In Ulm und um Ulm herum

u1Und wieder einmal „Urlaub dahoam“. Keine Lust auf Chaos am Flughafen, zurückgebliebene Koffer und unklimatisierte Hotelzimmer bei über 40 Grad. Lieber mehrere kleine Spritztouren, und außerdem will das 9-Euro-Ticket doch genutzt werden!
Die Bahn bringt uns nach Ulm. Ulm ist eine Universitätsstadt in Baden-Württemberg, seit 1810 getrennt von seinem ehemaligen Gebiet rechts der Donau, das bei Bayern blieb, und auf dem sich die Stadt Neu-Ulm entwickelte. Zwei Städte, zwei Länder, getrennt durch eine Brücke, man bemerkt als Nicht-Ulmer gar nicht, wo man sich gerade befindet. Um die Mittagszeit kommen wir in Ulm an.

u10Unser erstes Ziel ist das Münster, mit dem höchsten Kirchturm der Welt! Da es unter der Woche ist, gibt es keine Menschenmassen am Platz und auch nicht im Münster. Über 200 Jahre wurde am Ulmer Münster gebaut: von 1377 bis 1543 und dann nach einer langen Pause wieder von 1844 bis 1890. Der Turm des Ulmer Münsters ist nach langer Schließung seit Januar 2022 wieder für Besucher*innen geöffnet. Aber nur der untere Teil darf wieder bis zur ersten Plattform auf 70 Metern Höhe bestiegen werden. Trotzdem ein Ereignis und schöne Blicke! Innen im Münster muss man unbedingt die außergewöhnlichen bunten Fenster betrachten, zwei davon, die „Weltfenster“, sind vom noch lebenden Künstler Johannes Schreiter.

u2In einer Glasvitrine in der Nähe des Eingangs kann man das Original des Ulmer Spatzen ansehen. Der Spatz ist nämlich das Wahrzeichen Ulms. Warum? Beim Bau des Münsters stand man plötzlich vor dem schier unlösbaren Problem, einen besonders großen und langen Balken nicht durch die Eingangstür zu bekommen. Kurz bevor man vor lauter Frust das Eingangstor niederreißen wollte, sah man, wie ein Spatz mit einem verhältnismäßig großen Stöckchen im Maul einfach längs das Tor durchquerte. Gewusst wie! Der Spatz hat sogar eine exponierte Position auf dem Dach des Münsters erhalten. Der „Ulmer Spatz“ wurde unter Münsterbaumeister Ferdinand Thrän aus Sandstein gefertigt und 1858 auf dem Langhaus des Münsters angebracht. Er wurde aber Jahre später wegen Baufälligkeit abgenommen und durch einen kupfernen Spatzen ersetzt. Das Original befindet sich in besagter Vitrine, die Kopie auf dem Dach.

u12So hoch das Ulmer Münster ist, so beeindruckend ist die Fassade des Rathauses. Die prunkvollen Malereien aus dem 19. Jahrhundert stellen Darstellungen von Tugenden und Lastern dar. Die ursprüngliche Außenbemalung ist jedoch viel älter, musste aber renoviert werden. Die Fassade ist wie ein Comic, mit lauter kleinen Geschichten. Durch sie konnten die Bürger der Stadt immer wieder daran erinnert werden, ein tugendhaftes Leben zu führen. Das Gebäude ist 1370 errichtet worden und diente zunächst als Kaufhaus. Seit 1417 wurde dann das Rathaus der Stadt Ulm hier untergebracht. An der Ostseite des Rathauses befindet sich die astronomische Uhr, sehr prunkvoll. Sie stammt aus dem Jahr 1520 und ist sehr sehenswert.

Vom Rathaus aus ist es nur ein Katzensprung zum Fischerviertel. Dieses hat den 2. Weltkrieg sehr gut überstanden. Früher lebten hier die Armen und Bedürftigen, heute ist es ein beliebtes Wohn- und Ausgehviertel für die Ulmer – und die Touristen. Das Viertel mit seinen alten Häusern, teils Fachwerk, und den Kanälen der Blau gefällt mir ausgesprochen gut. Es macht Spaß, über die Kopfsteinpflaster und die kleinen Brücken zu laufen. Hier gibt es eine winzige Gasse, die Vaterunser-Gasse, hier wurden die Häftlinge und verurteilten Sträflinge aus der Stadt gejagt. Leider wartete direkt hinter der Stadtmauer die Donau auf sie. Die Gasse entspricht exakt der Länge eines „Vater unser“. Mir kam sie sogar noch kürzer vor.

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Plötzlich stehen wir vor dem „Schiefen Haus“. Es ist ein spätgotisches Fachwerkhaus. Das ehemalige Fischerhaus ist 1443 um ein älteres, bereits bestehendes Haus herum errichtet worden. Es ist immer mehr in Richtung Süden in den Boden versunken. Um ein weiteres Absinken und damit den Einsturz des Hauses zu verhindern, wurde 1873 ein Betonfundament gegossen, seitdem hat es diese schiefe und damit exponierte Stellung unter den Fachwerkhäusern im Fischerviertel. Seit 20 Jahren ist das Schiefe Haus ein Hotel, das schiefste Hotel der Welt, mit einem Eintrag im Guinessbuch der Rekorde. Wunderschön und romantisch ist es hier in der Gegend, mit kleinen Tischchen an der Blau, nicht einmal arg überlaufen. Nur der Aperol Spritz hier war der winzigste, den ich in meinem ganzen Leben getrunken habe.

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Nicht mehr weit, und man kommt zur Stadtmauer, zum Donauufer und zum berühmten Metzgerturm. Er ist mit seinem Neigungsgrad von 3,3° fast so schief wie der berühmte Turm in Pisa (3,97°). Der Legende nach ist der Turm so schief, weil sich die beleibten Metzger, die hier auf Grund von mangelhafter Qualität ihrer Ware einsaßen, aus Angst vor der Strafe immer auf eine Seite zusammengedrängt haben.

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Nicht weit der Einstein-Brunnen! Einstein wurde in Ulm geboren und verbrachte hier sein erstes Lebensjahr. Verständlich, dass ihm auch in irgendeiner Weise in der Stadt ein Denkmal gesetzt wurde. Der Brunnen ist witzig und zeigt das berühmte „Zunge-raus“-Konterfei Einsteins.

Unwahrscheinlich pittoresk befinden sich auf einem kleinen, kurzen Teilstück der Stadtmauer kleine winzige Wohnhäuser. Die sogenannten Grabenhäusle wurden damals als Unterkünfte für zusätzliche Wachtruppen erbaut.

u11Beim Herumschlendern sieht man immer mal wieder eine Skulptur des schlauen Spatzen. 2001 wurde nämlich zur Erhaltung des südlichen Münsterturms eine Benefiz-Kunstaktion gestartet, die „Spatzeninvasion“. 275 Spatzenrohlinge wurden gestaltet und überall in der Stadt aufgestellt. Sie wurden dann versteigert und in alle Winde zerstreut, aber wenn man aufmerksam durch Ulm läuft, kann man da und dort immer mal wieder noch Reste der „Ulmer Spatzeninvasion“ finden.

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Abends sind wir nach dem Essen durch die Stadt geschlendert, überall lauschige Ecken, hübsch beleuchtete Kneipchen, Laternchen und Kerzen auf Mauern, kleine Brücken über kleine Flüsschen, Amsterdam-Feeling gepaart mit mediterranem Lebensstil.

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Übernachtet wurde im zentral gelegenen, preisgünstigen Ibis Budget Hotel, wo man sich am Morgen danach ein wundervolles Frühstück zusammenstellen konnte. Anschießend trat ich eine Reise in ein kleines Museum an, worüber ich an anderer Stelle berichten werde. Ich sag nur so viel: Es wird kuschelig!

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