Montag, 25.05.15

torshammare

skalunaSkaluna (Heidnisches Dorf): Beim traditionellen Montagsabstecher ins – leider sehr volle – Heidnische Dorf höre ich mir etwa die Hälfte vom Auftritt der deutschen Formation Skaluna an, die durch gute Stimmen und gute Songauswahl („Selig“, „Vargtimmen“ oder auch was schönes Irisches) überzeugen kann. Die barockartigen Gewänder wollen allerdings so gar nicht zur mittelalterlich-folkigen Musik passen, aber irgendwas wird die Gruppe sich dabei schon gedacht haben. Als Hintergrundbeschallung absolut okay und zur HeiDo-Atmosphäre passend.

The Essence (Altes Landratsamt): Die erste richtige Band des Tages kommt nach den letzten Klängen von Spiral 69 (die ich auf dem DMF schon sah und die auch jetzt wieder gut waren) aus den Niederlanden, die mir bisher unbekannten The Essence. Das Trio spielt eine Mischung aus langsamen The Cure und etwas stadionrockigeren, teilweise an U2 erinnernden Sounds, was mir in der Gesamtheit etwas zu gleichförmig ist, vor allem der Gesang. Die Musiker machen überhaupt nichts falsch, sind sehr, sehr gut, und vieles gefällt mir auch an den Songs, aber richtig fesseln kann es mich leider nicht. Ich höre mir das meiste von draußen an, drinnen ist es sowieso zu voll.

Seasurfer (Altes Landratsamt): Die nachfolgenden Seasurfer aus Deutschland hatte ich vor dem WGT schon so halb auf dem Schirm, der etwas flottere Shoegaze mit weiblichem Gesang hat mich schon länger angesprochen, obwohl ich sonst kein Shoegaze-Fan bin. Nach den ersten etwas wackligen Liedern hat sich die Band hervorragend eingespielt, und ich wippe energisch mit dem Kopf, mir gefällt das richtig gut, wenn auch hier eine gewisse Gleichförmigkeit nicht zu leugnen ist.

The Exploding Boy (Altes Landratsamt): Das letzte absolute Highlight des WGTs für mich kommt – natürlich – aus Schweden, The Exploding Boy, für die ich eine weitere Muss-Band (parallel im Kohlrabizirkus spielen Skyforger aus Lettland, die ich eigentlich seit vielen Jahren schon mal live sehen will) sausen lasse. Der hochmelodische Düster-Indie-Rock der vier Schweden ist einfach zu suchterzeugend, um sich den Auftritt entgehen zu lassen. Sogar Szeneprominzen in Form von Ronny Moorings mit Frau und Kind hat sich eingefunden, Frank (the Baptist) spaziert auch mal an mir vorbei. Heute ist man sogar zu sechst auf der Bühne, mit Live-Drummer und Live-Bassist, was den Sound natürlich noch mal druckvoller und mitreißender macht. Die Band lässt ein wahres Hit-Feuerwerk vom Stapel, alle Lieblingslieder werden gespielt, und trotz Überfüllung bzw. Überhitzung der Halle gibt es bei vielen Leuten kein Halten mehr, überall wird wild getanzt und mitgesungen. Schlichtweg grandios und natürlich trotz Spielzeit von siebzig Minuten viel zu kurz.

Escape with Romeo (Altes Landratsamt): Als Absacker gibt es dann Escape with Romeo, die ich vor vielen Jahren mal im Clara-Zetkin-Park auf der Parkbühne spielen hörte, aber noch nie wirklich live sah. Das Ganze ist dann auch gut anzuschauen, auch wenn ich außer „Somebody“ wenige Songs kenne. Man merkt der Band die langjährige Bühnenerfahrung an, alle sind extrem entspannt und professionell, das Konzert ist ein schöner Abschluss des WGT 2015.

Fazit: Toll war’s wieder, viel zu schnell vergangen sind die vier Tage, die vollgepfropft mit schönen Konzerten waren, vielen lieben Bekannten, erfolgreichem Shopping, lustigen Erlebnissen und diesem überwältigenden Zuhause-Gefühl, das man irgendwie nur auf dem WGT hat. Bis zum nächsten Jahr! (Und dann hoffentlich auch wieder mit der Parkbühne.)

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Phoebe

oper-ballett

Für Ein Liebestraum, das Ballett, das um 15 Uhr in der Oper beginnt, stelle ich mich vorsichtshalber auch schon mal nach 13 Uhr an den Stufen zur Oper an. Und da steh ich nicht alleine: Das WGT hat ein Kontingent von 200 Karten bekommen, es wollen aber auch eine Menge Leute dieses Ballett sehen. Wieder nette Leute um mich rum, aber am Schluss des Anstehens, als die Tür für die WGT-Karten aufgeht um 14 Uhr, gibt es Gerangel und Gedränge von unten und von den Seiten. „Die Letzten werden die Ersten sein …“
Das Warten und Bangen hat sich gelohnt. Wer sich Ballett im Tutu vorgestellt hat, wäre umsonst angestanden. Es ist ein modernes Ballett in drei Teilen von Mario und Silvana Schröder mit Musik von Richard Wagner, Gustav Mahler und Magnus Lindberg. Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass mich dieses Ballett so fasziniert. Es war nicht nur die Musik, es waren nicht nur die Tänzer, nein, sie haben alle diese drei verschiedenen Arten von „Liebestraum“ perfekt umgesetzt. Dieses Suchen und Finden der Liebe, diese Kämpfe, die man manchmal ausstehen muss, diese Bürde, die man manchmal jemandem ist, dieser Halt, den man oft braucht und bekommt. Perfekt. Schön zu sehen, welche breiten Interessen dieses Schwarzvolk hat. Ich bin ja beim Anstehen mit den Leuten ins Gespräch gekommen: in der Heimatstadt in einer Tanzgruppe, hier in Leipzig auf dem Viktorianischen Picknick, auf der Fetisch-Party und am nächsten Tag Ballett. Einfach schön.

Altes Landratsamt

The Exploding Boy: Zu The Exploding Boy wurde mir geraten. Ich finde sie auch gut. Meine wahren Stars sind aber die nächste Band.

Escape with Romeo

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Das ist die Band, die ich seit fast 25 Jahren liebe, eigentlich aber nur zwei Lieder richtig kenne. „Sie liebt dich, sie liebt dich, sie liebt dich, sie liebt dich (nicht)“ – eindringlich gespielt. Dieser Song hat mir vor zwei Jahren live auf dem Amphi in Köln schon so gut gefallen. Und ja, klar, die Hymne schlechthin: „Somebody“. Mir imponiert wieder, dass sie sich nicht lange bitten lassen und ihren Gassenhauer unaufgefordert und vor der Zugabe spielen. Eine bei mir Gänsehaut erzeugende lange Version.

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 prager.student

Kuppelhalle/Kantine

Distel: Galakthorrö-artiger, eher ruhiger Angst-Pop, nicht schlecht.
Blackhouse: Der „Erfinder“ des Noise-Industrials, erstmalig auf der Bühne. Er hatte viel Spaß und erzeugte mit einfachsten Tastendrücken rhythmischen Lärm. Der Sound hätte aber noch lauter und voller sein können, es fehlte das Gefühl, vom Krach weggeblasen zu werden. Trotzdem sehr imposant.

blackhouse

Heidnisches Dorf

Mila Mar: wunderschöner WGT-Ausklang bei den himmlischen Klängen von Mila Mar – sehr schön, dass die vier nach über zehn Jahren wieder zusammengefunden haben und weitermachen.

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 Tius

Altes Landratsamt

Seasurfer: Shoegaze halt. Stört nicht weiter.
The Essence: sehr geil!
The Exploding Boy: Erstmaliger Auftritt mit einem Schlagzeuger! Das hat der Band noch zu einer richtig guten Liveband gefehlt.
Escape with Romeo: Sind mit einem neuen Album unterwegs.

Alles in allem ein recht gutes WGT. Aber was zum Teufel hat Bauernmusik wie Subway to Sally auf dem Göttertanz verloren? Das war ein echtes Ärgernis, da sah ich mich leider gezwungen zu gehen …

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 littlenightbird

Für mich war es „ein durchweg angenehmes WGT – ohne Höhen und Tiefen“, so hatte ich vorhin auf der Heimfahrt gesagt, aber ganz so stimmt es nicht. Es war schon nett. Und es war besser als erwartet, was zumindest das Wetter betraf.
In der ersten Nacht konnte ich allerdings in der Ferienwohnung wegen der Kälte nicht schlafen, aber ich hätte ja auch mal die Heizung aufdrehen können (im Mai!). Und es wurmt mich immer noch, dass ich im Nontox nicht in den Pool gehen konnte, aber dafür war es mir dann doch noch ein paar Grad zu kalt. Andersrum hatte es auch den Vorteil, dass mir bis auf Combichrist in keinem Konzert zu warm war. Aber ich will halt gerne nachts im ärmellosen Shirt draußen sein können und keine Jacke mitschleppen müssen, ohne mich zu verkühlen, und das geht unter 24 Grad nicht. Insofern danke ich fürs gute Wetter und bin froh, dass es nicht wie erwartet war.
Wobei der Regen am Montag fast mein signiertes Carl-McCoy-Poster nassgemacht hätte. Das hätte ich ihm nicht verziehen.

Gesehen habe ich Death in Rome – super – Sophia (dies eher gezwungenermaßen), Kirlian Camera (beim Intro hab ich gedacht, wenn das so bleibt, gehe ich wieder!), Fields of the Nephilim (CAAARL!!!), halb Moonspell (besser als ich gedacht hatte), Clan of Xymox (super), zwei oder drei Songs Noisuf-X (auch super, tanzbar) und Combichrist. Aber auch da hab ich anfangs gedacht, auf dem falschen Konzert zu sein … Ich mag es nicht, wenn sie so Metal machen oder gar mit Country anfangen, für mich müssen sie sich nach „This Shit will fuck you up“ anhören. Dies war im Großen und Ganzen auch das, was ich sehen wollte.

Aus gesundheitlichen und technischen (und ich meine, wirklich technischen, was meine Beleuchtung betraf) Gründen konnte ich der Cyberparty im Nontox nicht so lang beiwohnen wie im letzten Jahr, aber das war auch okay.
Ich fand, der Agra-Markt war eher letztes Jahr kleiner, da waren wirklich Lücken zwischen den Ständen und es fehlten auch ein paar Große. Aber dieses Jahr konnte ich mich einkaufstechnisch nicht beschweren (hab bekommen, was ich wollte) und fand, es waren wieder mehr Stände und vor allem auch ein paar neue da.
Ein Händler sagte mir, er würde sich ab nächstes Jahr wieder verkleinern, da sich die Standmiete für den großen Stand nicht rentiert und dieses Jahr ein paar tausend Besucher weniger da wären (woher nahm er diese Behauptung?).

Zu bedauern war für mich nur – wie oft schon erwähnt – die Abwesenheit von lieben Freunden, die nicht mehr aufs WGT fahren oder nicht konnten, und wenn halt der halbe Freundeskreis entweder schwanger ist, Kinder dabei hat, sonstige Befindlichkeiten oder einfach auch nur völlig verplant ist, muss man halt auf eigene Faust seinen Tagesplan durchziehen.
Wenn wir schon beim Tagesplan sind: Ich finde, der Zoo sollte ins offizielle Programm für Dienstag mit aufgenommen werden, und das Bändel sollte da auch noch gelten.

Alles in allem war es aber ein nettes WGT.

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 Dienstag, 26.05.2015

 

Phoebe

Ja, und hier war dann alles vorbei. Horden von Goten, die meisten schwarz, sind wieder zurück in den Alltag gefahren. Aber wir haben es dieses Jahr anders gemacht: Wir haben noch ein paar Tage drangehängt und das WGT in Leipzig richtig schön ausklingen lassen.

Zum Rahmenprogramm des WGT gehören der kostenlose Besuch im Grassi Museum und organisierte Südfriedhof-Führungen. Das haben wir während der Tage voll mit Musik und Musikverwandtem nicht geschafft. Warum auch im Pulk hingehen, wenn wir noch ein paar Tage Zeit haben?

 

Grassi Museum

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Beim Grassi Museum handelt es sich um einen schönen großen Gebäudekomplex, der das Museum für Völkerkunde zu Leipzig, das Museum für Angewandte Kunst und das Museum für Musikinstrumente der Universität Leipzig beheimatet, sowie ein schönes Café zum drinnen und draußen sitzen. Wir mussten uns entscheiden, da laut der freundlichen Dame an der Kasse alles zusammen ein/zwei Tage dauern würde. Uns hat es das Museum für Angewandte Kunst angetan. Hier wurde liebevoll und kompetent Kunst ausgestellt von der Antike bis zur Gegenwart. Einen großen Anteil der ständigen Ausstellung nimmt Asiatische Kunst sowie ein fantastischer Medienraum ein, der Freiheit zur Mitgestaltung bietet. Durch die ebenso sehenswerten Sonderausstellungen sind wir nur noch geeilt. Da man – zumindest ohne Blitz – Fotos machen durfte, habe ich dies auch ausgehend genutzt:

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Geht man übrigens vom Innenhof aus nicht Richtung Ausgang sondern in die andere Richtung, kommt man direkt in einen kleinen alten Park, der sich als der Alte Johannisfriedhof herausstellt, der älteste Friedhof Leipzigs, mit ausgewählten alten Gräbern. Auch dieser ist einen Besuch wert!

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Südfriedhof

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Der Südfriedhof ist der größte Friedhof Leipzigs und einer der größten und schönsten Parkfriedhöfe Deutschlands. Erbaut um 1900 finden hier immer noch Beerdigungen statt. Die Anlage ist riesengroß, das Krematorium ist ein imposanter Anblick. Was auf den ersten Blick am schönsten wirkt (wir hatten aber auch Glück von der Jahreszeit her): Der Friedhof wirkt nicht nur wie ein großer schöner grüner alter Park, sondern hat ein Meer von Rhododendronbüschen mit roten, blauen, roséfarbenen, lila Blüten dran, die auch noch herrlich riechen.

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Von den Gräbern waren viele eindrucksvoll, berührend, nachdenklich machend, andere machten einen traurig, wie manch kleine Kinder- und Säuglingsgräber.

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Auch hier am Ende des Besuchs ein kleines Schmankerl: Unmittelbar um die Ecke ist das imposante Völkerschlachtdenkmal. Unbedingt ansehen, wer noch nicht dort war.

Fazit: Das WGT ist einfach toll. Es ist fantastisch, was die Veranstalter alles auf die Beine stellen und möglich machen. Klagen gilt nicht: Jeder kann sich sein eigenes Programm zusammenstellen.
Leipzig ist eine witzige, interessante, tolerante Stadt. Ich freue mich schon sehr auf nächstes Jahr. Die Ferienwohnung ist bereits gebucht.

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