlich besser als bei Zeena Schreck. („Zumindest bei manchem Mann.“)

last-dominion

 

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Tius

Ash Code (Kuppelhalle): ganz bemüht, der beste Song war das The-Sound-Cover „I can´t escape myself“.

Schonwald (Kantine): düsterer Shoegaze aus Italien.

Keluar (Kuppelhalle): wär‘s instrumental gewesen, wär‘s um Längen besser gewesen. Minimal vom Feinsten, aber dieser nervige monotone Gesang in einer Lage, der noch dazu viel zu sehr nach vorn gemischt wurde, ging mir dermaßen auf die Nüsse, dass ich früher gehen musste.

Owls (Schauspielhaus): Nebenprojekt von Tony Wakeford u.a. Der kann zwar auch nicht singen, macht aber ganz gute Musik.
Ashram (Schauspielhaus): Schöne Musik mit Klavier und Violine, dazu gab‘s Ballett bzw. moderne Tanzeinlagen. Aha.
Unto Ashes (Schauspielhaus): Die Enttäuschung schlechthin. So dünn wie die letzten Alben waren, so dünn war auch dieses Konzert. Es sind nur insgesamt drei Musiker auf der Bühne, obwohl die Band durchaus mehr Bandmitglieder umfasst. Auch wird an Percussion und Keyboards gespart, so können nicht mal mächtige Klassiker wie „Hym to Pan“ oder „Witche´s Rune“ überzeugen. Zwar hat man mit Natalia Lincoln eine würdige Nachfolgerin für die zu Qntal / Estampie abgewanderte Mariko gefunden, aber das dünne Rumgeklampfe wär am Lagerfeuer im Heidnischen Dorf besser aufgehoben. Laaangweilig!

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