Die Geschichte vom gothen Mädchen
und dem Bösen Wolf

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Die 17-jährige Vesper Gold hat es nicht leicht, glaubt sie zumindest. Nach der Scheidung ihrer Eltern soll sie nun bei ihrer Mutter leben, musste von Berlin nach Hamburg ziehen, spricht ihren Vater kaum. Die Mutter – eine weltweit gefeierte Pianistin – ist ständig unterwegs und hat keine Zeit für ihre Tochter, in die Schicki-Micki-Schule für verwöhnte Sprösslinge reicher Eltern passt Vesper, die am liebsten Schwarz trägt, natürlich auch nicht so recht hinein. Ihre einzige Freundin ist Ida,

Ein Märchen über große Liebe und großen Verlust, eingebettet in das Jahr 2010, das ist „Grimm“. Anfangs hatte ich aufgrund des Settings a la 17-Jährige bekämpft die dunklen Mächte die Befürchtung, es könne in ein Kinderbuch abrutschen, wurde allerdings eines Besseren belehrt. Die Geschichte bleibt bis zur letzten Seite fesselnd und voller unerwarteter Wendungen, ich wollte das Buch kaum aus der Hand legen. Marzi versteht es ausgezeichnet, den Leser zu fesseln und immer nur mit gerade so viel Spannung zu füttern, dass er den Bogen nie überspannt. Wo nun eigentlich „Gut“ und „Böse“ liegen, scheint niemand so genau zu wissen…eine alleinerziehende Mutter. Kurzum: Vesper ist ein verlorener Teenager, der sich in eine andere Welt wünscht.
Als sie von einem merkwürdigen Fremden verfolgt wird, ihr Vater unter mysteriösen Umständen stirbt und Vesper schließlich auch feststellen muss, dass ihre Mutter nicht mehr sie selbst ist, beginnt sie, sich ihr langweiliges Leben zurück zu wünschen, doch all dies ist nur der Anfang. Weltweit schlafen Kinder plötzlich ein und sind nicht mehr wachzubekommen. Wölfe streifen durch die Straßen, und scheinen es auf sie abgesehen zu haben. Und wer ist dieser komische junge Mann, den sie im Museum trifft? Die beiden verbindet mehr, als Vesper im ersten Moment gedacht hätte…

Sprachlich befinden wir uns auf einer geradezu märchenhaften Ebene. „Grimm“ liest sich durchweg wie ein modernes Märchen, wunderbar malerische Vergleiche und geradezu poetische Beschreibungen erleichtern es dem Leser, in diese Welt einzutauchen. Der Schreibstil ist zum Teil etwas assoziativ, oft werden Gedanken von Vesper wiederholt und verändert, um Situationen zu unterstreichen. Die Charaktere werden mit viel Liebe zum Detail beschrieben, und ein echtes Schmankerl für Freunde des britischen Fernsehens ist auch dabei: Leander ist der elften Inkarnation des „Doctors“ aus dem BBC Klassiker „Doctor Who“ nachempfunden. Vom Tweedanzug über die Fliege bis hin zu „GERONIMO!!“ passt alles perfekt, was mich mehr als einmal zum Schmunzeln brachte.
Erwähnenswert ist auch, dass Marzi regelmäßig diverse Lieder einflicht, die Vesper in Stresssituationen auf ihrem iPod hört, um sich zu beruhigen. Durch Titel und Texte, die wir alle kennen, fühlt man sich Vesper näher und kann sich so viel besser in ihre Gefühlswelt hineindenken, als in anderen Geschichten möglich wäre. Außerdem rückt die moderne Popmusik das Geschehen näher in die Wirklichkeit, die Welt scheint realer zu werden und man fühlt sich selbst in die Rolle des ganz normalen Mädchens versetzt, das erkennen muss, dass seine Welt nur eine Geschichte war.
„Grimm“ ist ausführlich recherchiert worden, allein die stets logisch eingebundenen Märchenfiguren und der Hintergrund, weshalb sie einst aus der Welt verschwanden, zeigt große Liebe zum Detail und eine sehr flexible Fantasie. Man findet beim genauen Hinsehen etliche Anspielungen, wie den erwähnten Doctor Leander oder ein kleines Zitat aus Shakespeares „Hamlet“. Das alles gestaltet die Geschichte enorm organisch und lebendig, als würde der böse Wolf jeden Moment aus dem Buch springen.
Zusammengefasst also ein irrer Lesespaß für Fans von Terry Pratchett, Neil Gaiman und Märchenbüchern, den man so schnell nicht vergessen wird. Christoph Marzi ist für mich die Entdeckung des Jahres, und ich werde hoffentlich seine anderen Werke verschlingen, so wie ich „Grimm“ verschlungen habe. Disney für Erwachsene!

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Christoph Marzi – Grimm
Heyne fliegt, Gebunden, 2010
556 Seiten
17,99€
Heyne
Amazon
Christoph Marzi

„Never again I see your face“

FragileChild können auf ein gutes Jahr zurückblicken. 2011 startete mit der Unterzeichnung des Plattenvertrags beim Label Schönklang, es folgten die „Selfhate-EP“ und die Auskopplung von „Ways of Redemption“ im Sommer. Neben zahlreichen Auftritten in Deutschland und den Niederlanden stand im September ein besonderes Highlight an: FragileChild waren als Support beim Gig der Hamburger Goth-Rock-BandLord of the Lost in Nürnberg dabei.
Bereits im Dezember wurde das aktuelle Album „Pulse of Life“ veröffentlicht. Mittlerweile haben die beiden Franken Dennis und Mex einen Musikclip zu „Deep Inside“ auf youTube gestellt. Der Song wird zudem im März 2012 als Remix auf einer DigitalSingle erscheinen. Keine Geringeren als Lord of the Lost haben sich dessen angenommen.
Zuvor veröffentlichen FragileChild aber am 27.01.12 die gleichnamige Single.

Eine ruhige Melodie durchsetzt mit etwas E-Gitarre und Elektro, so beginnt die Scheibe „Fragile Child“. Der Song „Foreve(r)“ lässt Raum für Träume und Erinnerungen: an die Liebste, an einen nahestehenden Menschen, an die, die uns verlassen haben. Beruhigend und fast tröstend klingt die Musik. Sicherlich ist es kein Titel, den man in Discotheken hören wird, aber für zu Hause, für besinnliche Minuten ist er genau richtig.
„Fragile Child“ hingegen wartet mit mehr elektronischen Klängen auf. Schnellere Beats und die unverkennbare Stimme von Sänger Dennis K. stehen hier im Vordergrund. Für alle Tänzer und Liebhaber des Darkwave à la Blutengel ist das Stück bestens geeignet. Der Text hingegen ist eher deprimierend. Vom Hineingeboren-werden in eine Welt voller Hass ist die Rede, von Leid und Schmerz; eben von allem, was ein Kind fragil, also zerbrechlich macht. Der Song ist eingänglich und hat Passagen, die aus reinen Synth-Flächen bestehen. Diese nehmen kurzzeitig das Tempo und die Härte aus dem Lied.
Mit einem schnellen Elektrobeat wird das letzte Stück eingeleitet. Ebenfalls sehr gut tanzbar und durchaus für den Mainstream geeignet. Vom Text sollte man sich dann allerdings nicht beeinflussen lassen. Der ist wieder melancholisch und stimmt sehr nachdenklich. „Wherever you are“ spricht vom Verlust, von einem leeren Platz im Leben und Blumen auf einem Grab. Fast erscheint es, als würden die Franken hier all ihren Schmerz rausbrüllen. Wer das aber ausblenden kann oder sich davon nicht beinträchtigen läßt, der hat hiermit einen wirklich guten, tanzbaren Song für die nächste Industrialparty vorliegen.

Fazit: Die Single ist gelungen und macht Lust auf mehr. Ein guter Start in ein neues Jahr ist hiermit gemacht und trotz der Melancholie, die in allen drei Titeln mitschwingt, deprimiert die CD nicht. Im Gegenteil: Es fällt schwer sitzenzubleiben und nicht das Tanzbein zu schwingen und sich passend zur Musik zu bewegen.


FragileChild – Fragile Child
Label: Schönklang
VÖ: 27.01.12

Foreve(r)
Fragile Child
Wherever you are

Rausch wilder Zeiten

Airen geht nach einem anstrengenden Studentenleben in Berlin und Frankfurt/Oder nach Mexico-City. Hier durchlebt er triste Tage und spannende Nächte. Seine Arbeit vergisst er bald völlig und erkauft sich Atteste für einige Pesos. Im Dauerrausch hat er nur wenige Interessen: Drogen, Alkohol und Sex. Dabei ist er immer wieder auf der Suche nach neuen Eindrücken und ständigem Highsein.

Das Buch ist zusammengestellt aus Blogeinträgen des Autors. Mit derber Sprache beschreibt er sein Leben in Mexico, die Liebe, die Sucht, die Probleme – und all das Schöne, das ihn von der Masse abspaltet. Offen erzählt er, welche Drogen er konsumiert und wie leicht er an diese herankommt. Muss er lügen, so tut er es. Muss er jemanden bestechen, scheut er auch davor nicht zurück. Das Geld geht zwar aus, aber niemals der Stoff und in den Zeiten, in denen er nicht auf Koks, Speed oder ähnlichem ist, betrinkt er sich. Nur immer high sein! Schonungslos ehrlich schildert er seine Exzesse – und dass es gar nicht gut ist, keine Rauschmittel und keinen Alkohol zu haben.
Die Geschichte ist weniger zusammenhängend. Vielmehr sind es Fetzen wie in einem Tarantino-Streifen, mit der Beschleunigung von „Crank“. Krasse Bilder wechseln sich ab mit etwas Vernunft, die ab und zu durchzukommen scheint und am Ende wohl siegt, als Airen wieder zu Hause ist bei den Eltern. Im Schlepptau hat er seine Mexikanische Freundin Lily, die schwanger ist. Zurecht findet er sich allerdings nicht mehr. Die Technozeit ist vorbei und das Leben, das er einmal in Deutschland geführt hat, kann ihn nicht mehr begeistern.
Die krassen Wahnvorstellungen und Paranoiaschilderungen aus Hunter S. Thompsons „Fear and Loathing“ fehlen hier. Obwohl das Setting ähnlich ist und Airen ebenso wenig wie Thompson seine Erlebnisse und den Drogenkonsum reflektiert, ist „I am Airen Man“ ein eigenständiges Werk. Der Autor hat weniger exzessiv gelebt und jagte nicht dem Amerikanischen Traum nach. Ihm scheint es um die Flucht aus der Realität zu gehen, um ein permanentes Highsein, das sein Leben spannender macht. Dabei ist er sich der Stärke der konsumierten Drogen bewusst und achtet darauf, nicht zu übertreiben, wie die Akteuere in „Fear and Loathing“.
Airen ist kein Unbekannter. Seine Erfahrungen aus dem Berliner Club Berghain schrieb er zuerst in seinem Blog und dann im Debütroman „Strobo“ nieder, der vor allem dadurch Aufmerksamkeit erregte, dass er von Helene Hegemann in „Axolotl Roadkill“ stellenweise geguttenbergt wurde. Der Autor schreibt unter anderem für den Rolling Stone und die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung.
Das Werk lässt sich schnell lesen. Gespickt mit viel Ironie, entsetzten Lachern und Widerlichkeiten. Man möchte nicht wissen, was andere auf Toiletten tun, und muss es hier doch lesen. Da hilft es, wenn man sich bewusst ist, dass Airen die Einträge meist in betrunkenem Zustand verfasst hat.
Was einen hier erwartet sind rasant erzählte Momente, voller Rausch und der Suche nach dem nächsten Trip, voller Liebe und Abschätzigkeit und endlosen Exzessen.

„Und dann legst du den Kopf wieder an die Scheibe und wischst das Bild frei, für den nächsten Lebenshappen.“ (I Am Airen Man, S. 135.) 

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Airen – I Am Airen Man
Heyne Hardcore, Taschenbuch, 2011.
176 Seiten
8,99 Euro

Heyne Hardcore
Airen
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„Krieger in Gottes letztem Reich“

 

„Hart, eingängig, tanz- bar!“ Stahlmann haben hohe Ansprüche an ihr neues Album „Quecksilber“. Ob sie ihnen aber auch gerecht werden können?
Die CD enthält neun Tracks, die Limited Edition zusätzliche vier. Mit „Engel der Dunkelheit“ beginnt das Werk. Langsame Klänge und die tiefe Stimme von Martin Soer, der auch gleich verlangt, dass die Engel leiden. Es ist ein guter, eher ruhiger Auftakt der Scheibe.
Ganz anders sieht es da schon mit „Spring nicht“ aus. Auch wenn der Titel an Tokio Hotel erinnert, der Text tut es nur bedingt. Hier schreit der Sänger: „Spring, spring, spring!“ bis gegen Ende des Refrains endlich das „Nicht“ kommt. Sehr schön: Während der Strophen bekommt man das Gefühl, man würde laufen, wie der besungene Junge, der genug hat vom Leben. Hier gehen die Melodien mit Geschichte mit.
Passend zum Titel „Tanzmaschine“ bietet der Sound eine gute Grundlage, um sich zur Musik zu bewegen, die mit einfachen Drums, E-Gitarre-Klängen und Keyboard auskommt. Inhaltlich wird man stets zum Tanzen im Einheitstakt aufgefordert.
Ein bisschen muss ich an Rammsteins „Engel“ denken. „Asche“ kommt mit ähnlichen Passagen aus und würde Soer nicht einen anderen Text ins Mikro hauchen, würde man kaum einen Unterschied erkennen.
Ihrem Anspruch, hart zu sein, werden die Stahlmänner beim nächsten Song gerecht. Was man im Industrial-Metal-Gothik-Bereich als hart bezeichnen kann, wird bei „Mein Leib“ aufgeboten, auch wenn sicherlich noch mehr möglich wäre. Das beweisen die beiden dann mit „Am Grunde“. Kraftvoll beginnt die E-Gitarre das Thema zu spielen – das leider schon wieder an die Kollegen von Rammstein erinnert. Dafür hat das Lied aber Hymnencharakter und der getragene Refrain ist leicht eingängig.
„Goetter“ und auch „Schmerz“ sind schöne Stücke, die mit viel E-Gitarre auskommen und durchaus Möglichkeiten zum Tanzen bieten. Auch die Köpfe können hierzu geschüttelt werden. Da achtet man ausnahmsweise weniger auf die Texte, die bei anderen Stücken im Vordergrund stehen.
Eher bedrohlich wirkt der Gesang bei „Diener“. Da bleiben die instrumentalen Passagen im Hintergrund.
Der erste Bonustrack „Herzschlag“ holt aus, um dem Album den letzten Schliff zu geben. Ruhige Strophen und etwas härtere Tonarten im Refrain, der leider ebenfalls an andere Bands erinnert, etwa an Tanzwuts „Ihr wolltet Spaß“ oder ähnliches. Vor allem der Gesang lässt einen an Teufel denken. Darauf folgen zwei Versionen von „Tanzmaschine“ und der Club Remix von „Mein Leib“.
Das Booklet ist in Schwarz, Silber und Rot gehalten. Wenig aufdringlich passen die Bilder zu den Themen mancher Songtexte, die ebenfalls abgedruckt sind. So sieht man ein menschliches Herz oder wohl Herakles, der Cerberus fest im Griff hat, um ihn lebendig vor Eurystheus zu bringen.

„Quecksilber“ soll hart, eingängig und tanzbar sein? Musikalisch wird durchaus immer wieder auf die Instrumente eingedroschen. Eingängig sind die Texte, die man bereits nach dem ersten Hören mitsingen kann und auf die anscheinend – und völlig zurecht – besonderer Wert gelegt wurde. Sie stehen deutlich im Vordergrund des Albums. Tanzbar? Nun, man kann auf fast alles tanzen und wer sich gerne auf Industrialklänge bewegt, der kommt bei diesem Album auf seine Kosten.
Leider muss ich aber sagen, dass mir das Album zu sehr nach anderen Bands klingt. Es gibt viele Parallelen zu Rammstein, Oomph!, oder gesanglichen Parts von Tanzwut und anderen. Das minimiert ein bisschen die Euphorie über das neue Werk von Stahlmann, die ab 20.01.12 mit Project Pitchfork und dem neuen Album im Gepäck auf Tour sind.
Die Anschaffung würde ich dennoch empfehlen, denn für sich betrachtet ist es ein gutes Album geworden, das hält, was es verspricht.

Anspieltipp: „Schmerz“


Stahlmann – Quecksilber
AFM Records
VÖ: 20.01.12
9,99 Euro (Ltd. Edition: 15,99 Euro)
Amazon

Tracklist:
Engel der Dunkelheit
Spring nicht
Tanzmaschine
Asche
Mein Leib
Am Grunde
Goetter
Schmerz
Diener

Limited Edition Bonus
Herzschlag
Tanzmaschine (Single Version)
Tanzmaschine (Club Remix)
Mein Leib (Club Remix)

Umbra und Niko spalten den Hirsch

Es ist 20 Uhr in Nürnberg und die Bühne betritt ein einsamer Mann mit seinem Cello. Darf ich vorstellen: Umbra, so heißt das Instrument und der Musiker ist Nikolaus Herdieckerhoff. Zusammen sind sie Cellolitis. Bereits hier merkt man die Leidenschaft und die Freude an der Musik. Bei der allgemeinen Abstimmung über die Vorgruppe bei einem Konzert von Coppelius im Dezember in Berlin – damals gewannen die Piraten von Vroudenspil – bewarb sich der Künstler. So entstand der Kontakt zum Kammercore und anscheinend auch eine Freundschaft. Begeistert erzählt Niko auf der Bühne, dass er mit den Herren im Tourbus, ein Nightliner, fahren darf und welche Ehre es ist, gemeinsam mit ihnen auf der Bühne zu stehen. Ja, manchmal redet er ganz schön viel und erzählt von sich, aber es wird nicht langweilig. Seine Lieder sind selbstgeschriebene Kompositionen oder Eigeninterpretationen großer Werke. Das spricht nicht jeden an. Manche verlassen den Hirsch für die Dauer des Auftritts. Ein bisschen fehlt die Freude in der Musik, die Leichtigkeit, das Einstimmen auf das Konzert. Getragen und sehr ernst geht es auf der Bühne zu, wenn Niko über die Saiten streicht, aber er spielt mit viel Bass und Leidenschaft. Da oben ist es ziemlich dunkel. Nur ein grünlicher Scheinwerfer beleuchtet den Mann mit Hut und Umbra. Irgendwann folgt eine lange Ansage, die davon berichtet, wie Niko zum Cellospielen gekommen ist. Niemand scheint richtig hinzuhören, aber als er am Ende sagt, dass es ihm „scheißegal“ ist, dass das nächste Stück ein recht Bekanntes Werk von Bach ist, da jubeln viele. Hinter mir werden Stimmen laut, die vermuten: „Es wird nur gejubelt, weil er scheißegal gesagt hat.“ Vielleicht ist das so.
Niko scheint teilweise etwas nervös zu sein, wie das Publikum meint, vergreift er sich, spielt falsche Töne. Doch später erfahre ich im Gespräch mit dem Künstler, dass dies keineswegs der Fall war. Das war seine eigene Interpretation und gehörte dazu. Natürlich betritt bald der selbsternannte beste Klarinettist der Welt die Bühne und spielt mit Cellolitis zusammen „Begala E Vena“, die ein paar Tage zuvor schon auf youTube gestellt wurde. Sie passen gut zusammen, die Klarinette und das Cello.
Das vorletzte Stück stellt eine musikalische Untermalung zu Radionachrichten dar. Es geht um Krieg, Leid, Hunger, Tod. Schüsse sind zu hören und wenn man die Augen schließt, sieht man die Bilder aus dem Fernsehen, Bilder vom Krieg, die leise unterlegt werden mit Musik, damit sie noch tragischer rüberkommen. „2017“ heißt das Stück und es gefällt absolut nicht jedem. Die Leute, die um mich herumstehen hoffen, dass dieses Jahr die Welt untergeht, wenn das die Musik ist, die es 2017 geben wird.
Das Publikum ist geteilter Meinung, jubelt und applaudiert aber trotzdem und zollt dem jungen Künstler Respekt. Ich selbst bin sehr zwiegespalten und werde erst mal die beiden CDs anhören, bevor ich mich festlege.

Der Bart ist ab – Coppelius präsentieren sich bestens gelaunt

 

Die Umbaupause ist ziemlich sinnlos, es gibt nämlich gar nichts, das umgebaut werden müsste. Aber die Herren Coppelius lassen sich Zeit. Man ist ja schließlich im gesetzten Alter und das Auditorium kann ruhig warten. Als es endlich dunkel wird, schleicht Butler Bastille mit seiner Laterne auf die Bühne. Wie immer sieht er sich um, ob alles in Ordnung ist, entdeckt die Zuschauer und wählt eine Person aus, die die Lampe auspusten soll. Danach geht alles schnell. Unter großem Jubel des gut gefüllten Hirschs schreiten die Herren auf die Bühne. Kleiner Besetzungswechsel: Der Butler ergreift die Sticks und bearbeitet das Drumset. Nobusama steht stattdessen am Mikro und grölt den bekannten Iron Maiden Song „Running Free“ durch den Saal. Es ist ein sehr guter Auftakt, der gleich die richtige Stimmung bringt. Nach dem ersten Lied werden aber die Plätze wieder getauscht. „Der Advokat“ wird mit passendem Abscheu vorgetragen und bereits jetzt kann man erkennen, dass die Herren ungewöhnlich gut drauf sind. Comte Caspar – mit überraschend wohlgestutztem Bart – lässt sich zu kleinen Scherzen hinreißen, auch musikalischer Art, die seinen Kollegen Max Coppella beinahe aus dem Konzept bringen, muss er doch lachen und gleichzeitig singen. Graf Lindorf schneidet hinter seinem Cello Grimassen, wie der treue Fan es zwar gewohnt ist, jedoch wirkt er gelassener als sonst. Dieses Mal geht er sogar ein Risiko, hat er anscheinend beim Textlernen geschludert. Vielleicht hat ihn auch die besungene „schöne fremde Frau“ aus dem Takt gebracht. Während die Musik brav weiterspielt, sucht er nach Worten, blickt sich verzweifelt um und das Auditorium ist ausnahmsweise nicht schnell genug und kann nicht aushelfen. Prof. Mosh Terpin wuselt immer wieder auf der Bühne herum. Mit seinem Werkzeugkasten ist er mittlerweile zum festen Bestandteil der Liveauftritte geworden und spielt Cembalo.
Dem Butler scheinen die Feiertage nicht ganz so gut bekommen zu sein. Er ist noch schüchterner als sonst, druckst gespielt herum und gibt schließlich zu, dass ihn Menschen nervös machen. Dabei deutet er auf die Herren, die ihre Instrumente neustimmen. Coppelius haben nachgefragt, was die werten Hörer gerne auf der Setlist hätten. Anscheinend wünschte man vor allem die älteren Stücke, denn es wurde auf „Morgenstimmung“, „Urinstinkt“ und das Motörhead-Cover „1916“ zurückgegriffen. Doch das neuere „Ma Rue A Moi“ darf nicht fehlen und Comte Caspar fordert einmal mehr lautstark Anerkennung. Dabei läuft ein gespielt eifersüchtiger Max Coppella hinter ihm auf der Bühne – sein Mienenspiel spricht Bände und sagt genau, was er von seine Kollegen hält.
Auf mehrfachen Wunsch hin haben Coppelius das von Eric Fish geschriebene und auf dem Album „Tumult“ veröffentlichte Lied „Rightful King“ neuinterpretiert. Bastille singt nun auf ganz eigene Weise von dem hochgelobten König. Auch die Melodie wurde abgeändert, beginnt sanfter, erhabener, was zum Text passt. Erst als der Mob im Text auftritt, kann man wieder nach Herzenslust headbangen. Genau das wird auch getan.

Comte Caspar hatte sich etwas Besonderes ausgedacht: Dieses Mal sollten nicht zwei sondern vier Gruppen den Gumbagubanga-Kanon anstimmen. Seine Aufteilung in „Gum“, „Bagu“, „Bang“, „Ga“ erwies sich als etwas unglücklich. Das Publikum nicht in der von ihm gewünschten Lautstärke – und mit fehlendem Ernst – seiner Aufforderung zum Singen nach.
Die bekannten „Ausziehen“-Rufe werden von der Band unterstützt, der Butler ist allerdings wenig begeistert und fordert seinerseits das Publikum dazu auf. Drei junge Männer werfen erst ihre Shirts auf die Bühne und dürfen selbige dann betreten, um ein Becken zu schlagen – und dabei Drumsticks zu zerstören.
Begeistert ist man von der Stille im Saal, als die Herren einmal mehr ihre Instrumente neu stimmen. Das war bisher nie der Fall.
Auf die Bühne geworfene Gerbera werden liebevoll in Empfang genommen, eine wird gerupft und schließlich teilweise verspeist. Dem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, war sie nur mäßig delikat.
Ein Geburtstagskind wird schließlich nach vorne geholt, bekommt eine Blume geschenkt und darf den „Guten Ton“ auf der Triangel anschlagen. Dann kommt auch schon das letzte Lied, die Herren verbeugen sich und gehen. Aber das geschätzte Auditorium klatscht und ruft voller Inbrunst „Da capo“, so dass schon bald wieder der Butler – mit Staubwedel – zurückkommt. Nach zweimaligem Schreien stürmt die Band an ihre Instrumente und weiter geht’s. Für ein Stück dürfen Niko und Umbra noch mal ihr Können unter Beweis stellen. Da haben sich wohl zwei Bands gefunden. Der Cellist bringt als kleines Dankeschön eine Flasche Met mit auf die Bühne, die Caspar sogleich köpft. Allerdings fehlen Gläser, was Graf Lindorf von gar nichts abhält. Er müsse arbeiten, spricht er und nimmt einen tiefen Schluck aus der Flasche. Schließlich tun es ihm seine Kollegen gleich und die Musik geht wieder los.
Das letzte Lied zwingt uns wieder auf die Knie. „Ade mein Lieb“ braucht eben einen entsprechenden Rahmen.
Unter großem Jubel und frenetischen Applaus verlassen die Herren die Bühne und freuen sich auf die kommenden Konzerte.

Es war ein toller Abend. Coppelius haben viel Freude an der Musik und ihrer Show und haben dies heute außerordentlich unter Beweis gestellt. Auffällig: Sie haben in Instrumente und Verstärker investiert, die Klarinetten klingen klarer und Herr Voss am Bass ist endlich auch zu hören. Einen neuen Silberling gibt es zwar erst 2013, aber bei solch grandiosen Auftritten, warten wir doch gerne.
Meine Herren: Da Capo!

„Das Licht ist zurückgekehrt“

 

Nach einem schweren Unfall liegt Miriams Mutter im Koma. Als sie wieder erwacht, sorgt sich die Tochter rührend um Thea und nimmt sie bei sich auf. Scheinbar findet sie schnell wieder ins Leben zurück und kümmert sich um die alten Bewohner im Haus. Doch eines Tages wird Martin Gärtner vergiftet in seiner Wohnung aufgefunden und der Polizei fehlen Spuren und Motiv. Lange tappen sie im Dunkeln, bis eine zweite Person aus dem Wohnhaus stirbt. Auch um sie hatte sich Thea gekümmert. Ist sie eine kaltblütige Mörderin oder alles nur Zufall? Die Kommissare Ehrlinspiel und Freitag sind ratlos. Aber was hat es mit dem seltsamen Nachbarn auf sich, der mit einem Fernrohr die Gegend absucht? Und wieso ist der Arzt der beiden Opfer so nervös?

„Mein wirst du bleiben“ ist der zweite Roman von Petra Busch. Bereits mit ihrem Debüt „Schweig still, mein Kind“ hat sie Erfolge feiern können. Ihre Krimis spielen in Freiburg und Umgebung und haben alles, was das Genre braucht. Zwei befreundete Kommissare mit ihren Eigenheiten – so sammelt Moritz Ehrlinspiel Kochrezepte für seine Kater Bentley und Bugatti. Leichen, die plötzlich irgendwo auftauchen und fehlende Motive. Außerdem ist da noch Hanna Brock, eine Journalistin aus Hamburg, die ihre Nase in alles stecken muss, was sie nichts angeht.
Das zweite Buch von Busch ist flüssig zu lesen. Die Verwicklungen machen Spaß und sorgen für die nötige Spannung. Immer wieder lotst die Autorin den Leser auf eine Fährte, wer der Mörder sein könnte. Man fiebert mit, verdächtigt mal die eine, mal die andere Figur und ist völlig baff, wie Busch die Geschichte auflöst.
Eine gute Ortskenntnis ist zu erkennen und die Beschreibungen der Umgebung machen es einfach, sich alles vorzustellen. Auch werden die Charaktere gut beschrieben. Ihr Innenleben ist mit Liebe zu Details offengelegt. Dadurch wird es möglich gemacht, sich leicht in die einzelnen Personen hineinzuversetzen. Die Neugierde der Presseleute, die Ungeduld der Staatsanwältin, ein träger Polizist und natürlich das Tratschweib aus dem Haus. Weder überzogen noch zu aufdringlich schreibt Petra Busch und man kann sich die Ereignisse gut in der Nachbarschaft vorstellen.
Es macht Spaß, dieses Buch zu lesen. Ohne lange Aufenthalte beim Pathologen zu schildern und langweilige Erzählungen über zu ausführliche Polizeiarbeit, die man zur Genüge aus „CSI“ kennt. Zu viel will ich aber nicht verraten, sonst ist der Überraschungseffekt weg. Hilfreich scheint allerdings der Blick in „Schweig still, mein Kind“. Damit versteht man die Verbindung zwischen Ehrlinspiel und Brock und weiß, was zwischen beiden bereits geschehen ist und auf welche Ereignisse Bezug genommen wird.
Eine Geschichte, spannend bis zur letzten Seite.

„Doch die Schwingen des Bösen haben sich abermals über dich gebreitet, haben dich davongetragen, dich mir gestohlen.“ (Mein wirst du bleiben, S. 8)

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Petra Busch – Mein wirst du bleiben
Kriminalroman, Knaur Taschenbuch Verlag, 2011.
Seiten: 441.
9,99 Euro

Knaur Taschenbuch Verlag
Petra Busch
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Heavy Metal is still alive!

 

Vanderbuyst

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Pünktlich um 19.00 betreten die niederländischen Newcomer Vanderbuyst die Bühne des bis dahin noch recht übersichtlich gefüllten Werks und starten in ihr Retro-Hardrock-Set, das uns in die Zeiten der seligen Rainbow, der Anfangstage von Iron Maiden und überhaupt ganz weit zurück in die Geschichte des Hardrock/Heavy Metals führt. Das 2008 gegründete Trio mag zwar blutjung sein, doch es überzeugt mit Professionalität, Können, Spielfreude, bestens eingeübten klassischen Rockposen und großer sympathischer Ausstrahlung. Die Setlist speist sich aus ihren bis dato zwei erschienen Alben, Vanderbuyst und In Dutch, und bei Titeln wie „Kgb“, „Tiger“, „Into the fire“, „Stealing your thunder“ oder „From pillar to post“ gehen immerhin die ersten Reihen vor der Bühne schon ordentlich ab, und der Rest der Halle bringt der Band zumindest interessiertes Wohlwollen entgegen. Um mich herum hörte ich auch diverse Leute sagen, sie seien explizit wegen Vanderbuyst (und Grand Magus) zu dem Konzert gekommen, und das ist für eine junge Band doch ein schönes Kompliment. Dem ich mich uneingeschränkt anschließe, ich hatte mich auf Vanderbuyst gefreut und wurde nicht enttäuscht. Weiter so, Jungs!

 

Skull Fist

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Ebenfalls pünktlich um 20.00 betritt eine weitere hochgelobte Newcomerband die Bühne, Skull Fist aus Kanada, genauso jung wie Vanderbuyst, genauso stilsicher im Auftreten, Posing und der gespielten Musik, wenn auch eher im klassischen Heavy (Speed) Metal der Achtziger verhaftet, was vor allem am – zumindest für meine Ohren – gewöhnungsbedürftigen sehr hohen Gesang lag. Doch auch hier überzeugen Professionalität, spielerisches Können, gesangliche Sicherheit, sympathische Ausstrahlung und mitreißende Songs, so dass sich das Werk zunehmend füllt und vor der Bühne ein immer größeres Nest aus jungen und nicht mehr ganz so jungen Kuttenträgern die Haare schüttelt und begeistert die Fäuste gen Bühne reckt. Die 2006 in Toronto gegründete Gruppe heizt die Stimmung mit einer guten Auswahl aus ihren zwei bisher erschienen Alben Head of the pack und Heavier than metal an, Songs wie „Commit to rock“, „Sign of the warrior“, „No false metal“, „Like a fox“ oder „Heavier than metal“ zünden und machen einfach Spaß. Einen besonderen Sympathiepunkt bekommt der Bassist, der mit einem herzhaften „München, trinken ein Bier! Prost, Motherfuckers“ die Lacher auf seiner Seite hat.

Nach einer halben Stunde verlassen die Kanadier die Bühne, um sich dann später unters Publikum zu mischen und von Autogrammjägern umringt zu werden. Guter Auftritt!

 

Steelwing

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Mit – den ebenfalls kaum bartwüchsigen, um den Metal-Nachwuchs muss man sich wirklich keine Sorgen machen – Steelwing aus der schwedischen Kleinstadt Nyköping wird die Riege der drei schwedischen Bands des heutigen Abends eingeleitet. Stilistisch sehr nahe an Skull Fist, was für mich den einzigen, winzigen Kritikpunkt an dem Abend bedeutet hat, da das Ganze dann mit der Zeit ein klein wenig eintönig wurde. Das soll aber keinesfalls eine Kritik am Auftritt von Steelwing sein, die souverän und gekonnt über die Bühne fegen und nicht nur modisch – Spandex und Leggins selbstbewusst getragen, jawohl! – voll überzeugen. Die 2009 gegründete Truppe hat bisher ebenfalls zwei Alben auf den Markt gebracht, Lord of the wasteland und Zone of alienation, die sich stilistisch auch fest in den 80ern bewegen, zuzüglich eines nicht ganz kleinen Hammerfall-Einschlages. Das Stimmungslevel während rasant und mitreißend vorgetragener Songs wie „Full speed ahead“, „They came from the skies“, „Lunacy rising“, „Sentinel hill“ oder „The illusion“ bleibt im Publikum anhaltend gut, das Werk füllt sich immer mehr, und die jungen Schweden erhalten mehr als wohlwollenden Applaus, als sie um kurz nach halb zehn die Bühne verlassen. Auch von mir Daumen hoch für die junge Band, deren Gitarrist vor dem Auftritt noch ganz schüchtern mit einer Tüte seines lokalen schwedischen Supermarktes auf die Bühne schlich und daraus seine ganzen Effektgeräte und Kabel zog. Später poste er dann aber wie ein ganz Großer.

 

Bullet

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Mit den 2001 gegründeten Bullet betritt um 22.00 die bis dato dienstälteste Kapelle des Abends die Bühne, und sofort ist Party im mittlerweile richtig vollen Werk angesagt. Die Schweden um Frontplauze und Wuschelkopf Hell Hofer ballern einen Kracher nach dem anderen in bester AC/DC-Tradition in die Menge, überstrahlt vom kultigen Band-Backdrop aus Glühbirnen. „Highway pirates“, „Back on the road“, „Turn it up loud“, „Stay wild“, „Roadking“, „The rebels return“ oder „Bang your head“ sind die Ansagen für den heutigen Abend, und das Publikum folgt ihnen nur zu gern. Nach einer Dreiviertelstunde verabschieden sich die schwedischen Rampensäue und lassen als Pausenfüller einen Rock’n’Roll-Song der schwedischen Kultband Nationalteatern laufen – hat wahrscheinlich nicht alle in der Halle so gefreut wie mich, aber ich fand’s doch sehr putzig.

 

Grand Magus

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Um 23.00 ist es dann soweit, die großen Grand Magus betreten die Bühne, die mit einer schwedischen Fahne als Backdrop geschmückt ist, und werden frenetisch begrüßt. Seit ihrem ersten Album im Jahr 2001 haben sie sich kontinuierlich von ihren Stoner/Doom-Anfängen hin zu gewichtigem, melodiösem und teils mit nordischer Mythologie und Folklore angereichertem Heavy Metal entwickelt, der vor allem von JBs wirklich ganz wunderbar anzuhörender Stimme und den epischen Melodien lebt. Mit „I, the jury“, dem Eröffnungstrack ihres aktuellen Albums Hammer of the north, legt das Trio auch gleich gewaltig los, und überall in der Halle fliegen die Haare. Mein persönliches Lieblingslied „Like the oar strikes the water“ vom Albumvorgänger Iron will heizt die Menge mit einem unvergesslichen Refrain und ordentlich Tempo weiter an, das später mit „Kingslayer“ vom Album Wolf’s return noch rasant gesteigert wird. Eine Atempause bekommt man erst bei „Ravens guide our way“ zugestanden, einem wuchtigen, langsamen, erhabenen Banger. Nach den Songs „Wolf’s return“ und „Hammer of the north“ ist es leider auch schon Zeit für die Zugabe, bei der Grand Magus mit „Iron will“ noch mal ordentlich Stimmung machen, um dann um Punkt Mitternacht die Bühne zu verlassen – offensichtlich musste der Zeitplan strikt eingehalten werden. Den letzten Punkt auf der Setlist, „13. Saufen“, hat die Band dann aber sicher noch absolviert.

 

Fazit: Ein rundum gelungener Abend, bei dem es in fünf Stunden keine Sekunde wirklich langweilig wurde, mit einer guten Mischung aus hochtalentiertem Nachwuchs und etablierten Bands, die sich – bis auf die erwähnten Skull Fist und Steelwing – stilistisch genügend voneinander unterschieden, aber dennoch ein repräsentatives Bild der aktuellen klassischen Heavy-Metal-Szene abgaben. Ich hatte jedenfalls einen Riesenspaß, und das, obwohl ich eigentlich gar nicht die typische Zielgruppe für den klassischen Metal bin. Das spricht doch eindeutig für die Bands des Abends, wenn selbst eine Black- und Death-Metal-Jüngerin wie ich mächtig Spaß inne Backen hatte. Gerne wieder!

 

Russland der Zukunft?

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Die Opritschnina ist eine Elitegarde im Russland des Jahres 2027, das von einem absoluten Herrscher, dem Gossudar, regiert wird. Mithilfe seiner Elitetruppe, die besondere Befugnisse hat und in offiziellem Auftrag so gewalttätig wie möglich gegen Regimekritiker vorgehen soll, hält er sich an der Macht, hat Russland allerdings auch vom restlichen Europa isoliert. Nur China steht Russland zur Seite, die Bevölkerungen beider Länder haben sich bereits zum Teil vermischt, doch herrscht auch große Rivalität zwischen den beiden Reichen. Geschildert wird ein Tag im Leben eines der Mitglieder der Opritschnina, Andrej Danilowitsch Komjaga, der eine hohe Stellung genießt. Die Gesellschaft, in der er lebt, ist eine seltsame Mischung aus einem zaristischen Russland (erkennbar an Sprache und Kleidung der Leute sowie an geradezu übertrieben anmutender Gottes- und Heiligenverehrung) und Science-Fiction-artigen Elementen wie Sprech-Bild-Blasen, in denen Leute zu einem Gespräch geschaltet werden können, ohne physisch anwesend zu sein.
Der Leser folgt Komjaga durch einen ganzen Tag mit seinen vielfältigen Aufgaben: Das Haus eines Regimegegners wird niedergebrannt, seine Frau dutzendfach vergewaltigt; geplante Opern- und Musikaufführungen werden kontrolliert, ob sie auch dem russischen Geist entsprechen; zwischendurch wird kurz mal ans andere Ende des Reiches geflogen, um die Chinesen über den Tisch zu ziehen und Gewinn für die Opritschnina-Kasse zu machen; und noch viele weitere Einsätze, die die Herrschaft des Gossudaren festigen und für Zucht und Ordnung im Land sorgen sollen. Gleichzeitig wird aber auch die dekadente Seite des Lebens der Opritschniks, der Herrscherelite, geschildert, Drogentrips, Koks, Alkohol und Massenkopulationen.

Das Buch hat keinen großen Umfang und ist flott geschrieben, so dass es sich recht schnell lesen lässt. Doch man sollte sich durchaus Zeit dafür nehmen, um sich die von Sorokin so drastisch skizzierte Zukunftsvision besser vergegenwärtigen zu können, die dann bei näherer Betrachtung gar nicht mehr so zukünftig wirkt. Er zeichnet ein Russland unter einem absoluten Herrscher, der sich mit einer Leibgarde umgibt, die alle Regimekritiker unerbittlich verfolgt – kommt einem jetzt nicht so unbekannt vor, wenn man an das moderne Russland denkt. Viele Anspielungen werden dem nicht-russischen Leser sicher leider entgehen, doch das Gesamtbild ist sehr deutlich unter der Überzeichnung in Personal und Handlung.
Die Sprache ist eine oft verstörende Mischung aus sehr altmodischen Sätzen und brutalster Umgangssprache, die sicher nicht leicht ins Deutsche zu übertragen war und teilweise auch nicht ganz treffend ist, was allerdings durch die wirklich exzellente Übersetzung einiger sehr langer Gedichte und Lieder im Buch wieder wettgemacht wird.
Personenzeichnung und Charaktere spielen in dieser Art Buch keine Rolle, hier wird Wert auf die Botschaft und die parodistische Überzeichnung gelegt, auch der Plot ist vernachlässigbar, da es ja um die Darstellung eines Tages aus dem Leben eines Vertreters einer bestimmten Gruppe Menschen geht. Nahe kommt einem Andrej Danilowitsch nicht, aber das soll auch gar nicht sein.
Erwähnen sollte man allerdings die sehr expliziten und vollkommen gefühlskalt geschilderten Gewaltszenen, die in ihrer Direktheit und Übertreibung zum Gesamtkonzept passen, doch sicher nicht jedermanns Sache sind, ebenso wie die äußerst rüde Sprache an vielen Stellen.

Keine leichte Kost, meiner Meinung nach auch nicht Sorokins bestes Buch, ganz sicher keines, das man um des Lesegenusses willen konsumiert, aber in seiner Gesamtheit und offenen Regimekritik ein doch wichtiges Buch.

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Vladimir Sorokin, Jahrgang 1955, ist ein russischer Schriftsteller und Dramatiker, der mit seinen Werken und Äußerungen schon seit der Sowjetzeit immer wieder ins Fadenkreuz der russischen Regierung gerät. In Deutschland bekannt geworden ist er vor allem durch die sogenannte „Eis-Trilogie“, bestehend aus den Büchern Ljod, Bro und 23.000, die lesenswerte Beispiele für seinen ganz speziellen Schreibstil und seine gekonnte Vermischung verschiedenster Erzähltechniken darstellen.
Mehr zu Sorokin und seinen Büchern: Perlentaucher.de

 

Verlag: Heyne Hardcore
Übersetzer: Andreas Tretner
Ausgabe: TB, 221 Seiten
Preis: € 8,95

Verlag – Vorsicht, hier ist noch der alte Preis angegeben.
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„Einen Hexer oder eine Hexe
sollst du nicht leben lassen…“

Der junge Novize Gair wird der Hexerei beschuldigt und nach langer Folter dem alten Präzeptor Ansel vorgeführt. Der gesamte Rat erwartet die Todesstrafe – doch Ansel entscheidet sich dafür, den Jungen stattdessen zu brandmarken und zu verbannen. In seine Handfläche wird das Zeichen der Hexerei gebrannt und man lässt ihn laufen – allerdings ist er als Vogelfreier nun zum Abschuss freigegeben. Als ein mysteriöser Fremder auftaucht, der Gair seine Hilfe anbietet, hat der Junge kaum eine andere Wahl. Sein geheimnisvoller Begleiter heißt Alderan, und schafft den noch immer verwirrten und verletzten Ex-Novizen außer Landes, natürlich nicht ohne gewisse Schwierigkeiten, denn die Entscheidung des Präzeptors ist unter den fundamentalistischen Mitgliedern der Kirche nicht auf Verständnis gestoßen. So wird ein Hexenjäger auf ihn angesetzt, der Gair und Alderan auf ihrer mühsamen Reise das Leben schwer macht. Endlich außer Landes kehrt ein wenig Ruhe ein und Alderan eröffnet Gair, dass auch er die „Lieder der Erde“ hören kann, der „Sang“, die Grundenergie des Universums, die alles durchfließt, und die wenigen, die diese Lieder hören können, werden zur Magie befähigt. Außerdem bietet er ihm an, ihn mit auf die Westinseln zu nehmen, wo es eine Schule gibt, in der man ihn lehren kann, seine Fähigkeiten einzusetzen, denn bisher war Gair eher intuitiv und zufällig auf den Sang in ihm gestoßen. Da der ehemalige Novize weder Freunde noch Familie hat, entschließt er sich, mit Alderan zu kommen, und trotz weiterer Fallen des Hexenjägers und eines komischen Vogels namens Savin gelangen sie schließlich zu den Inseln.
Hier erhält Gair seine Ausbildung, obwohl sich schon beim Einstufungstest am ersten Tag herausstellt, dass er weit überdurchschnittlich begabt ist. Als sich zeigt, dass er offenbar neben Meisterin Aysha der einzige weit und breit ist, der seine Gestalt wandeln kann, wird diese auf ihn aufmerksam…
Die Zeit könnte schön und ruhig sein, wären da nicht die schrecklichen Nachrichten des Wächters Masen, der berichtet, dass der Schleier zwischen den Welten zerbricht. Als Gair auf einem Ausflug unerwartet angegriffen und lebensgefährlich verletzt wird, wird langsam klar, dass die Kirche, die Jagd auf Hexen macht, eigentlich das geringere Problem ist, und plötzlich scheint ein Kampf unvermeidbar…

„Die Lieder der Erde“ basiert auf einer wunderbaren Idee, die versucht, zwischen realer historischer Inquisition und High-Fantasy zu balancieren. Es wird eine sehr große und komplexe Welt skizziert, doch leider spürt man, je weiter man voran kommt, dass eigentlich außer der Grundidee nicht viel Neues dabei ist. Spätestens ab der Ankunft von Gair und Alderan in der Schule hat man mehr und mehr den Eindruck, dass eine Idee, die für etwa 100 Seiten gereicht hätte, auf 557 gestreckt wurde, und dass für viele Details, die eine Welt lebendig machen, die Ideen fehlten – daher findet man durch das ganze Buch verstreut Szenen, Beschreibungen und Rassen, die verdächtig an „Herr der Ringe“, Terry Pratchett, „Harry Potter“ und sicher noch ein halbes Duzend weiterer Fantasy Romane erinnern. So zum Beispiel die astolanische Prinzessin Tanith, Heilerin, die eine Art Elbin ist, deren Rasse zwischen den Welten lebt und sich aus den Angelegenheiten der Menschen heraushalten möchte, besonders ihr Vater drängt sie dazu, doch sie ist verliebt in den jungen Gair – klingt verdächtig nach Arwen und Elrond. Ebenso Gair und Savin, beide von Geburt an bemerkenswert begabt, doch Savin sein Leben lang böse – ein bisschen Harry und Voldemort?
Auch stilistisch fallen auf den zweiten Blick zum Teil Mängel auf. Cooper versucht, sehr ausdrucksstarke und malerische Vergleiche zu ziehen, meist gelingt das auch gut, aber manchmal passieren dabei einfach grobe Schnitzer. In etwa muss Masen sich beeilen, um vor der Dunkelheit durch eine Schlucht zu reiten, es ist fast Winter und die Sonne geht sehr schnell unter, die ganze Szene vermittelt Hektik und Panik. Der Vergleich, dass das Licht dabei so schnell schwindet, wie die Hitze aus einer abkühlenden Schmiede, ist ziemlich danebengegangen – soll das heißen, es ist nach drei Tagen immer noch hell? Auch kleinere Logiklücken finden sich, so ist zum Beispiel Gair mittags im Bad, und hängt dort ganz allein seinen Gedanken nach (mit der Betonung, er ist ganz allein weil es schon MITTEN am Tag ist!), dann kommt er nach draußen und plötzlich liegt ein Balkon noch im Schatten der Morgensonne.
Oft wird einem einzelnen Handlungsstrang so viel Aufmerksamkeit geschenkt, dass man die anderen vollkommen vergisst und sich dann wundert, wo eigentlich bestimmte Personen hin sind, und man sich dann erst mal wieder erinnern oder gar zurückblättern muss, wer da eigentlich gerade wieder aufgetaucht ist. Generell haben wenige Personen wirklich Tiefe bekommen, die meisten scheinen eher „Füllmaterial“ zu sein.
Gair, der Alleskönner, wirkt etwas zu heroisch. Gerade nach Folter aus der Institution geworfen, die jahrelang sein Zuhause darstellte, von Rittern und Hexenjägern durchs halbe Land gehetzt, kommt er in Hogwa… pardon, im Kapitelhaus an und kann im Grunde so gut wie alles, obwohl er vorher nie geübt hat und seine Fähigkeiten vor der Kirche verstecken musste.
Die Übersetzung ist ebenfalls nur teilweise gelungen, ich kann zwar keine direkten Beispiele anführen, da ich nur die deutsche Version gelesen habe, aber an vielen Stellen klingen Formulierungen holprig, nicht organisch, als hätte man nicht die richtigen Worte gefunden. Auch die Erwähnung eines „Dicken Kusses“ scheint in einem Roman, der versucht, auf einer hohen sprachlichen Ebene zu bleiben (wie es sich für High Fantasy gehört) etwas fehl am Platze, doch derartige Stilbrüche sind nicht selten. Einerseits drückt man sich sehr gewählt und höflich aus, andererseits gleiten dann beinahe flapsige, modern-umgangssprachliche Bemerkungen hinein. Auch einige grammatikalische Fehlerchen haben sich eingeschlichen.
All dies wäre einzeln genommen nicht weiter tragisch, aber wenn man einmal darauf aufmerksam wird, ist es schwer, das Buch weiterzulesen ohne immer mehr zu bemerken, was den Lesespaß zumindest für mich doch gemindert hat.
Zusammenfassend ist „Die Lieder der Erde“ ein durchschnittlicher moderner Fantasy Roman mit einigen wirklich schönen, neuen Grundideen, der dann mittelmäßig ausgebaut wurde. Die Kombination aus alttestamentarischen Elementen des katholischen Glaubens mit einer Tolkien-Welt ist ein sehr interessanter Ansatz, wirkt jedoch nicht organisch umgesetzt. Mich hat es kaum gefesselt, ich konnte das Buch problemlos mehrere Tage zur Seite legen, ohne dieses nagende Gefühl, unbedingt weiterlesen zu wollen.
Natürlich muss man sagen, dass es heutzutage sehr schwer ist, eine wirklich neue Fantasy Geschichte zu schreiben, weil so vieles schon da war. Doch hier sind die Ähnlichkeiten zu gleich mehreren anderen Werken nur mit viel gutem Willen zu übersehen.
Offenbar werden noch 2 Teile folgen, es sind auch einige lose Enden an den Handlungssträngen übrig. Vielleicht wird es ja mit der Übung etwas besser, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass Millionen von Menschen sich den nächsten Band um Mitternacht am Erscheinungstag mit Sonderboten von der Post liefern lassen. Der erste Roman von Elspeth Cooper ist okay, kann für mich jedoch höchstens ein erster Versuch sein, und ich hoffe, dass die nächsten Bände in sich stimmiger sein werden.

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Elspeth Cooper – Die Lieder der Erde
Heyne, Paperback, 2011
558 Seiten
14,99 €
Ebook: 11,99€

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Der Charles Manson von Sparta, New Jersey

New Jersey, Juni 1964. Ray ist mit zwei Freunden unterwegs und trifft auf ein – wie er annimmt – junges Lesbenpärchen im Wald. Aus einer Laune heraus schleicht er sich nachts an deren Lager und will sie erschießen. Eine junge Frau ist sofort tot, die andere liegt vier Jahre im Koma, bis sie endlich stirbt. Doch dem Schützen ist nichts nachzuweisen.
August 1969. Mittlerweile ist Ray beliebt bei den Frauen im beschaulichen Sparta und nimmt, was er kriegen kann. Er dealt mit Haschisch, kokst und ist auch sonst kein angenehmer Zeitgenosse. Vor seinen Wutausbrüchen haben vor allem die langjährigen Freunde Tim und Jennifer Angst. Als zwei Frauen ihn abblitzen lassen und Jennifer auch nicht mehr mit Ray ins Bett gehen will, rastet er aus. Sein Amoklauf durch Sparta beginnt und fordert viele Opfer…

„The Lost“ beruht auf einer wahren Begebenheit. Nur eine Woche nach den Charles-Manson-Morden läuft Ray Pye Amok und tötet sieben Menschen auf grausame Weise. Das Buch beginnt allerdings mit den ersten Morden an den zwei scheinbaren Lesben. Ray hat einfach mal Lust drauf, einen Menschen zu töten, weil er die Macht spüren will. Ein Mädchen kann fliehen und liegt vier Jahre lang im Koma. Ist nicht so gut gelaufen, denkt er. Nicht, weil die junge Frau vielleicht leidet, sondern weil sie vom Tatort flüchten und ihn womöglich als Täter identifizieren könnte – wozu es jedoch nie kam.
In einem langen Teil erzählt Jack Ketchum die Woche vor dem Amoklauf. Pye, seine Freunde und die Frauen Sally und Katherine, die er neu kennenlernt und unbedingt flachlegen will, werden beschrieben. Es gelingt, ein perfektes Bild des Seelenlebens der Hauptakteure darzustellen und ihre Perspektivlosigkeit zu beschreiben. Jennifer hat keinen Abschluss und braucht den spendablen Ray, der Haschisch verkauft, das Tim von einem Postfach abholt. Sally sucht einen Job für den Sommer und schmeißt zweimal hin, zusätzlich hat sie eine Affäre mit einem erheblich älteren Expolizisten. Und Katherine? Ihre Mutter ist schizophren und in einer Klinik, ihr Vater ist wohlhabend und sie scheint sehr genau zu wissen, was sie will. Als ihre Mutter jedoch stirbt und Katherine für Ray nicht verfügbar ist, wird er sauer und ihm fehlt das Verständnis dafür.
Ketchums Erzählung wird immer durchbrochen von kurzen Berichten über Gimp, einer heimatlosen Katze. Das lockert ein bisschen auf. Denn obwohl über zweihundert Seiten nicht wirklich viel passiert, bauen sich Spannung und Unbehagen auf. Man spürt, dass Ray irgendwann ausrasten muss. Er ist latent aggressiv und der Autor kann dies sehr gut vermitteln. Zwischendurch geschehen die Manson-Morde, ein kleine Zwischenspiel scheinbar, doch was alle in Entsetzen stürzt, fasziniert Pye – und als er später ausrastet, scheint er eben genau diese Morde nachstellen zu wollen. Vor nichts und niemandem weicht er zurück, als er die Waffen nimmt, ins Auto springt und seine drei Frauen entführt – eine Blutspur hinter sich herziehend.
Das Buch hat mich gefesselt und berührt. Die Brutalität und die Kälte, die Ray umgeben werden derart drastisch dargestellt, dass man glaubt, man kenne ihn. Ein faszinierendes Werk, für das Ketchum allem Anschein nach viel recherchiert hat, um so weit wie möglich am wahren Geschehen zu bleiben. Im Gegensatz zu „Evil“ ist sein neuester Roman nicht durchgehend grausam, sondern hat zu Beginn und zum Ende hin seine blutigen Momente. Dazwischen gelingt mit viel sprachlichem Feingefühl ein Seelenstriptease der verlorenen Protagonisten.

„Wir sollten sie abknallen. Du warst nie jagen, Jen, deshalb kannst du das nicht verstehen. […]Man sieht es in ihren Augen. In einem Moment ist alles okay […]. Und im nächsten Moment sind sie in der Karnickelhölle.“ (The Lost, S. 13)

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Jack Ketchum – The Lost
Heyne-Hardcore, 2011.
432 Seiten
19,99 €, Gebundene Ausgabe.
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