Vom Väterchen Timofej und seiner Frau

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Es war einmal …Timofej Wassiljewitsch Prochorow. Väterchen Timofej kam Anfang der 50er Jahre mit seiner Frau Natascha aus der Ukraine nach München und ließ sich im damaligen Oberwiesenfeld nieder.
Wie kam er auf diese Idee? Während des Zweiten Weltkriegs hatte er angeblich eine Marienvision. Er erhielt den Auftrag in den Westen zu gehen, um dort eine Kirche zu bauen.

Er verließ – wie teilweise damals Jesus Jünger – seine Familie und begab sich auf die Reise und lernte in Wien seine Natascha kennen. Nach einer weiteren Vision zog es sie nach München. Eine dritte Vision beauftragte ihn, eine Kirche im Oberwiesenfeld zu errichten. Das tat er, zusammen mit seiner Frau. Die beiden bauten aus Trümmerschutt ein Häuschen, eine Kapelle und eine Kirche.

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Sie verwendeten einfachste Materialien, so besteht zum Beispiel die Kuppel im Inneren der Kirche aus Silberpapier aus Schokoladentafeln.

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Das Häuschen war gänzlich primitiv, keine Heizung, keine Isolierung. Es wurde ein Obst- und Gemüsegarten angebaut und Bienenstöcke aufgestellt.

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Timofej bot sein Kirchenhaus der katholischen Kirche wie auch der russisch-orthodoxen Kirche als Gotteshaus an. Man wollte es nicht. Es hatte einerseits zu viele katholische Elemente und für die andere Partei zu viele orthodoxe.

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Timofej hielt dennoch Messen ab. All das ging viele Jahre friedlich einher. 1968 aber hat München den Zuschlag für die Olympischen Sommerspiele 1972 bekommen. Die Kirche stand mitten auf dem neu zu errichtenden Olympiagelände. Die illegal gebaute Kirche und das Wohnhaus sollten abgerissen werden, Timofej sollte mit seiner Frau in eine Stadtwohnung ziehen. Man kann es heute kaum fassen, aber es gab Proteste aus der Bevölkerung, und um des lieben vorolympischen Friedens Willen wurde das Olympiagelände tatsächlich etwas weiter nördlich geplant. Die Kirche konnte erhalten bleiben. Natascha und Timofej lebten friedlich dort bis an ihr Lebensende. Natascha starb Ende der 70er Jahre, Timofei 2004 angeblich im Alter von unglaublichen 110 Jahren. Seit seinem Tod kümmert sich ein Verein um die Kirche. Das Wohnhaus wurde zu einem Museum umgebaut.

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Die Örtlichkeiten sind für jeden Besucher frei zugänglich, sofern dieser sie findet. Obwohl das skurrile Kirchlein seit vielen Jahren in Reiseführern steht, ist es nämlich nicht leicht zu finden. Im Sommer findet nur wenige Meter davon entfernt das Tollwood-Festival statt. Dann sind die Bäume voller Blätter, es wimmelt von Menschen, und man muss wirklich suchen. Wenn man den Eingang gefunden hat und in das kleine Areal eintritt, trifft einen die Wucht von Andersartigkeit und hippieskem Witz, von Besessenheit, von Armut, Bescheidenheit, Zufriedenheit und Frieden.

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Es ist sehenswert.

Adresse Ost-West-Friedenskirche:
Olympiagelände Süd
Spiridon-Louis-Ring 100
80809 München

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