„Die Monster sind erwacht“

Polizistin Lina ahnt nicht, was es für Folgen haben wird als sie Carolin die Tür öffnet. Völlig paranoid warnt diese vor Monstern, die kommen werden. Beide Frauen kennen sich aus einer Gruppentherapie, doch da Lina mit der Vergangenheit abschließen will, schickt sie Carolin davon. Es vergehen nur ein paar Stunden und Lina steht vor der Leiche der jungen Frau, die bestialisch ermordet wurde. Als eine weitere Teilnehmerin ebenfalls einen grausamen Tod findet, bleibt Lina nichts anderes übrig: Sie muss zurück in die Vergangenheit und das dunkle Geheimnis lösen.

Ein blaues Auge voller Angst sah mich vom Cover des Buches an, ich las den Klappentext und meine Neugier war geweckt. Bereits andere Rezensionen lobten das Buch in hohen Tönen. Ich wollte mir nun selber einen Blick verschaffen.
In den ersten Seiten gewinnt der Leser einen kleinen Einblick in das Leben und die Psyche der Polizistin Lina. Sie wird im Laufe des Buches als sehr intelligente Frau beschrieben, die aber nie auffallen will, sich deswegen unter Wert verkauft und sich immer im Hintergrund hält. Ihre Psyche ist sehr labil, sie leidet unter Panikattacken. Hier gibt es bereits die ersten Anzeichen einer schwierigen Kindheit. Hin und wieder werden die Kapitel unterbrochen mit Rückblicke in die Vergangenheit. Diese muss man sehr genau verfolgen und aufmerksam lesen. Dem Leser wird durch diese Einblicke schnell bewusst, warum Lina versucht ihre Kindheit zu verdrängen. Aber auch der Rest des Buches fordert sämtliche Konzentration. Teilweise war es mir zu chaotisch, zu verstrickt, denn Polizistin Lina ist immer unterwegs und hin und wieder passieren zu viele Ereignisse hintereinander. Es kann schon mal passieren, dass sie in zwei Seiten an drei oder vier verschiedenen Orten zu finden ist.
Aber wie sie selber sagt: „ Bewegung ist alles.“
Ein schönes Zitat: „Nach dem Leben wird’s immer unterirdisch. Dabei stellt Lina sich die Fahrt im Leichenwagen noch am schönsten vor. Bewegung ist immer gut.“ (S. 118)
Ein schwarzer Humor, der nicht ganz zu dem unsicheren Charakter passt.

Die Geschichte ist sehr gut, der Autor schaffte es mich bis zum Schluss im Unklaren zu lassen. Gerade auch mit den vielen verschiedenen Protagonisten spielt Herr Koglin perfekt, alle sehr gut beschrieben, mit Lebensgeschichte und Gefühlen. Und das ohne groß auszuschweifen. Ich hatte keine Vermutung, wer der Täter sein könnte, es war absolut nicht vorhersehbar. Das hat mir sehr gut gefallen.

Für mich einer der besten Psychothriller, den ich gelesen habe. Ausgefeilte Geschichte, starke Charaktere, ein fließender Text und viel Spannung. Alles was ein Buch haben muss, damit man tief eintaucht und erst dann wieder in die Realität zurückkehrt, wenn man damit fertig ist. Und es gab einen Mord, den ich so auch noch nicht gelesen habe, der mich allerdings ziemlich schockierte und ekelte. Und wenn das jemand schafft, heißt das einiges.

Michael Koglin, geboren 1955 in Büdelsdorf / Schleswig-Holstein, studierte Politische Wissenschaften. Vor, während und nach dem Studium betätigte er sich unter anderem als Lagerarbeiter, Reißwolf-Bediener, Videofilm-Vorführer, Kraftfahrer, Bildungsarbeiter, Schauermann, Politologe, Friedensforscher, Kaffeeröster, Preisauszeichner und Privatsekretär (von Hans Eppendorfer).
Seit 1982 ist er freier Journalist und Schriftsteller mit einem literarischen Gemischtwarenladen. Neben Kriminalromanen verfasste er Kurzgeschichten, Kinder- und Sachbücher. Daneben entstanden Rundfunkbeiträge, Reportagen sowie Drehbücher für das ZDF und den Kinderkanal.
Michael Koglin lebt in Hamburg. (Quelle: krimi-couch.de)

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Autor: Michael Koglin – Seelensplitter
Goldmann (19. November 2012)
320 Seiten
8,99 Euro

Kindermund tut Wahrheit kund

 

Robert Stern ist ein renommierter Strafverteidiger in Berlin. Sein Leben besteht jedoch aus Einsamkeit und Verbitterung, nachdem es das Schicksal in der Vergangenheit nicht sehr gut mit ihm meinte. Sein neuer Auftrag, das ahnt er aber noch nicht, wird sein Leben völlig umkrempeln. Er trifft auf den zehnjährigen Simon, der behauptet, vor 15 Jahren mehrere Menschen ermordet zu haben. Der aufgeweckte Junge bittet den Anwalt um Hilfe. Robert Stern weiß zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass er selber bald Hilfe benötigen wird, um aus dem Chaos von Verstrickungen und Vorfällen wieder herauszukommen.

Sebastian Fitzek wurde 1971 in Berlin geboren, von wo aus er heute als Journalist und Autor für zahlreiche Hörfunkstationen und TV-Sender tätig ist. „Das Kind“ ist der dritte Psychothriller des Schriftstellers. Nach diesem sollten noch weitere spannende Werke wie „Der Augensammler“ oder „Der Augenjäger“ folgen.
Am 18.10.2012 wird dieser Roman als Verfilmung Einzug in die deutschen Kinos halten. Das war hauptsächlich der Grund für mich, vorab dieses Buch zu lesen. Wie sich herausstellen sollte, war dies keine schlechte Entscheidung.
Im Vordergrund der Geschichte steht die abstruse Idee des kleinen Simon, der vor 15 Jahren diverse Morde begangen haben soll. Simon ist ein lebensfroher, aber leider auch kranker Junge. Doch mit seiner unbeschwerten Art schafft er es, das gesamte Buch über seinem Anwalt Robert eine gewisse Ruhe zu übertragen, die er auch benötigt. Sonst wäre dieser vermutlich schon längst vor einen Zug gesprungen. Stern hingegen ist sehr ängstlich, hat immer jemanden bei sich, der ihm zu Hilfe eilen könnte, wenn Gefahr droht. Er ist vollkommen verwirrt von allem. Zumal dann auch noch eine DVD auftaucht, die ihm zu verstehen gibt, dass das traurige Ereignis in seiner Vergangenheit gar nicht so stattgefunden hat. Er ist in so vielen verschiedenen emotionalen Situationen gefangen, dass man beim Lesen eigentlich nur darauf wartet: Wann dreht er jetzt durch?
Unterstützung für seine Nachforschungen bekommt Stern von einem Ex-Sträfling und der Krankenschwester Carina. Man muss genau aufpassen, um mitzubekommen, welche Ereignisse diese mit dem Anwalt verbinden.
Der Autor versteht sein Handwerk. Mit ausschweifenden Sätzen und genauen Beschreibungen gelingt es ihm, den Leser an die Geschichte zu binden, so dass man das Buch nicht wieder weglegen kann. Interessiert und gespannt verfolgte ich die Leidenswege und Erfolge des kleinen Teams, in dem die Mitglieder unterschiedlicher nicht sein können. Doch gerade diese Unterschiede lassen keine Langeweile und keine zähen Passagen entstehen.
„Stern hatte in den letzten Stunden viel gesehen: Leichen mit eingeschlagenen Schädeln, Tote in Arztpraxen und Kühlschränken. Menschen waren vor seinen Augen zusammengeschlagen, erhängt und hingerichtet worden. Er hatte den Anblick eines Kindes ertragen müssen, das verzweifelt versuchte, durch eine Plastiktüte zu atmen, während ein nackter Mann vor ihm durch das Zimmer tanzte.“ ( S. 305 )
Es gibt verschiedenen Rezensionen, die bemängeln, dass man nicht mitfühlen oder mitleiden könnte. Ich empfand es anders. Ich habe mit Simon, Robert und Carina gelitten und vor allem bei Roberts Rückblick in die tragische Vergangenheit mitgefühlt. Ich hoffe doch sehr, dass der Film dem Buch in nichts nachstehen wird. Bin gespannt, wie die Schauspieler dieses Werk auf der Leinwand zum Leben erwecken.
Fazit: Für mich eins der spannendsten Sebastian Fitzek Bücher, die ich gelesen habe. Er schafft es, mit seinem Schreibstil den Leser in das Buch zu ziehen. Die Bilder, die Fitzek mit seinen Wörtern erschafft, dringen tief in die Psyche ein und ließen mich direkt an der Geschichte teilhaben.
Für den Film konnte Regisseur Zsolt Bács einige internationale Schauspieler ins Boot holen. Ben Becker, Eric Roberts oder Peter Greene werden im Oktober den Charakteren des Buches ein Gesicht geben.

Verlag: Knaur
Autor: Sebastian Fitzek
394 Seiten
9,99 Euro

Al Andalus

 

Die MaurinGranada am Ende des 15. Jahrhunderts: Hier lebt die 13-jährige Zahra as-Sulami inmitten ihrer wohlhabenden Familie. Ihr Vater ist einer der Berater des Emirs von Granada und Zahra hat als Gesellschafterin von Aisha, der Erstfrau des Emirs, Zutritt zur Alhambra, der Perle Andalusiens. Aisha benutzt Zahra immer wieder als Spitzel, um über die Vorgänge am Hof informiert zu sein, da sie selber im Comaresturm arrestiert ist. Bei einem ihrer Lauschgänge begegnet Zahra Gonzalo, einem Abgesandten der Königin Isabel von Kastilien; dieses männliche Wesen fasziniert sie, bis sie später auf seinen Bruder Jaime trifft…
Im Auftrag von Aisha erlebt Zahra einige geheime und gefährliche Reisen innerhalb ihrer Heimat, die sie auch gegen den Willen ihres Vaters und ihrer Familie macht, um dem muslemischen Andalusien im Kampf um dessen Freiheit und gegen die Christen zu helfen. Sei es um Boabdil, den Sohn der Herrscher ihrer Heimat zur Rückkehr zu bewegen oder auch als Begleiterin des Sohnes von Boabdil als Pfand zu den königlichen Hoheiten des christlichen Kastilien.
Zahra ist anders als ihre Geschlechtsgenossinnen, rebellischer, möchte mehr Eigenverantwortung für ihren Lebensweg (entgegen den muslemischen Gepflogenheiten) – und erkämpft sich dies im faszinierenden, untergehenden Reich al-Andalus mit einigen Mühen, Rückschlägen und auch Erfolgen.

Diese Geschichte birgt viele interessante Schilderungen der muslemischen Bräuche im Reich des Emir von Granada: Man ist beim Besuch im Hamam, der abenteuerlichen Befreiung eines Sklaven durch Zahra und ihrer Schwester innerhalb der Mauern Granadas dabei, man erlebt die Kampfbereitschaft der Mauren, um ihre Heimat zu verteidigen und die der Christen, um Andalusien endgültig zu erobern und vieles mehr. Ferner gibt es auch aufregende Geschehnisse innerhalb der Familie von Zahra, die dieses Buch lesenwert machen. Der Zauber der einstmals herrlichen Alhambra wird darin gut beschrieben – für mich ein gutes Buch (wenn auch erst für mich fesselnd nach dem ersten Viertel der 661 Seiten).
Sehr hilfreich ist die namentliche Vorstellung der Hauptpersonen am Anfang des Buches. Aus dieser ersieht man auch, dass einige der Beschriebenen wirklich in der Geschichte Andalusiens nachgewiesen sind. Interessant wäre auch eine Karte, die hier allerdings fehlt (aber da hilft Wikipedia weiter).
Im Kopf entstehen während des Lesens Bilder der Alhambra, Andalusiens, von Kämpfen der Mauren gegen die Christen, man ist verstrickt in die Glücks- wie Unglücksfälle innerhalb der Familie as-Sulami, Zahra nimmt den Leser mit auf ihre Reisen bzw. ihren Lebensweg. Die Geschichte zieht einen förmlich zu diesem Ort und der damaligen Zeit.

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Lea Korte: Die Maurin
Knaur Taschenbuch Verlag, Febr. 2010
€ 9,95
Amazon
Homepage von Lea Korte

Tankstop mit Folgen

 

Hopkins Bend ist ein Städtchen, das seit Jahrzehnten ein grauenvolles Geheimnis hütet. Jedes Jahr im Sommer zu einer bestimmten Zeit verschwinden Touristen von den umliegenden Straßen. In den Wäldern hausen die inzüchtigen Einwohner und amüsieren sich mit ihren besonderen Fängen. Jessica, Hoke, Pete und Megan begegnen dieser Horde und erleben die unmöglichsten und grausamsten Sachen, die sie sich nicht mal in ihren schlimmsten Träumen vorstellen können.

Der Festa Verlag ist bekannt dafür, amerikanische Horror- und Psychothriller zu importieren. Es sind hauptsächlich Werke, die bei großen Verlagen keine Chance haben, weil die Geschichten einfach zu gewagt, zu neuartig und zu extrem sind. So auch die Bücher des amerikanischen Autors Bryan Smith, der sich in den letzten Jahren auf das Niveau von Richard Laymon, Jack Ketchum oder Edward Lee gekämpft hat.
Immer wieder wurde ich durch verschiedene Rezensionen auf diesen Schriftsteller aufmerksam gemacht. Schließlich siegte die Neugier und mein erster Bryan Smith Horrorthriller lag vor mir: “Verkommen”
Der Klappentext klang schon recht vielversprechend, vermittelte aber noch einen zurückhaltenden Eindruck. Auch aus dem Cover des Buches konnte ich nicht wirklich viel auf die Geschichte schließen. Umso gespannter war ich also.
Die ersten Seiten führen den Leser in die Lebensgeschichte von Jessica ein. Diese wurde bei einem privaten Autokauf vergewaltigt und sinnt nun auf Rache. Die Tochter eines hochrangigen Soldaten kennt da natürlich keine Scheu und quält ihren Peiniger nach allen Regeln der Kunst, bis sie auf die Waldeinwohner trifft und selber zur Gejagten wird. Dieser Geschichtsverlauf wird unterbrochen von der tragischen Trennung von Pete und Megan. Ein junges Pärchen auf der Durchreise, welches nach einem Tankstop in die Fänge der Einwohner gerät. Neben diesen Einblicken erfährt der Leser aber auch die Geschichte der Inzuchtfamilien. Abby ist eine von ihnen und hadert mit ihren Gefühlen zu ihrem Fang. Sie verliebt sich und möchte fliehen.
Ich war fasziniert von den Charakteren, wie jeder einzelne sich weiterentwickelte, an Kraft und Mut zunahm, bzw. was Hass, Frust und Wut aus einem Menschen machen können. Oder wie aus einem “Monster” eine so rührselige und einfühlsame Person werden kann. Bryan Smith hat ein sehr tolles Talent gerade diese Emotionen bildstark rüberzubringen.
Der Wechsel zwischen den Geschichten passierte immer wieder in den spannendsten Momenten und wie gefesselt und gebannt las ich mich durch die Seiten von Kapitel zu Kapitel.
Bis zu diesem Buch hatte ich gemeint, schon sämtliche skurrile und bizarre Morde bzw. Abschlachtungen zu kennen, aber Bryan Smith schafft es, noch einen draufzusetzen. Es geht noch ekliger, blutiger und sadistischer als es Brett McBean oder Richard Laymon schon zeigten. Selbst Jack Ketchum wird da ein wenig in den Schatten gestellt. Die Stellen im Buch “Verkommen”, an denen ich das Gesicht angewidert verziehen musste, häuften sich umso weiter ich mich eingelesen hatte. Ich dachte, ich wäre durch die verschiedenen Rezensionen genug vorbereitet, aber selber lesen ist halt doch immer was anderes. Ein kleines Manko gab es: So sehr das Buch mich faszinierte, die Story erinnerte mich ein wenig an Jack Kilborns “Das Hotel”. Aber nur ein wenig.
Fazit: Bryan Smith ist für mich nach Brett McBean der nächste Autor, der es beherrscht, mich an ein Buch so zu binden, dass ich es nicht mehr aus der Hand legen kann, auch wenn mich oft der Ekel packte und ich hin und wieder kopfschüttelnd über den Seiten hing. Ich werde mir definitiv noch weitere Werke von ihm zulegen und auch diese wieder verschlingen. Es lebe die amerikanische Horrorliteratur! Selbst Marcel Reich-Ranicki hat Festa gestanden: „Kein Zweifel, auch jenseits des Atlantiks wird nur mit Wasser gekocht, aber die dortigen Schriftsteller beherrschen ihr Handwerk sicherer und besser als die meisten der unsrigen.“ (Zitat zu lesen auf www.festa-verlag.de)

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Festa Verlag
377 Seiten
Autor: Bryan Smith
13,95 Euro

 

 Ausfahrt gesucht!

Tony und Tammy sind auf dem Weg zu einer Dinnerparty. Dazu müssen sie in eine Einfamilienhaussiedlung in Eagle Hill. Dort angekommen suchen sie stundenlang nach der richtigen Adresse. Da aber alles gleich ausschaut und sie auf Hilfe der anscheinend geistig nicht anwesenden Bevölkerung verzichten müssen, irren sie ziellos umher. Dann verschwindet Tammy, ist nicht mehr auffindbar. Tony ist verzweifelt und auf sich alleine gestellt, bis er auf eine merkwürdige Truppe trifft: Die Ultrafuckers.

„Ich schreibe Bücher für aufgeschlossene Menschen“, so lautet Carlton Mellicks Leitmotto. Beeinflusst haben ihn vor allem Kinderbuchautoren, sagt er, zum Beispiel Roald Dahl oder Antoine de Saint-Exupery. In vielen seiner Bücher sieht er auch eher Kindergeschichten für Erwachsene. Gerade das Seltsame und Fremdartige verleitet die Menschen, zu seinen Werken zu greifen. Nachdem ich die „Kannibalen von Candyland“ schon gelesen hatte, wurde es wieder Zeit, den nächsten Mellick in die Hand zu nehmen. Titel und Cover des Buches „Ultrafuckers“ reichten mir schon, um es in meinen Warenkorb zu legen. Zudem sollten dieses Mal die Seiten orange gehalten sein. Wie schon erwähnt: Ungewöhnliches lockt.
Die Geschichte liest sich schnell und flüssig, neugierig und gespannt verfolgt man die Suche Tonys nach seiner Frau und dem Ausgang aus der Siedlung. Einen Moment gab es, an dem ich mich fragte: Wann geht es denn mal los mit Bizarro-Fiction? Diese schlich sich aber dann schließlich zwischen die Zeilen und beruhigt las ich weiter. Nachdem Tony die Ultrafuckers, verrückte japanische Punks, entdeckt, beginnt die Fiction. Eine Welt, gesteuert von Maschinen und Robotern, eine Welt, die sich immer wieder erneuert, immer gleich ausschaut, die Menschen in ihre molekularen Bestandteile umwandelt. Tony und seine neuen japanischen Ultrafuckers versuchen das zu verhindern.
Will der Autor uns damit darauf aufmerksam machen, dass wir selber dabei sind, die Welt zu zerstören, dass wir einfach nur zusehen und nichts unternehmen? Sind wir selber schon zu Robotern geworden, passen uns an? Ist es gut, wenn es solche Gruppierungen gibt, die sich auflehnen und uns wachrütteln? Wir sehen alles als selbstverständlich an, was, wenn die Roboter den Spieß umdrehen?

Mellick gibt mit diesem Werk nur einen kleinen Einblick in sein kreatives und abgedrehtes Hinterstübchen. „Ultrafuckers“ ist ein Buch, welches mich jetzt nicht ganz so faszinierte. Gegenüber dem Roman “Die Kannibalen von Candyland“ fehlt es dem Buch ein wenig an fesselnden Elementen. Wer jedoch ein Mellick-Fan ist, sollte sich schon allein wegen der Geschichte das Buch in sein Regal holen.

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Festa Verlag
Autor: Carlton Mellick III
123 orange Seiten
12,80 Euro (Hardcover)

Die Liebe einer Mutter ist unendlich

 

xinran

Chinesische Hebammen auf dem Land bekommen für die Geburt eines Jungen den dreifachen Lohn – weibliche Säuglinge müssen sie ertränken oder werfen sie in einen Abfalleimer. Oft muss die Mutter selbst diese Aufgabe übernehmen – ein Mädchen ist eine Schande, keine Hilfe für die Familie, kann kein Land erben, und die chinesische Ein-Kind-Politik ist strikt.
Junge Frauen geben ihre neugeborenen Kinder – fast immer Mädchen – weg, setzen sie vor Waisenhäusern und Krankenhäusern aus, weil sie sich nicht um die Kleinen kümmern können, weil sie Schande über die Familie bringen, weil sie ihre Arbeit verlieren würden.
Selbst Eltern geben gemeinsam ihre Kinder weg – setzen eine Tochter an einem Bahnhof aus, geben eine Tochter zur Adoption frei.

Sind diese Menschen, diese Einwohner eines modernen Chinas, alles herzlose Monster? Nein, im Gegenteil. Jede Mutter, die sich aus welchem Grund auch immer von ihrer Tochter trennen, sie im schlimmsten Fall auf Druck der Familie sogar töten muss, leidet ihr Leben lang Höllenqualen. Von diesen Frauen berichtet die bekannte chinesische Autorin und Journalistin Xinran, die im Laufe der Jahre auf ausgedehnten Recherchereisen durch ganz China die erschütternden Lebensgeschichten gesammelt hat.

Seit den Achtziger- und Neunzigerjahren werden immerhin vermehrt chinesische Mädchen ins Ausland adoptiert, doch aufgrund der katastrophalen Verhältnisse in den örtlichen Waisenhäusern und der nicht existenten Aktenführung wissen diese Mädchen nicht das Geringste über ihre Herkunft und wachsen in dem Glauben auf, ihre chinesischen Mütter hätten sie schlicht nicht gewollt.

Für diese Mädchen hat Xinran Wolkentöchter geschrieben und um den chinesischen Müttern die Chance zu geben, ihre Trauer und die Umstände der Trennung von ihrem Kind zu schildern. Das Buch ist ihr aber auch ein persönliches Anliegen, da sie von beiden Seiten betroffen ist. Zwar kennt Xinran ihre leiblichen Eltern, doch die gaben sie schon als Kleinkind zu Verwandten, um sich voll und ganz der Kulturrevolution und der Umgestaltung des Landes widmen zu können. Xinran weiß also sehr gut, wie es sich anfühlt, nicht gewollt zu sein. Und sie hat eine Tochter verloren – eine wenige Monate alte Waise, die sie einige Zeit als Pflegekind bei sich aufnahm. Adoptieren durfte sie Kleiner Schnee nicht, da sie bereits einen leiblichen Sohn hatte, selbst die Pflege hätte ernsthafte Konsequenzen nicht nur für sie, sondern auch für ihre Kollegen beim Rundfunk gehabt. Schweren Herzens musste Xinran die geliebte Tochter an ein Waisenhaus geben, das schon kurz darauf abgerissen wurde; die Kinder wurden auf andere Institutionen verteilt … die Spur von Kleiner Schnee verliert sich an diesem Punkt.

Wolkentöchter ist ein herzzerreißendes Buch, das stellvertretend am Beispiel einiger Frauen vom Leid ganzer Generationen von Müttern erzählt. Von einer teils immer noch archaischen Gesellschaft – vor allem auf dem Land –, die sich nur langsam wandelt und auch weiblichen Säuglingen Achtung entgegenbringt. Von zwar moderneren Städten und einer moderneren Lebensweise, doch auch sexueller Unaufgeklärtheit und unerwünschten Schwangerschaften. Und von der Möglichkeit der Ultraschalluntersuchung, von den staatlichen Repressionen, wenn die Ein-Kind-Politik nicht eingehalten wird.
Gleichzeitig ist es auch ein wunderschönes Buch, weil darin so viel Liebe enthalten ist – die Liebe von Müttern zu ihren Töchtern. Unbedingt lesenswert!

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Xue Xinran, 1958 in Beijing geboren, war in China eine sehr bekannte Journalistin und Moderatorin einer einflussreichen Radiosendung namens „Verborgene Stimmen“. Seit 1997 lebt die Autorin mit Mann und Sohn in England.
Einen Namen hat sie sich vor allem mit einfühlsamen Interviews gemacht; sie besitzt das einzigartige Talent, dass Chinesen und vor allem chinesische Frauen sich ihr öffnen und ihr ihre Lebensgeschichten erzählen. In ihren Büchern verarbeitet Xinran seit Jahren ihre Erfahrungen, mal in dokumentarischer, mal in romanhafter Form. Alle ihre Werke geben hervorragende Einblicke in eine für uns Westler immer noch sehr fremde Gesellschaft, in ein Land, das wie kaum ein anderes dieser Welt während der Kulturrevolution von Grund auf umprogrammiert wurde und dessen Einwohner sich erst seit einigen Jahren davon emanzipieren.

2004 hat Xinran eine Organisation namens Mother’s Bridge of Love gegründet, die adoptierten chinesischen Mädchen helfen soll, ihre leiblichen Mütter zu finden bzw. ihnen die Gründe zu vermitteln, warum sie in ein Waisenhaus gegeben wurden. Mehr Infos dazu unter: http://www.mothersbridge.org/

Wer mehr von dieser großartigen Autorin lesen möchte: Verborgene Stimmen, Die namenlosen Töchter, Chinesen spielen kein Mao Mao, Gerettete Worte sowie Himmelsbegräbnis (mein persönliches Lieblingsbuch von ihr und auch sonst), sind auf Deutsch erschienen, alle bei Droemer bzw. im Taschenbuch bei Knaur.

http://www.xinranbooks.co.uk/

Titel der englischen Originalausgabe: Message from an unknown chinese mother. Stories of love and loss
Übersetzer: Ulrike Wasel und Klaus Timmermann
Verlag: Droemer
Preis: 18,99 € (HC-Ausgabe) bzw. 16,99 € (Kindle-Ausgabe)

 

Verlag

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 Eine Insel für Kinder mit besonderen Fähigkeiten – und Monster, die auf der Suche nach ihnen sind…

978-3-426-28368-4Riggs, Insel der Kinder_Druck

Cover

Jakob liebt seinen Großvater und dessen abenteuerlichen Geschichten aus dem Waisenhaus über alles: Geschichten von kleinen Mädchen, die schweben können, von Hugh, dem Jungen, in dem Bienen wohnen, und dem unsichtbaren Zimmergenossen begleiten ihn durch seine Kindheit hindurch, bis Jakob zu alt wird, um ihm die Märchen zu glauben. Sein Vater sagt ihm, dass sein Opa durch pures Glück den Nazis und ihrer Vernichtungsmaschinerie entkommen ist und seine augenlosen Monster nicht mehr sind als übersteigerte Phantasien. Weiterlesen

Der Schmerz ist ein Nebeneffekt des menschlichen Körpers, der so mangelhaft ist, dass man wesentliche Verbesserungen nur erreicht, wenn man das Vorhandene ausrangiert und ganz von vorne anfängt.

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Charlie Neumann ist ein Genie und am liebsten bei der Arbeit. Er entwickelt für den riesigen Techno-Konzern Better Future Kunststoffe, eine Tätigkeit, die es ihm erlaubt, wenig mit anderen Menschen in Kontakt treten zu müssen. Zu dumm, dass er Schlafen, Essen und Kacken muss, überhaupt ist sein Körper seinem Verstand eigentlich nur ein Klotz am zerebralen Bein. Dieser Zustand wird sogar noch schlimmer, als Charlie einen Arbeitsunfall erleidet, bei dem ihm eine riesige Presse ein Bein amputiert. Nicht, dass ihn der Verlust einer Gliedmaße sonderlich nahe ginge, wesentlich schlimmer sind die in seinen Augen vollkommen unzureichenden Prothesen. Warum ein Bein mangelhaft nachbilden, wenn man doch ein besseres bauen könnte? Wieder zurück an seinem Arbeitsplatz demontiert Charlie das verhasste Ersatzbein, um es anschließend zu überarbeiten. Jetzt ist sein künstliches Bein besser als das natürliche, das ihm geblieben ist – der Fall ist klar: Das Bein muss ab! Weiterlesen