Ein fast vergessener Ruheort
Der Münchner Osten hält viele schöne und interessante Orte bereit. Einer davon ist der Friedhof Haidhausen, der erstmals 1315 erwähnt wurde und schon 1670 überbelegt war, 1741 wurde er nach Norden erweitert. Zeitweise besaß Haidhausen zwei Friedhöfe. Der „untere“ Friedhof an der Seerieder Straße wurde 1772 angelegt und 1825 aufgelassen, nachdem inzwischen der „obere“ Friedhof bei der Kirche neuerlich vergrößert worden war. 1854 erfolgte anlässlich der Eingemeindung von Haidhausen die Übernahme des Friedhofs durch die Stadt München. Der Beerdigungsbetrieb wurde am 1. Januar 1944 eingestellt. Im Hinblick auf den Gräbermangel im Osten der Stadt und des voll belegten Ostfriedhofs konnten ab Juli 1955 wieder Gräber zugewiesen werden. Eine wechselvolle Geschichte, die vor Ort entdeckt werden kann.
An der Ecke Einstein-/Flurstraße betritt man einen Ruheort, der ein Auf und Ab erlebt hat. Der Friedhof Haidhausen ist von hohen Friedhofsmauern umgeben und ein Ruhepol in diesem Stadtviertel. Die wechselvolle Geschichte des Friedhofs spiegelt sich auf dem Gelände wider, es gibt einige aufgelassene und verwahrloste Grabstellen, genauso wie liebevoll gepflegte und frisch ausgehobene. Die Aussegnungshalle scheint frisch renoviert zu sein, nachdem sie bereits 1955 neu installiert wurde. Ein grünes Blätterdach beschützt die Wege. Man kann Grabsteine, -kreuze und eigenwillige, unter anderem bunte Gedenkkreationen entdecken. Ein frisches Grab wird von der Familie besucht, mein Weg führt mich im Abstand daran vorbei, dabei entdecke ich eine monumentale Grabstätte der Familie Wagner. Einige Gutsbesitzer wurden in der Zeit von 1875 bis 1924 hier zur Ruhe gelegt. Um die Ecke kann man die Begräbnisstätte von Heinrich Graf von Einsiedel (*1921 – †2007) und seiner Familie entdecken. Seine Geschichte kann man unter dem Link nachlesen.
Im hinteren Bereich findet man eine interessante, kreisrunde Gedächtnisstelle mit Insignien, die ich nicht deuten kann. Die Inschrift „Suaviter in modo, fortiter in re“ bedeutet „Sanft in der Art und Weise, stark in der Sache“. Diese Redewendung soll die Wichtigkeit betonen, eine Entschlossenheit bei der Ausführung von Aufgaben zu zeigen, aber dabei eine freundliche, rücksichtsvolle und diplomatische Haltung beizubehalten. Eine sehr noble Einstellung!

Vorbei geht es an interessanten Stelen mit Erinnerungsbeschriftungen in sehr schöner Art und Weise, ebenso an einer Vielzahl Holzkreuzen und vielen schönen und interessanten Grabdenkmälern. Am Ende des Rundwegs stößt man auf die Außenseite der Alten Pfarrkirche St. Johann Baptist. Hier sind Erinnerungstafeln angebracht, unter anderem für Robert von Langer (Wikipedia-Link), der auch bei der Einrichtung der Alten Pinakothek München und der Neuordnung der Schleißheimer Galerie Verdienste errang. Außerdem findet man einen sehr alten Hinweis auf Maria Antonia Rosina von Pfitschenthal, spätere Freiin von Wippenheim, aus dem 18. Jahrhundert. Es wird berichtet (Link), dass sie in einer der vornehmen Haidhausener Villen wohnte.
Nun geht es rechts vorbei am kirchlichen Bau auf ein Kreuz zu für die Opfer der Corona-Opfer. Pater Alfons Friedrich hat selbst damit einen Gedenkort für die vielen Verstorbenen dieser Pandemie im 21. Jahrhundert geschaffen. Es soll ein Ort für alle sein. Außerdem sind daneben kleine Gedenkkreuze für die Toten der Cholera-Epidemie 1836 (links) und 1854 (rechts) installiert worden, dazwischen ein Gedenkort aus dem Jahr 1984. Versteckt hinter Blättern findet man die anrührende Gedächtnisstätte für Maria Weillocherin, die 1710 verstorben ist, und 1702 das Haidhauser Kreuz in der Kirche renovierte, und deren neun Söhne und Töchter im Kindesalter verstarben.
Auf der gegenüberliegenden Seite findet man den Eingang zur Kirche St. Johann Baptist, die auch als Alte Haidhauser Kirche bekannt ist. Erstmals urkundlich erwähnt wurde das romanische Gotteshaus im frühen 9. Jahrhundert und nach Beschädigungen durch die Schweden 1640 neu errichtet. Beim Eintreten in das Gebäude fällt der Blick auf einen sehr schönen, alten, verzierten Druck zur kurzgefassten Geschichte des St. Johann Baptist Gotteshaus. Man sollte sich Zeit dafür nehmen, die altdeutsche Schrift zu lesen. Hinter einem Gitter kann man den Altar sehen, rechts daneben eine Spendenmöglichkeit für das Antonius-Brot. Im neuen Bayerischen Wörterbuch findet man eine Erklärung dazu: „Antoniusbrot … Geld, das in eine Büchse bei der Statue des hl. Antonius geworfen wurde …“. Der Hinweis auf ein Unglück am 1. Juli 1690 ist auf dunklem Holz und in einem Rahmen nachzulesen, denn ein Donnerkeil schlug im Kirchturm ein.

Wenn man aus der Kirche kommt und links herum geht, findet man am hinteren Teil der Kirche ein altes Turmkreuz (von 1856 bis 1986), das zwei Weltkriege überstand und zum Frieden mahnt.
Es gäbe noch so vieles zu berichten, über einzelne Grabstätten, die Kirche und die Umgebung, aber das Interesse liegt auch immer im Auge der Besucher*innen. Nach Verlassen des Haidhauser Friedhofs kehrt man zurück in die Jetzt-Zeit, verlässt einen beschaulichen Raum, zu dem man jederzeit wieder zurückkehren kann.
Fakten:
Im Friedhof Haidhausen gibt es etwa 4.600 Gräber. Das Friedhofsgelände umfasst eine Fläche von 2,43 Hektar. Der Friedhof Haidhausen wird durch den Ostfriedhof verwaltet.
Hinweise in diesem Bericht stammen von
https://stadt.muenchen.de/service/info/friedhof-haidhausen/10321889/
und dem Buch Letzte Heimat von Erich Scheibmayr aus dem Jahr 1985
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