Sansibar – Hakuna Matata

Sansibar – Küste des Schwarzen Mannes – unter diesem Namen ist diese tropische Perle, etwa 30 km vor der Küste Ostafrikas, als ein Teil des Staates Tansania bekannt. Es ist eine multikulturelle Inselgruppe, bestehend aus der Hauptinsel Unguja, umgangssprachlich Sansibar genannt, und der deutlich kleineren, nördlich gelegenen Privatinsel Pemba. Unser Ziel war Unguja, und unsere Urlaubsvorbereitungen für Sansibar begannen mit Internetrecherchen zu Themen wie Kriminalität und Korruption, Krankheiten und Impfungen, Visa- und Einreisebestimmungen. Das klingt nicht romantisch, war es auch nicht, und zwischendrin wollte man schon aufgeben und sagen, „Ach, dann fahren wir eben woanders hin“, doch an diesem Punkt brauchte man nur erneut im Internet nach Bildern von Sansibar zu suchen, um sich von solchen Gedanken abbringen zu lassen. Die 3 „Ks“ (Kriminalität, Korruption und Krankheit) beschäftigen einen natürlich am meisten, aber Kriminalität und Korruption gibt es leider überall auf der Welt. Im Fall von Sansibar gab es einem sogar das Gefühl, dass man das System ja sicher auch zu seinen Gunsten nutzen könnte, sollte es Visaprobleme geben. Also begannen wir mit den medizinischen Vorbereitungen. Nach Beratung beim Hausarzt haben wir uns für Impfungen gegen Typhus und Hepatitis plus Malariamedikamente entschieden, was in der Apotheke mal eben knapp 400 € für drei Personen kostete. Doch nach dem ersten Schock beim Bezahlen haben wir gleich wieder an die Bilder gedacht, und schon war alles gut. Ich wollte unbedingt in dieses kleine Paradies reisen, bevor es vom Tourismus eingeholt und überrollt wird. Wollte es in seiner natürlichen Form mit all den kleinen und größeren Haken, Ecken und Kanten sehen.

1. Von blauen Formularen und ersten Eindrücken

Es geht los! Nach zweimal sechs Stunden Flug mit vier Stunden Aufenthalt in Muscat landen wir in Sansibar-Stadt, und das „Abenteuer“ beginnt. Im Flugzeug haben wir die Visaformulare ausgefüllt und hoffen, dass mit der Zahlung der Visagebühr alles unproblematisch erledigt ist. Aber natürlich ist dem nicht so: Erst nachdem wir dasselbe Formular wie im Flieger – dort in grün, nun in blau – erneut ausgefüllt haben, wir fotografiert und unsere Fingerabdrücke genommen worden sind, bekommen wir den Visumstempel und dürfen unsere Koffer suchen. Die Kofferausgabe stellt sich als kleiner Tresen heraus, auf den in unregelmäßigen Abständen ein paar Koffer geworfen werden. Aber mit ein wenig Geduld sind bald alle Koffer da, und wir suchen unseren Transferbus oder das übliche Empfangskomitee.
Als wir aus dem eher einfachen, aber klimatisierten Flughafengebäude ins Freie treten, haben wir plötzlich das Gefühl, mitten in der Arena zu stehen und dass unsere Koffer das rote Tuch darstellen, auf das die wartenden Einheimischen aus sind. Augen geradeaus – starrer Blick – Koffer festhalten – Kind im Auge behalten und stur drauf los gelaufen! Die Taktik geht auf, und wir entdecken unseren Guide, der uns zu unserem Hotel bringen wird. Da bei uns in der Familie Busfahren größtenteils mit Übelkeit

einhergeht, bin ich positiv überrascht, dass wir einen Privattransfer mit einem Auto haben. Von Sansibar City geht es 70 km über teils abenteuerliche Straßen zu unserem Ziel, dem Hotel Diamonds La Gemma Dell’Est in der Nähe von Nungwi. Auf dem Weg bekommt man einen ersten Eindruck vom Land und den Menschen. Wenn man nach Afrika fliegt, weiß man natürlich, dass man auf Armut und Elend treffen wird, aber etwas zu wissen ist eben etwas anderes als es mit eigenen Augen zu sehen. Die Straße führt durch kleine Dörfer, bestehend aus Wellblechhäusern und Lehmhütten, ab und zu einem gemauerten Haus, dazwischen roter Lehmboden, Bananenstauden und die Bewohner davor, daneben, mittendrin. Über 90% der Bevölkerung von Sansibar sind streng muslimisch, und in den letzten Jahren kam es hier leider vermehrt zu Übergriffen auf die wenigen meist konvertierten Christen; auf dem Festland in Tansania hingegen sind es gerade einmal 20-30% der Bevölkerung, die muslimischen Glaubens sind. Hier in Sansibar gibt es daher keinen westlichen Kleidungsstil für Frauen, dennoch ist jedes Gewand überraschend individuell und oft farbenfroh. Die Straße, die wir befahren, ist in einem schrecklichen Zustand, mit riesigen Löchern, dazu kommen Temposperren in recht häufigen Abständen. Diese sind sicher jedoch notwendig, da die Straßen ja quasi direkt vor den Haustüren entlang führen und überall Kinder spielen. Zusätzlich wird man von unzähligen Straßensperren gestoppt. Die Papiere des Fahrers werden kontrolliert, die Insassen kurz in Augenschein genommen, dann wechselt ein wenig Geld den Besitzer, und die Fahrt geht weiter. Da war also schon eines der „Ks“, die uns bei unserer Reiseplanung beschäftigt haben.

2. Hakuna Matata

Die Ankunft im Hotel ist jedoch wie der Einzug ins Paradies. Die Angestellten sind wahnsinnig freundlich und höflich, und man wird sehr zuvorkommend behandelt. Die weitläufige Anlage ist eine botanische Augenweide, der Sand am Strand ist so fein, dass man ihn direkt in eine Sanduhr füllen könnte, das Meer einfach nur wunderschön türkis und einladend. So hat man sich die Strände anhand der Fotos vorgestellt und wird nicht enttäuscht. Es ist einfach traumhaft, und die Farben sind so intensiv, dass es fast künstlich wirkt. Bei unserem ersten Strandspaziergang stellt sich uns gleich die Artenvielfalt der Bewohner des Indischen Ozeanes vor, und ich bin fasziniert und aufgeregt wie ein kleines Kind, als ich im Sand die ersten Seesterne und Seeigel entdecke. Überall liegen wunderschöne Muscheln und Korallen in allen Farben und Formen.

 

Mein Mann bedankt sich wahrscheinlich gerade im Stillen bei den Machern der strengen Ausfuhrgesetze für Sansibar – sonst hätten wir sicher so zwei bis drei Kilo Muscheln an Bord, aber das ist leider nicht erlaubt. Er weiß allerdings noch nicht, dass ich auf der Rückfahrt trotzdem einen „Heavy“-Warnaufkleber an meinen Koffer bekommen werde. Aber das ist ein anderes Thema. Aus Angst vor dem Kriminalitäts-„K“ (es wurde aufgrund der gelegentlich vorkommenden Raubüberfälle auf Touristen vor Strandspaziergängen gewarnt) habe ich mein heißgeliebtes Handy im Hotelsafe gelassen, nun bereue ich aber, diese Schönheiten am Strand nicht fotografieren zu können. Die ersten Tage im Hotel genießen wir den Luxus und Komfort und lassen es uns gutgehen. Nach einer Weile nimmt man jedoch mehr und mehr von der Umgebung wahr und schaut am Strand auch hinter die Kulissen. Zwischen den Verkaufsständen, den Bars und Sportschulen gibt es Hütten von Einheimischen in einfachster Bauart, meist jeweils mit einem kleinen Freigehege für Hühner. Am Abend kommen die Fischer mit ihren traditionellen Booten, ausgerüstet mit einfachen Angelleinen oder Netzen. Eine Bar des Hotels ist auf einem Steg ins Wasser gebaut, sodass man von

dort im glasklaren Wasser die Fische und auch am Abend die Fischer beobachten kann. Manchmal sind es auch nur Kinder in abgetragenen Kleidern, aber mit leuchtenden und wachen Augen. Jedes Mal, wenn ich diese einfachen Menschen anschaue, erkennt mein westlich verwöhntes Gehirn einen klaren Widerspruch: Wie kann jemand,

der in solch armen Verhältnissen lebt, scheinbar nichts hat und zerrissene Kleidung trägt, so ein Strahlen in den Augen haben? Die Menschen wirken glücklich. Wie kann das sein? Vielleicht liegt es an ihrer Art zu leben, das Motto auf Sansibar lautet „Pole Pole“, was „langsam, langsam“ bedeutet, also quasi „immer mit der Ruhe“. Und das strahlen sie aus. Eine Situation fand ich besonders interessant: Am Strand ging eine Gruppe von Frauen mit leeren Schüsseln und Eimern vorbei; nach einer Stunde etwa kamen sie wieder zurück, immer noch mit leeren Schüsseln, singend und laut plappernd. Wir haben ein Foto von der Gruppe gemacht, weil ich immer versuche, die Realität festzuhalten und nicht nur Hochglanzprospektfotos zu schaffen. In Sansibar war das oft nicht leicht, da die Einheimischen unter anderem aus Glaubensgründen nicht fotografiert werden möchten, da muss man gelegentlich etwas tricksen und vorsichtig sein. Als ich mir das Gruppenbild dann angeschaut habe, war ich überrascht, dass die Frauen strahlen und lachen, und das obwohl sie ja wohl nicht gefunden haben, was auch immer sie im Meer gesucht hatten. Sie wirken entspannt und gelöst. Das macht mich nachdenklich. Da gibt es Menschen, die glücklich sind, obwohl sie nichts haben, und wir hetzen durch unser Leben, um viel Geld zu verdienen und damit glücklich zu werden. Ein wenig von dem „Pole Pole – Hakuna Matata“ möchte ich mir gern bewahren und mitnehmen. Für die Einheimischen ist fast alles „Hakuna Matata“, was „kein Problem“ bedeutet. Ist der Strom ausgefallen? Es regnet? Es regnet nicht? Alles „Hakuna Matata“. Stress und Hektik gibt es hier nicht, es scheint, als ob selbst die Uhren in einem anderen Rhythmus ticken. Auch die Angestellten im Hotel scheinen nie in Eile oder Hektik zu sein. Und dabei strahlen sie immer gute Laune aus und sind mit ihrer Art einfach total sympathisch und ansteckend.

3. Unterwegs in Stonetown

Ich bin neugierig auf die Insel und Ihre Bewohner geworden, und so beschließen wir, die Insel zu erkunden. Die 3 „Ks“ haben ihren Schrecken inzwischen auch etwas verloren, sodass wir einen Guide samt Auto mieten und Richtung Stonetown aufbrechen. Stonetown ist das Herz von Sansibar. Es ist die Bezeichnung für das historische Zentrum von Zanzibar Town und Synonym für die Hauptstadt der Insel. Unterwegs bietet sich einem das schon vertraute Bild, das man auf der Fahrt vom Flughafen gesehen hatte. Lehmhütten, Wellblechhütten, mal ein gemauertes Haus, und jeder Haus- oder Landbesitzer, der etwas zu verkaufen hat, präsentiert es in irgendeiner Form vor seiner Hütte. Ganze drei Straßensperren später Ankunft in der Hauptstadt. Hier herrscht vorrangig Chaos – ein Straßenverkehrschaos, verursacht von Autos, Kutschen, Mopeds und den Dalla-Dallas, die eine Art Mitfahrbusse sind, bei deren Zuladung in Form von Personen, Tieren und Gegenständen scheinbar keine Limits gelten. Eine Verkehrsordnung ist augenscheinlich auch nicht zu erkennen, aber es scheint irgendwie zu funktionieren. Die Erkundung von Stonetown beginnt an der alten anglikanischen Christuskirche. Diese wurde genau an der Stelle errichtet, an der einst der zentrale Umschlagplatz des ostafrikanischen Sklavenhandels war. Ein wenig Einblick in die Haltung und „Zwischenlagerung“ der Sklaven bekommt man, wenn man die in der Nähe befindlichen Gewölbe besucht. 

Unerwartet ergreifend fand ich das Mahnmal einer schwedischen Künstlerin, das im Garten der Kirche zu besichtigen ist und an die ausweglose Situation der Sklaven erinnern soll. Bis weit ins 19. Jahrhundert hinein war Sansibar Hochburg und Handelsplatz für Elfenbein, Gewürze und Sklaven aus Schwarzafrika. Große Gewinne erzielte die Region damals aus dem Anbau und Export von Gewürznelken, Muskat, Zimt, Pfeffer und natürlich dem Sklavenhandel. Auch heute noch kann man exotische und vertraute Gewürze auf dem Markt erstehen. Der Darajani-Markt scheint überzuquellen vor Angebot, frisches Obst, teilweise exotisch unbekannt, Gemüse, Brot und Backwaren, Haushaltsartikel, und über allem schwebt ein undefinierbarer Geruch aus Gewürzen, Aromen und einer Note von Fäulnis. Aus dieser Note am Rande wird ein ausgewachsener Brechreiz, wenn man sich dem Inneren des Markplatzes nähert, wo frisches Fleisch und Fisch seit dem Morgen bei 30 Grad vor sich hingammeln. Wir folgen unserem Guide durch die engen labyrinthartigen Gassen, und nicht immer ist einem ganz wohl dabei, so tief in das Herz der Stadt einzudringen. Man darf sich das nicht wie einen Stadtbummel durch Madrid oder andere Städte vorstellen; Touristen wie wir sind hier absolut in der Unterzahl, vor allem wenn sie so schön weiß leuchten und auffallen. Dennoch ist man neugierig und will dieses Fremdartige kennenlernen, und dazu gehören eben auch die kleinen Gassen, durch die wir unserem Guide folgen. Die einst prachtvollen Herrschaftshäuser verfallen langsam, und trotzdem ist der vergangene Reichtum der Araber und Inder noch gut sichtbar. Es sind die traditionell kunstvoll geschnitzten Türen, die die Atmosphäre der Vergangenheit in die Gegenwart begleiten. Eine jede Tür erzählt mit ihren Schnitzereien eine Geschichte. Man unterscheidet zwischen arabischen und indischen Türen und auch zwischen männlichen und weiblichen, aber ich denke, so weit sollten wir nicht abschweifen. Die indischen Türen erkennt man auf jeden Fall am leichtesten; aus ihnen ragen spitze Messingdornen, die zu Zeiten der indischen Mogulherrschaft feindlichen Kriegselefanten das Eindringen in die Stadt und Gebäude erschweren sollten.

Eine weitere Sehenswürdigkeit ist das „House of Wonders“, das jedoch zum damaligen Zeitpunkt nicht besichtigt werden konnte. Sultan Sayyid Barghash, der Nachfolger von Said, ließ es 1883 an der Uferpromenade der Stadt errichten. Es galt als das modernste Gebäude Ostafrikas, da es schon elektrisches Licht, fließend Wasser und sogar einen elektrisch betriebenen Fahrstuhl hatte, was dem Gebäude seinen Namen gab. In unmittelbarer Nachbarschaft befindet sich noch das Arabische Fort, das zwischen 1698 und 1701 erbaut wurde. Die Altstadt Stonetown ist wirklich ein einmaliges historisches Denkmal und gehört seit dem Jahr 2000 sogar zum UNESCO-Weltkulturerbe. Ein weiteres architektonisches und geschichtliches Highlight ist das Palastmuseum des Sultans. Dieses beeindruckende weiße Gebäude wurde gegen Ende der 1890er Jahre für die Familie des Sultans errichtet und war ab 1911 die offizielle Residenz des Sultans von Sansibar.

Am Ende unserer Tour stehen wir wieder vor einer Tür, diesmal einer sehr gepflegten, über der „Mercury House“ steht. Dies ist das Geburtshaus von Freddie Mercury, der 1946 hier unter dem Namen Farrokh Bulsara geboren wurde und bis 1954 hier lebte.
Abschließend zu Stonetown/Zanzibar City noch eine kleine Geschichte am Rande. Wenn man am Rand von Zanzibar City Plattenbauten à la DDR sieht, dann ist das trotz der Temperaturen keineswegs eine Fata Morgana. Die Geschichte, wie es dazu kam, ist allemal lesenswert. Hier nur ein ganz kurzer Abriss: Ausgerechnet ein kleiner Zwergstaat, der aus zwei Nelkeninseln bestand, trotzte als erstes nichtsozialistisches Land der „Hallstein-Doktrin“,indem er die DDR etwa zehn Tage nach der Revolution anerkannte. Denn bereits 1962, als Sansibar immer noch britisches Protektorat war, war in Ostberlin bereits ein „Konzept zur Entwicklung von Beziehungen zwischen Sansibar und der DDR“ erarbeitet worden. Dabei ging es der DDR nicht um das Mini-Land im Indischen Ozean, sondern um die ganz große Mission. Denn von Sansibar aus sollte der real existierende Sozialismus die Dritte Welt erobern. Hinterlassen haben die „Ossis“ eine Plattenbausiedlung in Stonetown (Berlin-Marzahn unter Palmen) und einen ausufernden Geheimdienstapparat. Markus Wolf schreibt in seinen Memoiren dazu „Der Sicherheitsapparat Sansibars nahm eine für das kleine Land unverhältnismäßige Größe an. Wir hatten es zu gut gemeint …“. Man hatte nämlich die ohnehin schon überdimensionierten Strukturen des DDR-Geheimdienstes einfach auf die kleine Insel Sansibar übertragen.

4. Von Affen, Schnecken und fluchtbereiten Bäumen

Als nächstes fahren wir in den Jozani Forest, dem einzigen Nationalpark Sansibars. Auf die typischen Touristenfallen wie der Besichtigung einer Gewürzplantage inklusive Verkaufsveranstaltung und lustigem Basteln von Strohhüten haben wir keine Lust, unseren Gewürzvorrat haben wir vorsorglich schon auf dem Markt in Stonetown angelegt. Und da wir dank unseres Guides unabhängig sind, können wir entscheiden, wohin wir möchten. Für den Ausflug hatte ich mir eine weite Bluse und eine luftige

Hose angezogen, um etwaigen Religionsproblemen aus dem Weg zu gehen. Beim Schuhwerk habe ich jedoch auf luftig gesetzt und mir meine Flip Flops angezogen. Jetzt finde ich mich mitten im Urwald wieder, und mir kommt gerade der Gedanke, dass das vielleicht nicht der beste Plan war. Natürlich kommt wie aufs Stichwort der Guide daher und erzählt von der erstaunlichen Flora und Fauna des Nationalparks, in dem sich natürlich auch meine liebsten Albtraumtierchen pudelwohl fühlen. SCHLANGEN! Zum Glück werde ich von einem überdimensionierten Tausendfüßler abgelenkt, und kurz darauf sehe ich die ersten Äffchen, die munter in den Bäumen umherflitzen. Hier leben Red-Colobus-Affen, die in dieser Form nur auf Sansibar vorkommen, und noch eine weitere putzige Affenart. Es ist ein wunderschönes Gefühl, Affen in freier Wildbahn zu sehen und beobachten zu können. Der Nationalpark ist sehr naturbelassen, und man stolpert beim Laufen über gigantische Schnecken. Ich vermute, es sind Achatschnecken, die da am Boden kriechen, wie man das aus unseren heimischen Gärten kennt, nur eben mit dem Unterschied, dass diese Schnecken hier so groß wie meine Hand und größer sind. Genauso skurril sind die Mangrovenbäume, die mit ihren langen oberirdischen Wurzeln aussehen, als wären sie jederzeit fluchtbereit.
Nach diesem wunderschönen Tag bin ich endgültig verliebt in diese wildromantische Perle im Indischen Ozean.

5. Meeres- und Flugschildkröten

Nachdem die „Ks“ ja nun endgültig ihren Schrecken verloren haben (wir leben schließlich nach zehn Tagen alle noch), gehen wir am Strand entlang zum Mnarani Marine Turtles Aquarium. Es ist ein gutes Stück zum Laufen, aber machbar. Unterwegs sehen wir wieder die schon bekannten Schätze des Indischen Ozeans in Form von Muscheln, Seesternen, Korallenbruchstücken und Seeigeln.
Diesmal jedoch mit Handy, getarnt mit einem leuchtendroten Gummicover mit Öhrchen – ja, genau, Öhrchen! Meine Begleiter versichern mir, dass ich es definitiv geschafft habe, das Handy abzuwerten. Egal, „Öhrchen“ kommt mit, und so kann ich wenigstens endlich all die Schätze fotografieren, wenn schon nicht mitnehmen. In der Schildkrötenstation werden in einer großen natürlichen Lagune und mehreren kleineren Becken Meeresschildkröten aufgezogen, die verletzt aufgefunden wurden. Außerdem

werden Eier an Stränden eingesammelt, bei denen aufgrund menschlichen Einflusses das Schlüpfen bzw. Überleben der Jungtiere zweifelhaft ist. Die Eier werden dann innerhalb der geschützten Umgebung ausgebrütet, die Jungtiere aufgezogen und wieder in Freiheit entlassen, sobald sie ausgewachsen sind. Man erfährt viel über die Meeresschildkröten, darf natürlich auch füttern helfen und die Kleinen auf die Hand nehmen.
Auch ein Sansibarwaran und ein Kaiman leben hier sowie ein paar Landschildkröten mit deformiertem Panzer. Ein Mitarbeiter erklärt etwas von „Flugschildkröten“, die wohl aus einem Flugzeug gefallen sind und sich durch den Aufprall dauerhafte Deformationen zugezogen haben. Sie schauen echt schräg aus, aber ihnen scheint es gut zu gehen dort. Das Englisch des sehr hilfsbereiten Mitarbeiters war leider so schlecht, dass ich bis heute nicht weiß, ob ich die Story richtig verstanden habe. Als wir uns auf den Rückweg machen, dämmert es schon, und mir wird doch ein wenig mulmig. Der Strand wirkt plötzlich verändert; beim Hinweg war er eher verlassen, und nur wenige Touristen waren unterwegs. Nun fehlen die Touristen, und an deren Stelle sieht man am Strand plötzlich überall Einheimische, die aus Ihren Hütten gekommen sind. Die Mädchen spielen mit einem kleinen Stoffball, die Jungs und Männer Fußball, alle jeweils in einer getrennten Gruppe. Die Frauen sitzen zusammen, alle wirken ausgelassen und natürlich. Die meisten beachten uns gar nicht, andere schauen neugierig und grüßen schüchtern, als sie merken, dass ich sie beobachte.

6. Von Tintenfischen und Seegurken

Die Schätze am Strand haben neugierig auf das Meer und seine Bewohner gemacht, sodass zum Abschluss dieser Reise kurzum ein Schnorchel-Trip gebucht wird. Die Artenvielfalt des Indischen Ozeanes ist einfach gigantisch, so viele verschiedene Formen und Farben gibt es zu sehen. Es ist ein unglaubliches Erlebnis, diese Unterwasserwelt zu erkunden und zu entdecken. Surreale Seegurken dümpeln am Grund, grellbunte Fische schwirren um Korallenformationen, und sogar eine große Seeeschlange im schwarzgelben Borussia-Dortmund-Design wurde gesichtet, zum Glück nicht von mir, denn das hätte eher dramatische Ausmaße angenommen. So aber habe ich den Schnorchelausflug genossen und bin total fasziniert. Apropos Unterwasserwelt: Eine etwas unheimliche Begegnung hatten wir in Sansibar auch mit einem Rochen, der jedoch sehr entspannt einfach in Ufernähe im Wasser lag, als wir mit unseren Luftmatratzen darüber hinweg gepaddelt sind. Unser Sohn hingegen hatte eine Begegnung mit einem Tintenfisch, der sich eher gestört fühlte und ihn spontan in einer Tintenwolke stehen ließ. Es ist davon auszugehen, dass sich nicht nur der Fisch erschreckt hat bei dieser Begegnung.

7. Abschied vom Paradies

Mein Fazit zu Sansibar ist ganz klar: Diese Insel sollte man gesehen und erlebt haben und das möglichst bald. Leider ist zu befürchten, dass die Einheimischen und die Landschaft durch den aufstrebenden Tourismus in den nächsten Jahren Veränderungen erfahren werden, die weder für die Natur noch für die Einwohner und am Ende auch für die Touristen positiv sein werden. Man sollte sich dieses kleine Paradies vor Tansania daher unbedingt bald anschauen, um es in seiner natürlichen, wenn auch nicht perfekten Form zu entdecken und zu erleben.

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