Zombies mit Melkmaschine

Ein beschauliches Dörfchen in Bayern in den 50er Jahren, doch für Maria ändert sich das Leben abrupt, als sie mitten im heimischen Wäldchen eine weibliche Leiche findet. Ein Wissenschaftler und ein stationierter US-Offizier nehmen sich der Sache an. Während der Soldat bei einer Kornkreisuntersuchung auf eine außerirdische Leiche stößt, kommt der Wissenschaftler bei der Obduktion des Wesens zu einer erschreckenden Erkenntnis. Weiterlesen

Der Abgrund in uns

Als Barry Fairbrother an seinem Hochzeitstag ganz plötzlich verstirbt, gibt es nur wenige Menschen in Pagford, die ehrlich trauern. Denn mit dem Tod eines Gemeinderatsmitgliedes wird dessen Stelle frei, und der liberale Barry, der sich für die Integration des Ghettos Fields in den kleinen idyllischen Ort Pagford eingesetzt hatte, hat damit den Gemeinderat in zwei Lager gespalten, die nun um die Vorherrschaft ringen und ihre Ansichten durchsetzen wollen. Schnell stellt sich heraus, dass fast jeder von ihnen seine Leichen im Keller hat, und der unerbittliche Hass von Kindern auf die eigenen Eltern führt schließlich zu einer Eskalation, mit der niemand so recht gerechnet hätte.

Ein plötzlicher Todesfall – in der Tat. Genau genommen überlebt Barry Fairbrother nicht mal die ersten 3 Seiten, man erfährt also nicht viel über die Person, die den schweren Stein ins Rollen bringt, der ganz Pagford erschüttern soll. Rowling steigt zügig ins Geschehen ein, bremst dann jedoch ab und nimmt sich viel Zeit, um die Charaktere und ihre Gedanken zum Tod von Barry zu skizzieren. Samantha und Miles, die bei ihm waren, als er starb, Miles‘ Vater, der seinerseits im Gemeinderat sitzt und Barrys größter Gegner war – beide Generationen eher an Klatsch und Tratsch interessiert. Parminder, enge Freundin und Kämpferin an seiner Seite, die drei ihrer Kinder liebt und eines verachtet. Krystal, das Mädchen mit der heroinabhängigen Mutter, das nur durch das von ihm geleitete Ruderteam jemals Achtung und Integration erfahren hatte, und nun zurückfällt in ein Loch aus Gewaltausbrüchen und sexueller Verwahrlosung. Der Leser wird ausführlich in den Alltag dieser Dorfidylle eingeführt, der hauptsächlich aus Tratsch und dem Wunsch jedes einzelnen besteht, eine Neuigkeit so schnell und aufgebauscht wie möglich weiterzugeben. Den Familienverhältnissen aller Beteiligten widmet Rowling viel Aufmerksamkeit und beweist das Talent, sich in die unterschiedlichsten, noch so unsympathischen Charaktere hineinzuversetzen.
Die Geschichte wird episodisch abwechselnd aus der Sicht aller handelnden Personen erzählt und bleibt so stets in Bewegung. Im Grunde passiert nicht sehr viel, aber die Spannung bleibt allein deswegen erhalten, weil man ständig eine neue Facette einzelner Menschen erhält und sich so nach und nach vollständige Bilder zusammensetzen kann. Vielleicht entwickelt man für jemanden, der am Anfang einfach nur unsympathisch war, schließlich sogar so etwas wie Verständnis.
Ein plötzlicher Todesfall ist düster und erwachsen, nichts wird verschwiegen und nichts beschönigt. Die Sprache ist zuweilen – je nach Charakter – derb, schlägt dann wieder in angenehme Landschaftsbeschreibungen um. Der Kontrast dessen, was hier Fassade ist, und was dahinter läuft, wird dadurch schön unterstrichen.
Ich war ganz unvoreingenommen an dieses Buch herangegangen und hatte anhand des Titels etwas erwartet, das eher in Richtung Krimi geht. Tatsächlich liegt hier eine bitterböse Gesellschaftskritik vor uns, schonungslos und ohne etwas durch die Blume zu sagen. Die gutbürgerliche Fassade der stolzen Mittelschicht wird nach und nach demontiert und mit der Zeit fragt man sich, wer hier eigentlich asozialer ist: Terri, die drogensüchtige Mutter aus dem Ghetto, oder Simon, der seine Familie tyrannisiert und seine halbwüchsigen Söhne verprügelt.
Für einige Charaktere hat die Geschichte fast so etwas wie ein Happy End, andere werden in ihren Grundfesten erschüttert und Welten brechen zusammen. Inwiefern das verdient war, kann sich der Leser selbst überlegen. Ist Ein plötzlicher Todesfall ein schönes Buch? Nein, ganz und garnicht. Eigentlich ist es wirklich furchtbar deprimierend. Ist es ein gutes Buch? Auf jeden Fall! Für mich hat J.K. Rowling bewiesen, dass sie auch ganz anders kann, als kleine Jungs gegen böse Zauberer kämpfen zu lassen. Das Böse ist überall, jeder einzelne von uns trägt es in sich, sogar Kinder zeigen Grausamkeiten, von denen jeder sicher ist: in MEINER Umgebung gibt es sowas doch nicht! So hinterlässt Ein plötzlicher Todesfall ein merkwürdiges Gefühl zwischen Depression und Erleichterung, jedenfalls aber die Gewissheit, ein wirklich gutes Buch gelesen zu haben.

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J.K. Rowling – Ein plötzlicher Todesfall
Carlsen Verlag, Hardcover, 2012
575 Seiten
24,90€
eBook: 19,90€

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J.K. Rowling

 

Was ist passiert?

 

ferne-tochterJudith Velotti lebt zusammen mit ihrem Mann Francesco in Rom. Nach einem Anruf von einer alten Schulfreundin fliegt sie nach 20 Jahren, zwei Monaten und vier Tagen zum ersten Mal wieder nach Hamburg, in die Stadt ihrer Kindheit und Jugend. Ihr Vater ist tot, ihre Mutter nach einem Schlaganfall in einem Pflegeheim, zu beiden hatte sie keinen Kontakt mehr. Sie muss sich in der alten Heimat ihrer Vergangenheit stellen, den dramatischen Erlebnissen innerhalb ihrer Familie und einem Verlust, der sie seither verfolgt. Außerdem gilt es, das Leben in Italien nicht zu vernachlässigen, was allerdings aufgrund der Geschehnisse in der alten Heimat nicht einfach ist.

Die Ferne Tochter erzählt nicht nur von einer Tochter, es gibt zwei; jede hat viel erlebt, gedacht, gefühlt. Vordergründig werden Judiths Erlebnisse in der Vergangenheit wie auch der Gegenwart eindringlich wiedergegeben. Durch sehr gut beschriebene Rückblicke und Erzählungen ergibt alles ein Ganzes, eine Information baut auf die nächste auf, eine Begebenheit führt zur nächsten und schließlich zum Ziel. Die Schilderungen sind zum Teil bedrückend, manchmal dachte ich: „Kann es das wirklich geben, dass Eltern so herzlos mit ihrer Tochter umgehen?“ Ich widerstand mehrmals dem Gefühl, dieses Buch wegzulegen und habe mich durchgehangelt, jeden Tag ein bisschen weiter – vielleicht wie Judith – und bin froh darüber.

Frau Ahrens präsentiert dem Leser eine intensive Geschichte – keine leichte Kost, aber gut interpretiert und geschrieben.

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Renate Ahrens: Ferne Tochter
Knaur Taschenbuch Verlag, 2012
276 Seiten
9,99 €
Amazon
Homepage von Renate Ahrens
Ebenfalls von der Autorin erschienen: Fremde Schwestern

„All das macht mich zu der Person, die ich bin“

 

ditto_bheavy_crossAm 22. Oktober 2012 erschien die Biografie von Mary Beth Ditto. Sie erzählt darin von ihrer Kindheit in Arkansas, die alles andere als schön war: Die Mutter meist nicht anwesend, ein Vater, der nicht ihr Vater ist, Hunger, kein richtiges Zuhause und Missbrauch durch ihren Onkel. Während der High School stylt sie sich und anderen Mädchen gern die Haare. Durch ihre Körperfülle ist sie dazu gezwungen, ihre Kleider selbst zu schneidern. Weiterlesen