Mrs.Hyde: Am Montag zieht es uns zuerst zum Hauptbahnhof, wo eine kleine Steampunk-Ausstellung aufgebaut ist. Das Highlight aber ist eine Hommage-Ausstellung in der Buchhandlung Ludwig mit Bildern von Künstlern, die sich von H. R. Giger haben inspirieren lassen. Vor allem die Darstellung eines Obst- und Gemüsekorbs hat mich fasziniert. Nach mexikanischem Vorbild wurde auch ein Totenaltar für Giger errichtet.
Danach geht es für uns ins Täubchenthal, wo die kanadischen Horrorpunker Nim Vind einen soliden Gig spielen.
Anschließend fahren wir zum Landratsamt, wo es traditionell schon wieder zu schwül-warm ist. Doch davon lassen sich die beiden Musiker von Drab Majesty nicht stören, die den Auftritt mit Kapuzenumhang bzw. Ledermantel samt Kapuze und Sonnenbrillen bestreiten. Der Sound irgendwo zwischen Gothic und Psychedelic vermag das Publikum zu fesseln. Außerdem wird King Dude alias T.J. Cowgill überraschenderweise von der befreundeten Band auf die Bühne geholt, um einem Song seine Stimme zu verleihen. Ein toller Moment, der vom Publikum auch gebührend honoriert wird. Er wirkt zwar etwas zurückhaltend und schüchtern, aber es war ja eigentlich nicht seine Bühne.
Bei den folgenden deutlich von The Cure beeinflussten Klez.e ist es nur noch halb voll, wahrscheinlich treffen die deutschen Texte nicht jedermanns Geschmack. Dafür erinnert der Sänger von Aussehen und Gestik her tatsächlich an Robert Smith.
B-Movie haben wir schon einmal beim WGT gesehen, deswegen wird nun ein Zwischenstopp im Dönerladen beim Felsenkeller eingelegt. Wir sind hier nicht allein und finden uns zwischen Spikes wieder, weil im Felsenkeller ein Pagan (Black) Metal Abend läuft. Wieder im Täubchenthal laufen die letzten zwanzig Minuten von Creepshow, wir kommen also pünktlich zum Höhepunkt der Show. Die Hütte kocht, wie man so schön sagt. Vorne hat sich ein Pogokessel gebildet, und bis in die letzten Reihen reißen die Leute die Arme hoch und feiern die Band. Creepshow sind mittlerweile perfekt eingespielt und reißen alle mit ihrer Energie mit. Leider ist eine Grippe im Anflug, daher verzichten wir wegen der bevorstehenden Heimfahrt auf eine letzte Aftershow-Party.
Es war wieder einmal schön auf dem WGT. Tausende Gothen weltweit können nicht irren.
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littlenightbird: Zum Glück gibt es am Montag keine kilometerlange Einlassschlange am Heidnischen Dorf. Aber der Wetterumschwung zum Nasskalten ist nicht stiefelfreundlich. (Warum habe ich eigentlich vor dem WGT extra alle Boots auf Hochglanz geputzt? Nach meinem Besuch dort sehe ich aus, als wär ich in Wacken gewesen). Aber er beschert mir ein relativ leeres Folk-Noir-Konzert.
Dann sehe ich mir noch Funker Vogt an. Die sind zwar eine willkommene Abwechslung, nachdem ich sie gefühlt seit meinen Szene-Anfängen nicht mehr gesehen habe, aber sie waren auch wie immer bzw. wie erwartet. Da passiert eigentlich nichts auf der Bühne, außer dass da immer wieder vermummte, bullige Gestalten in Tarnhosen auf- und abtreten, deren Funktion offenbar eine rein dekorative ist (da kann ich mir die Ironie nicht verkneifen). Die erste Viertelstunde bekomme ich nicht mit wegen Folk Noir, die letzten zwei Songs stehe ich leider in der Kloschlange an.
Abseits des WGTs haben wir wieder einmal den Leipziger Zoo besucht und auch eine Greifvogelausstellung im Naturkundemuseum.
Fazit: Das diesjährige WGT war nett, okay, ziemlich ruhig und angenehm. Dieses Jahr wieder mal gefühlt weniger Leute – außer am Viktorianischen Picknick, wo es allmählich wie am Marienplatz am Samstagmittag zugeht. Angeblich sind die (älteren) Leipziger sogar angehalten, sich historisch zu gewanden und auch mitzumachen (lt. einem Zeitungsbericht).
Natürlich schaffte ich wieder nicht, alle meine vier oder fünf Bands, die ich sehen wollte, und wie erwartet habe ich meine Party-Lieblinge Patenbrigade:Wolff wegen schlechten Wetters nicht im NonTox besucht (… und dann hinterher erfahren, es wäre doch ganz gut gewesen – ärgerlich im Nachhinein). Leider versäumte ich Eisfabrik wegen Shoppens (war aber wohl auch nicht so wild). So manche Unzuverlässigkeit von Verabredungen führten dazu, dass ich Veranstaltungen verpasste bzw. keinen Platz mehr bekam (ärgerlich).
Als einzigen Minuspunkt am WGT muss ich leider auch wieder „einen Stern Abzug“ erwähnen, und das ist wörtlich gemeint: Denn wie alle paar Jahre kommt unser Mercedes Benz in Leipzig leider wieder der Stern abhanden (ärgerlich, sehr ärgerlich! Das nehme ich persönlich! Zumal unser Auto wirklich nicht nach Bonzenkarre aussieht.)
Die Zeit war mal wieder viel zu kurz, um all das mitzunehmen, was ich geplant hatte, vor allem, wenn man auch noch ab und zu schlafen muss und eben nicht einfach nur in schwarzem Hemd und Hose rausgehen kann, sondern sich Mühe mit dem Outfit gibt.
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Phoebe:
Frühes Aufstehen wäre angebracht gewesen, wenn man um 15 Uhr an der Oper im Ballett sein will. Irgendwie habe ich es nicht geschafft, und so sind schon viele Leute vor mir da. Die Panik vereint einen, man kommt schnell ins Gespräch. Man zählt grob durch, man schätzt, man beruhigt sich, man fantasiert von Nummernausgabe wie auf dem Amt, man hadert. Was tut man, wenn genau vor einem das Kontingent an Karten aus ist? Das habe ich dann zusammen mit einigen anderen schnell gesehen: Tatsächlich sind die Karten ausgegeben, bevor ich dran bin, aber ich kaufe mir wie fast alle anderen einfach noch eine Karte – zum Preis von 18 Euro. Es hat sich gelohnt. Es handelt sich um einen zweiteiligen Ballettabend von Mario Schröder, Carmina Burana (Carl Orff) und A Dharma at Big Sur (John Addams). Vor allen Dingen Carmina Burana ist nach der Pause imposant, beeindruckend, ergreifend. An den Seiten links und rechts auf Balkonen der wuchtige Chor, ganz in Schwarz gekleidet, und ganz modern Videoinszenierungen im Bühnenhintergrund sowie eine moderne Choreografie zur altbekannten, aber immer wieder wundervollen Musik von Carl Orff. Fantastisch! Das hätte ich in Wiederholungsschleife sehen können.
Nach einer kleinen Atem- und Esspause gegenüber vom Schauspielhaus komme ich noch rechtzeitig zu Theodor Bastard. Die russische Band kannte ich noch gar nicht, wurde mir empfohlen, und ich bereue es keine Sekunde. Wikipedia sagt, es ist eine russische Band, „die in erster Linie in der Weltmusik, dem Neofolk, Dark Wave und Trip Hop verankert ist.“ Ich für mich werde sie abspeichern als die Band, die geschlossen barfuß auftritt, entweder ganz lange oder gar keine Haare hat und unheimlich temperamentvoll ist. Toller, kräftiger Sound im Stil von Dead can Dance oder Irfan, arabisch-orientalisch angehaucht. Sie gefallen mir gut!
Das war’s leider schon mit dem WGT für 2017. Kaum war man fünfmal beim Italiener, zehnmal Kaffeetrinken, hatte ein paar Kirschbier, war auf der einen oder anderen Party, auf ein paar lausigen Konzerten und kulturellen Veranstaltungen … schon ist es Montagnacht, und das kleine Goth-Aschenputtelchen muss sehen, dass es nach Hause kommt, ehe es mit ihrem Schuh auf der Treppe hängen bleibt … Huch! Andere Geschichte …
Mein WGT 2017 war schön!
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torshammare: Die übliche Wehmut am letzten WGT-Tag beginnt sich breitzumachen, wenn man schon einige arme Seelen mit ihrem Gepäck zum Hauptbahnhof eilen sieht. Nach einem Besuch in der sehr schönen Nolde-Ausstellung im Museum der bildenden Künste und lecker Mittagessen geht es daher rasch in die Kuppelhalle, um noch so viel Atmosphäre und Musik wie möglich mitzunehmen. Leider hat sich das Gebäude trotz mittlerweile moderater Außentemperaturen sehr aufgeheizt, und ich muss mir den großartigen Codex Empire im Sitzen anschauen. Das ist eigentlich eine Schande, denn auch jetzt gibt es wieder erstklassigen Dark-Techno-Powernoise zu hören, bei dem vom ersten Ton an jeder tanzt, der nicht wie ich ermattet auf die Stufen gesunken ist. Härter als Mlada Fronta, nicht ganz so wow wie Iszoloscope, aber auch nicht so eingängig wie Blac Kolor und Rendered – eine gute Ergänzung zum diesjährigen Tanzlärmspektrum also und eine echte Entdeckung.
Die nachfolgenden Da-Sein in der Kantine spare ich mir nach ein paar Minuten, zu dröge klingt der Dark Ambient, das geht definitiv besser. Außerdem schadet ein wenig Ausruhen vor den bald in der Halle aufspielenden Sylvgheist Maelstrom gar nicht, deren Set garantiert alle Aufmerksamkeit fordern wird. Genau das tritt auch ein, hier werden hochkomplexe Soundwelten erzeugt, weite Räume aus Klang erschaffen, alles andere als lieblich, sondern erdrückend und mitreißend, gleichzeitig aber auch leicht und zart – die Dynamik in dem Ganzen ist sensationell. Und laut ist es, sehr laut! Dennoch ein echtes Erlebnis, Sylvgheist Maelstrom muss man als Fan dieser Musikrichtung zwingend gesehen haben, nur daheim anhören reicht nicht.
Nach einer ausführlichen Ratschpause wappne ich mich gegen den ultimativen Angriff auf die Gehörgänge und das zentrale Nervensystem, denn die nachfolgenden Sutcliffe Jügend werden weh tun. Das muss bei den Industrialpionieren aber auch so sein, und dementsprechend verstörend und aggressiv wirkt auch das Lärmgewitter, gepaart mit dem leidenschaftlich ins Mikro gebrüllten Sprechgesang. Trotzdem hat das Ganze eine erstaunlich melancholische Note, sodass nicht nur ich mit geschlossenen Augen zuhöre und mich von der Geräuschdecke einhüllen lasse. Danach möchte ich kein weiteres Konzert hören, mit einer Freundin fahre ich zurück in die Innenstadt, wo wir mit einem gemeinsamen Freund noch was trinken und das WGT geruhsam und leise ausklingen lassen. Nette Anekdote am Rand: Die Bedienung des Cafés wollte uns schier nicht gehen lassen, weil wir Schwarzen ja alle so nett und entspannt seien, und wir sollen unbedingt nächstes Jahr wiederkommen, gern auch zwischendurch. Denn: Ganz schlimm seien ja die Besucher der letzten Kirchentage gewesen, völlig unentspannt und verkrampft, hätten sich zwei Stunden an ihrem Kräutertee festgehalten, aber wehe, dieser sei auch nur eine Minute zu spät gebracht worden. Wir haben die Dame natürlich beruhigt und versichert, dass wir auf jeden Fall wiederkommen wollen.
Mein Fazit: Musikalisch und menschlich war es wieder ein großartiges WGT, ich habe tolle Auftritte gesehen, viele Bekannte getroffen, neue Leute kennengelernt, mich wie immer in Leipzig wohlgefühlt und es genossen, einfach in Ruhe schwarz sein zu dürfen. Mir schien es insgesamt etwas leerer als im letzten Jahr, was in den Locations schön war, in der Innenstadt etwas schade. Auch hat das parallel stattfindende Stadtfest den sonst so wohligen „Leipzig trägt Schwarz“-Eindruck etwas verwässert, und nicht nur ich habe die Innenstadt weitestgehend gemieden. Aber man macht sich sein persönliches WGT ja immer selbst, und da kann ich mich wirklich nicht beschweren. Im Gegenteil – der Blues nach dem Festival ist so schlimm wie lange nicht mehr. Wie gut, dass es kein ganzes Jahr mehr bis zum WGT 2018 ist!
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prager.student: Montag schauen wir noch zur Greifvogelausstellung im Naturkundemuseum und danach auf die agra. Leider vermasselt ein Regenguss den Plan, gemütlich draußen etwas zu essen. Beinahe hätte er auch die Konzerte im Heidnischen Dorf ruiniert, doch zum Glück hört es rechtzeitig auf zu regnen, und wir können uns das Faun-Nebenprojekt Folk Noir im Trockenen anschauen. Die anderen zieht es danach zu Funker Vogt, ich bleibe im Heidnischen Dorf um mir das Nordic-Ambient-Projekt Forndom anzuhören. Ein mittelalterliches Streichinstrument unterlegt mit mystisch-ruhigen Ambient-Klängen und einem schwebend düsteren, an Wardruna erinnernden Gesang entführen einen in nordische Wälder und Fjorde. Ein sehr schönes Konzert.
Zum Abschluss ziehen wir noch in die Moritzbastei und lassen dort das WGT ausklingen.
Es folgt der obligatorische Zoobesuch und die Heimfahrt.
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Yggdrasil: Der letzte Tag des WGT 2017 ist angebrochen. Schon in der Früh macht sich bei mir ein wenig Melancholie bemerkbar, aber ich werde den Tag nutzen. Das Wetter ist nicht das Beste, aber das ist mir herzlich egal. Ich will schwarz, Patschouli, Gewandungen und einfach nur Ausgelassenheit. Wie meistens beginnt mein Tag an der Moritzbastei, von wo aus ich meine Unternehmungen und Konzerte koordiniere. Meine Begleitung stellt sich für das Ballett an. (Ich war erstaunt, wie viele Metaller in der Reihe stehen). Bei einem Kaffee an einem schattigen Eck und in Begleitung schöner, mittelalterlicher Musik studiere ich die WGT-App.
Mein Augenmerk fällt zum wiederholten Mal auf das Schauspielhaus, wo am Nachmittag Annwn auftreten. Das restliche Programm besteht aus Le Fragments de la Nuit, Theodor Bastard aus Russland und den göttlichen Corde Oblique aus meiner Heimatstadt Neapel. Gegen 16:30 Uhr mache ich mich auf den Weg ins Schauspielhaus. Das Publikum hält sich in Grenzen, was sich bis zum Beginn des Konzertes nicht ändert. Von der vierten Reihe aus verfolge ich Annwn auf der Bühne. Ich gestehe meine Enttäuschung, was diese Band betrifft. Die Show ist mir zu schwer, ja fast schon wagneresk. Ihrer Mischung aus Mittelalter, Folk und portugiesischem Fado kann ich nichts abgewinnen. Die Musik zog mich runter! Nachdem das Konzert beendet ist, treffe ich mich mit meinem Engel in einem Café gegenüber dem Schauspielhaus.
Nach einer kurzen Stärkung gehen wir zusammen zu Theodor Bastard. Gleich vorweg, das war ein Hammerkonzert! Eine wilde Mischung aus This Morn Omina in ihren Tribalmomenten, Dead Can Dance und World Music, sehr schön inszeniert und bombastisch dargeboten. Neben Hexperos das wohl beste Konzert, das ich auf dem diesjährigen WGT gesehen habe. Spätestens nach dem Auftritt ist die Melancholie über das baldige Ende des WGTs voll präsent. Mein Schatz und ich fahren nochmal zum Lieblingsitaliener Valentino, wo wir den Abend ausklingen lassen.
Fazit: Wie üblich habe ich nicht allzu viel vorbereitet im Vorfeld des WGTs. Dieses Jahr habe ich mich mehr treiben lassen von den Veranstaltungen an der Moritzbastei und einigen Touren durch die Innenstadt. Gelegentlich verlaufe ich mich, sodass ich neue Ecken von Leipzig kennengelernt habe. Von den Acts her würde ich fast sagen: Besser kann man das Festival nicht organisieren. Es haben alle Bands mit Rang und Namen gespielt. Mein Plan ging auf: Bands sehen, von denen ich wusste, dass sie nie in München auftreten würden. Es hat einfach Spaß gemacht! Vier Tage ohne Sorgen und ohne Verpflichtungen. Nächstes Jahr bin ich wieder dabei!
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Tius: Les fragments de la Nuit sind ein klassisches Ensemble aus Frankreich und haben ihre Sache gut gemacht.
Theodor Bastard sind zum dritten Mal nach 2011 und 2014 im Schauspielhaus. Diese außergewöhnliche Formation aus St. Petersburg gehört seit langem zu den Besten aus dem Segment der düsteren Weltmusik. Es wird viel Percussion aufgefahren, und es kommen nicht ganz alltägliche Instrumente wie zum Beispiel die Kaval und Santur zum Einsatz. Die Songauswahl zieht sich über ihre gesamte Schaffensphase, von der Frühphase sind Songs wie „Alteya“ und „Sueta“ zu hören, der Schwerpunkt liegt aber auf den letzten Alben. „Salameika“, „Kukushka“ und „Aion“ vom aktuellen regulärem Album Vetvi, „Oikomene“, „Farias“ und „Takaya Mija“, „Intifadah“ und das zum Schluss vorgetragene Shiva in Exile-Cover „Anubis“ vom vorletztem Album Oikomene. Schade ist die Ausleuchtung, Sängerin Yana Veva steht fast nur im Dunklen. Sonst große Klasse!
Corde Oblique danach fand ich sterbenslangweilig und bin nach zwei Songs gegangen.
Fazit: Die Konzerte waren eigentlich alle super, keine gravierenden Soundprobleme, die es in den letzten Jahren gab. Bei manchen Konzertzusammenstellungen wie z.B. Doom Metal im Schauspielhaus muss man sich aber schon fragen …
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