Mrs. Hyde
Heute ist der Tag mit den meisten gefürchteten Bandüberschneidungen, und nur drei Stunden Schlaf im Nacken sind ohnehin nicht optimal. Kaum sitzen wir im Auto, meldet sich der Vermieter, wir können so lange bleiben, wie wir wollen. Tja, Shit happens. Dafür nächstes Jahr wiederkommen. Am Parkschlösschen legen wir uns erst noch einmal hin und holen den fehlenden Schlaf nach, was zum Glück gut funktioniert. Schlussendlich geht es für uns wieder ins Täubchenthal, wo Lucifer Star Machine den ersten Auftritt des Abends haben.Sie sind sehr ambitioniert und geben mit ihrem Punkrock Vollgas. Damit wecken sie auch das festivalmüde Publikum, und die Stimmung ist richtig gut. Der Höhepunkt ist schließlich der vermutlich erste New-Wave-Gothic-Circle-Pit der Welt, der vom Sänger Tor Abyss ausgerufen wird. Dabei muss ich zugeben, dass ich die etwas langsameren Songs eigentlich als die stärkeren Momente der Jungs empfinde. Zum Abschluss liefert die Misfits-Coverversion von “Last caress” den perfekten Mitsing-Moment. Es ist schade um die nachfolgenden Bands, vor allem Long Tall Texans, die wir lange nicht gesehen haben. Aber es nützt nichts: The Exploding Boy rufen uns ins Haus Leipzig. Wir bekommen sogar einen Parkplatz gleich an der Ecke, und so können wir auch noch die Future Nobodies erleben. Die Show ist gut, aber ich bin doch leicht aufgeregt und gehe zwischendurch nach draußen, wo ich Johan Sjöblom am Merchandise-Stand entdecke. Also begrüße ich ihn erst einmal, da wir ja gerade erst ein Interview (LINK) zusammen hatten. Er freut sich auf den Auftritt und muss sich nebenbei noch die Fingernägel schwarz lackieren. So normal und sympathisch. Das neue T-Shirt nehme ich natürlich auch noch mit. Schließlich betreten The Exploding Boy die Bühne, worauf ich wirklich lange gewartet habe. Den letzten WGT-Auftritt hatte ich wegen Bandüberschneidungen leider verpasst. Sofort bekomme ich dieses spezielle XBOY-Gefühl, dass sich mit ihrem Sound stets ausbreitet, diese seltsame Mischung aus Melancholie, Trauer und Glücksgefühlen. Gitarrist Lars Andersson und Bassist Matthias Svensson bilden eine tolle Einheit, wobei vor allem das Bassspiel bei mir Gänsehaut auslöst.
Das gilt auch für den Gesang von Johan Sjöblom und Stefan Axell, wobei der heute Stimmprobleme hat und etwas kurzatmig ist. Aber das ist eben auch authentisch, und wir können deutlich spüren, wie Stefan sich anstrengt, um trotz allem das Maximum herauszuholen. Mit der Unterstützung von Johan hält er die Show auch durch. Leider ist Drummer Richard Ankers heute nicht dabei, aber ich mag auch das “more 80s feel” mit den Drums vom Band, das dadurch entsteht. Für einen kleinen Plausch mit der Band bleibt leider keine Zeit, denn ich befürchte, sonst nicht mehr in die Agra-Halle reinzukommen. Wir haben aber Glück und betreten die bereits randvolle Halle in dem Moment, als Camouflage gerade den ersten Song beginnen. Da dafür später keine Zeit mehr bleibt, müssen wir uns leider erst einmal in der Kloschlange des Todes anstellen. Schließlich ist auch das geschafft, und so sind wir rechtzeitig für die zweite Show, in der Camouflage auch ihre großen 80er Hits wie “The great commandment” und “Stranger thoughts” herausholen und richtig Stimmung verbreiten.
Der Sound, der ganz hinten echt miserabel ist, ist weiter vorn mittig zum Glück wieder passabel, wo wir uns im Schatten der Säule vorschleichen können. “Love is a shield” ist der finale Höhepunkt, das viele in der Halle mitsingen. Im Anschluss dränge ich mich endgültig nach vorn, als sich doch einige Leute von der Bühne wegbewegen. Nun heißt es erst einmal warten, denn ein wenig muss die Bühne noch umgebaut werden. Schließlich ist es soweit, und New Model Army betreten die Bühne. Ohne viel Federlesen starten sie ihr Set mit “White light”, das die Nahtoderfahrung von Sänger Justin Sullivan thematisiert. Das ist ja auch irgendwie passend für das WGT. Sofort habe ich Gänsehaut. Überhaupt spielen sie ihre Songs heute irgendwie anders, sie wirken auf mich viel mehr “dark and gothic” als ich es sonst gewohnt bin. Auch die Songauswahl passt sehr gut dazu, nur dass es heute keine Greatest-Hits-Setlist für die Massen ist. Vielmehr spielen New Model Army ganz bewusst ein Dankeschön für die Hardcore-Fans, die sich das teure Festival-Ticket geleistet haben, nur um heute dabei sein zu können. Und das sind nicht wenige um mich herum. Ich sehe viele NMA-Shirts und auch einige bekannte Gesichter von diversen Konzerten, allerdings sind wir in der Menge zu verteilt, um hier einen Pit starten zu können. Das ist das normale WGT-Publikum auch nicht gewöhnt, und als ein Fan beginnt, sich etwas grobmotorischer zu bewegen und ein paar Leute anrempelt, kommt es deswegen fast zu einer Schlägerei.
Das ist heute eben anders als bei einer Clubshow. Dafür ist Shir-Ran Yinon heute an der Geige dabei, die Justin folgendermaßen vorstellt: “She travelled the world to be here with us tonight – all the way from Leipzig!” Erst am Ende kommt mit “Here comes the war” der erste allgemein bekannte Song, und das Doppelpack von “Vagabonds” und “Purity” lässt die Agra beben, zumal mit der einmaligen Geigenbegleitung. “Wonderful way to go” ist der traditionelle Abschied, und leider gibt es keine Zugabe, sondern der Bühnenabbau wird sofort begonnen. Zeit zum Luftholen und sich zu sammeln. Was für ein Auftritt heute, nicht nur der Sound ist sensationell, auch die Band spielt einfach großartig. Mehrfach habe ich Tränen verdrückt, but who cares. I’m a sad old goth. Wir verabschieden uns von den anwesenden Freunden und machen uns direkt auf den Heimweg, denn meine bessere Hälfte muss blöderweise wegen krankem Kollegen bereits um 8 Uhr am nächsten Tag in der Arbeit sein. Dafür verläuft die Fahrt in der Nacht glatt und ohne Zwischenfälle.
Das war nach den Post-Covid-WGTs, die alle spaßig und wirklich nicht schlecht waren, aber irgendwie immer “wie letztes Jahr” ohne große Überraschungen, wieder ein richtiges Highlight-WGT. Ich wurde wieder daran erinnert, warum ich zum 26. Mal in Leipzig dabei gewesen bin.
Setlist New Model Army:
White light / Echo November / First summer after / Winter / Devil’s bargain / Never arriving / Do you really want to go there? / Idumea / Before I get old / Angry planet / See you in hell / Here comes the war / Vagabonds / Purity / Wonderful way to go
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Ankalætha
Der Montag beginnt nochmal im Pascucchi, diesmal aber erst zum Mittagessen – Frühstück wäre uns zu früh gewesen. Danach fahren wir ins Haus Leipzig, treffen unsere Mitbewohnerin schon auf dem Weg von der Tram zum Eingang und am Merch dann Bekannte aus Schweden. Die erste Band heute sind A Cloud of Ravens aus den USA, die wirklich netten Postpunk spielen. Danach würden wir eigentlich gerne dableiben, weil nach Future Nobodies ja auch noch The Exploding Boy hier spielen, aber das leider gleichzeitig mit Henric de la Cour in der Moritzbastei. Die Mitbewohnerin hat sich für XBoy entschieden, ich und der Mann für Henric, und wir fahren zurück ins Stadtzentrum. Wir sind früh genug, dass uns die Schlange am Einlass wirklich überrascht, bis wir verstehen, dass die Tonne noch gar nicht offen hat. Also nochmal schnell aufs Klo, und dann bloß nicht zu viel trinken, weil schon kurz nachdem die erste Band, Deus Ex Lumina, angefangen hat, ziemlich klar ist, dass man, wenn man einmal raus muss, vermutlich nicht wieder reinkommen wird.
Ich richte mich also mental schon mal darauf ein, eher wenig bis gar nichts zu sehen und eventuell auch früher zu gehen, falls es mir zu voll wird, aber dann klappt der “beim letzten Song der vorherigen Band in den Durchgang gehen und dann, wenn ein Teil des Publikums raus geht, nach vorne durchschlängeln”-Trick doch wieder ganz gut, und wir stehen gar nicht mal so weit von der Bühne weg, nahe genug am Rand, um nicht den vollen Druck von hinten abzukriegen. Und der Druck kommt, nicht zuletzt durch etliche mehr oder weniger professionelle Fotografen auf der verzweifelten Suche nach dem – nicht vorhandenen – Fotograben, die dann direkt neben, hinter oder auch mal vor uns aufgeben und stehen bleiben, obwohl da wirklich auch kein Platz mehr ist. Aber alles Ungemach ist schnell vergessen, als Henric de la Cour mit Band auf die Bühne kommt und alle Anwesenden vom ersten bis zum letzten Ton in seinen Bann zieht. Feiern, mitsingen, sogar ein ganz klein bisschen tanzen, wenn man grade mal zehn Zentimeter Platz hat, und fast alle Lieblingslieder, von “Arkham supermarket” bis zu “Dead Hank” vom neuen Album kommen auch. Auf der Euphorie schwimme ich dann auch noch durch die neuerliche Gedrängel-Phase in der nächsten Umbaupause und halte bei Black Nail Cabaret auch noch durch, obwohl sich die Überfüllung jetzt, soweit das überhaupt möglich ist, nochmal steigert. Man munkelt, die Schlange vor der MB hätte bis zum Gewandhaus gestanden – was vermutlich dafürspricht, dass man gerade Black Nail Cabaret vielleicht doch in einer etwas größeren Location hätte spielen lassen sollen … Aber andererseits ist das hier natürlich auch absolut perfekt,
das alte Gewölbe, die intime Atmosphäre, das euphorische Publikum, und dazu die umwerfende Ausstrahlung von Emese Árvai-Illés, die teilweise auch auf die kurze Entfernung zur Bühne wirklich ziemlich unheimlich rüberkommt und einem nicht nur mit ihrer tollen Stimme diverse kalte Schauer über den verschwitzten Rücken jagt. Absolut beindruckend! Nur leider halt mal wieder gefühlt viel zu kurz. Die letzte Band des Abends, Stahlnetz, lassen wir dann wirklich bleiben und gehen lieber nochmal in den Oberkeller was trinken. Später finden wir die Mitbewohnerin und – nach und nach – diverse Freunde an einem Tisch nahe dem Tonneneingang und lassen den Abend dort gemütlich ausklingen. Etwas wehmütig – dieses WGT war mal wieder viel zu schnell rum. Aber zum Glück kommen ja noch ein paar Festivals die nächsten Wochen.
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Yggdrasil
Ich gestehe gleich nach dem Erwachen in der Früh, direkt ein wenig den Blues gehabt zu haben. Zu sehr habe ich mich fallen lassen in das Treiben während des WGTs in Leipzig. Traditionell war der Montag bei mir spärlich mit Veranstaltungen bestückt. Recht spät für meine Verhältnisse fuhr ich Richtung Moritzbastei, um noch ein wenig die Atmosphäre einzusaugen. Dort angekommen stellte ich fest, dass aufgrund des sehr wechselhaften Wetter recht wenig los war, und ich beschloss mal wieder mit der Bahn zur Agra zu fahren. Odin sei Dank hatte ich den Entschluss gefasst. Es war irgendwie eine einzige Party auf dem Agra-Gelände. Kein Trübsal bei niemanden, und alle haben gefeiert, als ob es keinen Morgen mehr gäbe. Da lagen Leute in der Wiese auf Decken und sonnten sich. Die Bänke vor den Ständen waren voll bis zum letzten Platz, und so holte ich mir direkt ein Bierchen und setzte mich mitten in die Menge. Meine Mission an diesem Tage war es, meine bessere Hälfte nach der Ballett-Veranstaltung am Augustusplatz abzuholen. Ein letztes Mal Augustusplatz! Anschließend gingen wir im Barfußgässchen etwas essen und ließen das WGT langsam ausklingen.
Es war wirklich ein tolles WGT, auch wenn manche Band nicht so glücklich gewählt war. Die Stimmung war locker wie gefühlt lange nicht mehr, und das Schönste in meinen Augen war das Alter der Besucher. Auch Familien mit Kindern waren einige da, was ich auch sehr schön fand. WGT 2026 kann kommen!
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Torshammare
Nach ein klein wenig mehr Schlaf als in den letzten Nächten beginnt der Montag sogar halbwegs fit, ich fahre noch mal zur Agra raus, schlendere in Ruhe über den Markt, shoppe noch ein wenig, quatsche eine letzte Runde bei meinen Freund*innen und fahre dann wieder in die Stadt zurück. Normalerweise bin ich am Montag immer in der Kuppelhalle, um mir experimentellen Ambient oder Industrial (oder was sonst so an experimenteller Musik geboten wird) anzusehen, dieses Jahr verschlägt es mich aber ins Haus Leipzig, da The Exploding Boy eine der absoluten Muss-Bands dieses Jahr sind (und sich mit Henric de la Cour überschneiden, well done again, program planning people of WGT, well done!). Vor Ort treffe ich die Mitbewohner*innen, am Merchstand ratschen wir kurz mit Johan von XBoy und gehen dann hinein zu A Cloud of Ravens. Das US-amerikanische Duo spielt angenehmen Wave Rock, der zuerst nicht ganz im Gehör bleibt, einige Songs („Requiem for a song“, „Cruel hands“) gefallen mir dann aber wirklich gut. Dann schiebe ich mich schon mal zu einer Freundin in die erste Reihe, damit wir für XBoy einen guten Platz haben, die nachfolgenden Future Nobodies, ebenfalls aus den USA, will ich aber auch unbedingt sehen. Beim Umbau sitzt ein future Bandmitglied auf der Bühne, ein etwa achtjähriges, sehr cooles Mädchen, das wie ein Profi die Aktivitäten verfolgt. Die Band – übrigens beim Augsburger Label Young & Cold Records unter Vertrag – freut sich nach Aussage von Bassist/Sänger Cesar Salceda-Olivares riesig, das erste Mal in Europa unterwegs zu sein und auf dem WGT spielen zu dürfen.
Der melancholische und gleichzeitig irgendwie fröhliche Indie-Pop/New Wave geht richtig gut in die Füße – nicht umsonst sagt die Band über sich „We make sad happy music to dance to“. Sängerin/Gitarristin Jessica Covarrubias und ihr Bruder Angel Covarrubias an Synth/Gitarre wirken etwas introvertierter, während Cesar strahlend über die Bühne springt. Zwischendurch präsentiert er stolz seine und Jessicas Tochter Ellie, die dem Publikum lässig zuwinkt und wieder nach hinten verschwindet. Ich freue mich besonders über „Somewhen“, das mir bei der WGT-Vorbereitung schon im Ohr geblieben ist, feiere die anderen Songs aber auch sehr ab. Future Nobodies sind eine richtig schöne Neuentdeckung, supersympathisch und hoffentlich nicht zum letzten Mal in Europa unterwegs.
Die Schweden von Exploding Boy hingegen sind alte Bekannte auf dem WGT, zum fünften Mal bereits dort (ich sehe sie zum vierten Mal auf dem WGT), nach 2022 auch wieder im Haus Leipzig. Natürlich wird der Auftritt ganz wunderbar, wenn auch zwischendurch leicht chaotisch (und dann reißt auch noch eine Saite an Les’ Gitarre), was das Ganze aber nur noch charmanter macht. Stefan übernimmt wie üblich wortgewandt den größten Teil der Ansagen, ein Hit folgt auf den anderen („London“, „Heart of glass“, „Street cliché“, „Dark city II“ und und und), es ist ein Fest aus melancholisch rockenden Perlen. Das Haus Leipzig tobt und feiert die Band völlig verdient ab. Tack så mycket, XBoy, das war toll! Danach quatsche ich erst noch mit Freund*innen und mit XBoy am Merch und fahre gemütlich zur Moritzbastei, nachdem mich schon Nachrichten von einer bis zum Gewandhaus reichenden Warteschlange für Henric de la Cour/Black Nail Cabaret erreichten (wer auch immer auf die Idee kam, die beiden Acts in die MB zu packen – keine gute Idee, echt nicht). Ich setze mich unten zu Freund*innen, wir hören uns die letzten Songs von BNC vor der Veranstaltungstonne an und lassen den letzten WGT-Abend dort ausklingen. Die Mitbewohner*innen und andere Freund*innen kommen hinzu, alle sind schon leicht wehmütig, weil es am nächsten Tag wieder nach Hause geht. Aber noch wird gefeiert, ich schaue noch zu den WGT Noise Floors und nehme ein bisschen Gewummer mit, bevor ich mit einem Freund zur Tram gehe und wir Richtung Südplatz fahren.
Ein paar Sachen waren dieses Jahr nicht ganz ideal – lange Schlangen vor den Venues, weniger Venues, seltsame Entscheidungen, welche Band wo spielt, auch der Sinn des Mini-Riesenrads auf dem Agra-Gelände hat sich mir nicht erschlossen -, vieles konnte ich aus Zeitmangel nicht machen (ich wäre zum Beispiel gern zum 8080s-Radio oder den Gothic Lectures gegangen, von vielen anderen Veranstaltungen und Partys des Rahmenprogramms ganz zu schweigen), aber es waren trotzdem wieder wunderbare Tage mit den besten Mitbewohner*innen in unserer WG, mit vielen lieben Menschen in Leipzig in der schwarzen Bubble. Die Rückkehr in den Alltag am Dienstag ist nicht schön, der WGT-Blues schlägt mit voller Wucht zu. Zum Glück ist die Wohnung für nächstes Jahr schon reserviert.
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Phoebe
Heute bin ich am letzten Tag nur noch kulturell unterwegs, ich will mich auch gar nicht mehr ins Moritzbastei- oder Agra-Getümmel werfen. Meine Melancholie muss vorbereitet werden! Mittags gehe ich ins Museum der bildenden Künste, kurz MdbK. Die Dauerausstellungen habe ich schon gesehen, kann man natürlich immer mal wieder durchschlendern. Überrascht haben mich die kleinen, einfachen Zeichnungen von Rosa Loy und Neo Rauch. Aber hauptsächlich interessierte mich die Installation „Under the canopy, 2025“ von Rosa Barba. Riesige, mundgeblasene Glasstücke in Baustahl hängen von oben von der Decke, so groß wie die gesamte MdbK-Terrasse. Beleuchtet von der Sonne erscheint es wie ein Raum im Raum. Beeindruckend, wenn man darunter steht. Danach eile ich zur Oper am Augustusplatz. Verabredet bin ich hier um 16 Uhr mit meiner Kultur-Freundin, wir wollen Karten für das Ballett „Die Mondprinzessin“ bekommen. Übervorsichtigerweise bin ich schon etwas früher dran, sie auch! Aber es steht schon eine Schlange vor den Stufen, und auch oben direkt vor dem Eingang steht schon eine kleine Meute. Ob sich das aufgeht mit den 150 Freikarten? Leider nein. Kurz vor uns ist das Kontingent zu Ende. Nach ein paar Momenten der Enttäuschung entschließen wir uns, Karten zu kaufen. Mit dem WGT-Bändchen bekommt man sie vergünstigt. Nur 14 Euro das Stück! Prima Plätze! Später erfahren wir von bunten Ballettbesucher*innen, dass ihre Karten neben uns 88 Euro gekostet haben. Kann man sich nun wirklich nicht beschweren! Die Grundlage für „Die Mondprinzessin“ ist ein japanisches Märchen. Ein kinderloses Paar zieht ein Findelkind groß. Es wächst zu einer wunderschönen jungen Frau heran, der alle Männer zu Füßen liegen. Doch sie kann sich hier auf der Erde keine Existenz aufbauen. Sie muss zum Mond hinaufsteigen, um dort ihr Schicksal zu erfüllen. Das Stück ist mit dem Leipziger Ballett in der Choreografie von Martin Chaix als Uraufführung zu sehen. Die verwendete Musik stammt von Henryk Mikołaj Górecki, Koyama Kiyoshige, Arvo Pärt und Sômei Satoh.
Die Geschichte wird in zwei Teilen erzählt. Der Vater findet das Kind als Licht-Ei, das Mädchen wächst heran, sehr süß gemacht, ein kleines, vielleicht sechsjähriges Mädchen auf der Bühne, wird später ausgetauscht gegen einen Teenager, bis dann Madoka Ishikawa die Hauptrolle spielt. Die Bühne ist leer, ein großer Mond im Hintergrund, Bäume wie Scherenschnitte. Tänzer*innen ganz in schwarz, wie unsichtbar, um nur das Wesentliche zu zeigen. Vor der Pause passiert fast alles: Die Prinzessin wächst auf, wird umworben, lernt den Kaiser kennen. Doch nach der Pause tritt die Gesandte des Mondes auf. Die Prinzessin will gar nicht weg, schwer, sehr schwer fällt ihr der Abschied von ihren Eltern. Doch das Schicksal will erfüllt werden. Sie steigt nach oben zum Mond. Ein Ballett, ein Stück ohne Worte, so traumhaft schön und emotional berührend, natürlich musste ich schon wieder Tränchen aus den Augenwinkeln wischen! Ich werde an den Stufen der Oper abgeholt, ein kleiner Abschied von meiner Freundin, bis nächstes Jahr! Völlig ausgehungert nach all den Tagen, an denen ich mal eine Semmel mit irgendwas, mal frittierte Calamariringe gegessen habe, bestelle ich mir im Barfußgässchen einen riesigen Salat und genieße meinen Riesling im echten Weißweinglas. Wieder mal ein letzter Abend. Ich kann es irgendwie nicht fassen, dass es schon wieder vorbei ist. Freu mich wie verrückt auf nächstes Jahr!
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