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Rache – Der stärkste Grund zu leben

Detective Robert Hunter wird zu einem Tatort gerufen, der grausiger kaum sein kann. Ein Priester wurde enthauptet und auf dem Rumpf steckt ein Hundekopf. Was zunächst nach einer Einzeltat aussieht, entpuppt sich bald als Werk eines Serienmörders, der seine Opfer auf bestialische Weise tötet und dabei immer deren größte Angst real werden lässt. Nach langer Suche werden Hunter und sein Partner Garcia fündig: Die Morde geschehen aus Rache, doch fehlt vom Täter weiterhin jede Spur. Schließlich treffen sie die siebzehnjährige Mollie, die hellsichtig ist und kurze Momente der Verbrechen miterlebt. Zeitgleich treibt der „Slasher“ in L.A. sein Unwesen und tötet junge Frauen. Werden Hunter und Garcia die nächsten Morde verhindern können?

Das Buch beginnt mit einer Folterszene, bei der ich die Zähne zusammenbeißen musste. Drei Schüsse mit der Nagelpistole ins Knie – da brauch ich nicht mehr den Hinweis des Autors, dass das Opfer schreit. Nicht minder brutal geht es weiter: Immer ekliger und grausamer werden die Morde. Beim zweiten beschriebenen Tötungsdelikt wird nicht nur Detective Garcia übel. Die Beschreibung der verkohlten Leiche und des geschmolzenen Gesichts ist hinreichend ausführlich.
Mit vielen Details beschreibt Chris Carter, was der Täter seinen Mitmenschen antut und wie brutal und rücksichtslos er dabei vorgeht. Aber auch das Seelenleben wird beschrieben. Dabei schöpft der Bestsellerautor wohl aus seinen eigenen Erfahrungen als forensischer Psychologe in L.A.
Ein bisschen seltsam erscheint die Figur Mollie. Passt eine Hellsichtige wirklich in einen Thriller dieser Art? Ja, tut sie. Wenngleich nicht immer ganz logisch in den Verlauf der Handlung eingebunden, ist ihre Rolle für diese Geschichte wichtig. Dafür ist der Protagonist Hunter umso typischer für einen amerikanischen Polizisten. Natürlich erzählt er seinem neuen Captain Barbara Blake nicht alles, setzt sich über deren Anweisungen hinweg, ist gutaussehend und bekommt jede Frau ins Bett – lässt aber die aufdringliche Reporterin abblitzen. Die stirbt übrigens auch, leider bleibt das Motiv auf der Strecke. Außerdem bricht der Polizist mal eben in das Haus eines möglichen Verdächtigen ein, ist eher ein Einzelkämpfer und beschützt die verstörte Mollie. Die Figur des Robert Hunter ist etwas zu trivial, zu sehr wie so viele andere Detectives, sei es Linley aus den Elisabeth George Krimis, Jenner aus Jonathan Hayes‘ Thrillern oder Dr. Hunter aus der Beckett-Reihe.
Dennoch bleibt das Buch von der ersten bis zur letzten Seite spannend und macht es dem Leser sehr schwer, es wegzulegen. Der Magen sollte allerdings leer sein.
„Der Vollstrecker“ ist das zweite Werk des Brasilianers Chris Carter, der mit „Der Kruzifixkiller“ auf Anhieb einen Verkaufshit landete. Man muss das Erstlingswerk nicht gelesen haben, um alle Zusammenhänge zu verstehen, aber schaden kann es nie.

:buch: :buch: :buch: :buch: :buch:


Chris Carter – Der Vollstrecker
Ullstein-Taschenbuch, 2011
488 Seiten
9,99 Euro

Ullstein
Chris Carter
Amazon

Viel Schmerz und nackte Haut

 

schatten

Im verschneiten Wien wird bereits die dritte junge Frau gekreuzigt vorgefunden. Der nackte Körper ist übersät mit Striemen von einer Peitsche. Marcus Wolf, ehemaliger Polizist und durch eine Erbschaft vor acht Jahren Besitzer des bekanntesten SM-Clubs der Stadt wird in die Ermittlungen einbezogen. Alle Spuren führen zu seinem Edel-Bordell und er ist der einzige, der über die nötigen Kontakte zur Szene verfügt, um den Täter zu identifizieren. Doch Wolf plagen plötzlich Zweifel, ob alles, was er im „Dominion“ und mit seinen drei Subs tut so richtig ist. Was hat der Erbonkel zweien von ihnen angetan und welche Verbindungen hatte er, dass ein altes Video einer Kreuzigungssession im Internet auftauchen konnte und nun nachgestellt wird? Ein geplanter Rachefeldzug gegen Wolf oder Sadisten, die keine Grenzen kennen und mit einer unbekannten Substanz ihre Opfer willig machen? Doch viel Zeit für Nachforschungen bleibt nicht mehr, denn über das nächste Opfer wird bereits im Internet abgestimmt und in drei Tagen ist Deadline…

Der Roman fesselt. Gleich mit einem Tatort beginnend, wartet man darauf, dass dieser Strang der Geschichte weitererzählt wird. Doch die Verwicklungen führen in die Vergangenheit, erzählen ein bisschen von damals, vor acht Jahren, als Marcus Wolf noch Polizist war und keinen Kontakt zu seinem Onkel hatte. Bei der Sitte hat Wolf genügend Puffs von innen gesehen, doch das „Dominion“ ist etwas anderes: Ein BDSM-Schuppen, der zu den bekanntesten Wiens gehört.
Dass die ganze Story damit zu tun hat, mag kaum verwundern. Der Umfang jedoch schon – und alle großen und kleinen Geständnisse, die ans Licht kommen.
Andras, der Autor, erzählt sehr feinfühlig, wie es in der BDSM-Welt zugeht. Er beschreibt krasse Sexszenen, malt Sessions in blutigen Farben und irgendwo dazwischen findet sich auch mal Blümchensex unter Stinos. Sein Protagonist Marcus Wolf war auch mal so ein Stino, ein Stinknormaler eben, der mit Peitschen, Handschellen, Ball-Gags und Paddels nicht viel zu tun hatte. Er ist verheiratet mit einer seiner drei Subs und kein Dom aus Leidenschaft. Vielmehr kämpft er mit sich, muss sich teilweise dazu zwingen, Caro, Amber oder Jacqueline wehzutun. Doch nach all den Jahren hat er sich daran gewöhnt und muss feststellen, dass er Gefallen daran gefunden hat, seine Liebsten zu demütigen, ihnen wehzutun oder sie an andere auszuleihen. Was wie ein No-Go klingt, ist in der Szene üblich und gar nicht so verwerflich, wie es erscheint. Durch die Zweifel des Protagonisten an seinen neuen sexuellen Vorlieben, durch seine Angst, die Grenzen zu überschreiten, erfährt der Leser, der mit der Szene nicht viel zu tun hat, dass hinter BDSM keine skrupellose Gewalt steht, keine harten Kerle, die gerne Frauen dominieren, die sich nicht wehren können, sondern genau das Gegenteil: Dahinter stehen starke Frauen, die es kickt, wenn sie geschlagen werden und wehrlos gefesselt eine Nacht auf dem Fußboden verbringen müssen. Dahinter steckt viel Vertrauen und Zustimmung und noch etwas ganz Wichtiges: Liebe. Was Außenstehende nicht begreifen können, ist die gegenseitige Zuneigung und die Verantwortung, die der dominante, sadistisch veranlagte Top für den devoten und masochistischen Partner übernimmt – und dass jeder Bottom Mayday sagen und damit das Spiel sofort beenden kann. Andreas hat ein Tabuthema angesprochen und mit viel Sorgfalt aufgearbeitet.
Dass es auch anders geht, dass Grenzen überschritten werden und ein Save-word eben nicht berücksichtigt wird, ist der unschöne Teil der Geschichte und daraus resultieren die Morde, die ausgepeitschten jungen Frauen an den Kreuzen in Wien.
Manchmal ist es eklig, was beschrieben wird. Ich kann das Buch nicht an einem Nachmittag durchlesen und nur warnen, es kann verstören. Aber spannend ist es von der ersten bis zur letzten Seite und immer wieder für eine überraschende Wendung gut.

Fazit:
Eine gut durchdachte Story, die alles hat, was man erwartet: Viel Sex, ausreichend Crime und kleine Prisen Liebe und Romantik.


Andreas – Schatten
592 Seiten
Heyne Hardcore 2008
9,95 €
Heyne Verlag
Amazon

Höhen, Tiefen und ein bisschen Musik

Der neunzehnjährige Pedro ist Mitglied einer Sinti-Familie. Um sein Leben und das der Sippe zu finanzieren, geht er anschaffen. Seine Freier findet er in abends in Clubs und Diskotheken. Doch als er Carla, die Tochter einer Kundin, kennenlernt, gerät seine Welt aus den Fugen. Plötzlich sind da Gefühle, mit denen er nicht recht umzugehen weiß und er kann seinen Job nicht mehr ausführen. Die Sippe verstößt ihn und Pedro findet Zuflucht bei einer flüchtigen Bekanntschaft aus München. Der junge Mann heißt Julian, ist in den Sinti heimlich verliebt und versucht, seine Gefühle im Zaum zu halten. Während Pedro sich langsam an das neue Leben gewöhnt und von seinem Zusammenbruch erholt, beginnt er Fuß zu fassen. Er wird Gitarrist bei der Band „The Picture of Dorian“ und feiert erste Erfolge. Doch als er Carla wiedersieht und auf eine Versöhnung hofft, endet das Treffen anders als erwartet und er droht erneut zusammenzubrechen. Julian kümmert sich aufopfernd um ihn und begleitet Pedro schließlich zu seiner Familie. Doch die Reise endet mit einer Überraschung.
Ohne zu wissen, was mich erwartet, schlug ich das Buch auf und fand mich sofort in einem Gespräch zwischen Pedro und einer Freierin wieder. Keine großartige Einleitung, die erst mal mühsam beschreibt, wo man sich befindet, nein, gleich mitten rein ins Geschehen. Platte Beschreibungen vom Liebesspiel werden aber ausgelassen, stattdessen kann sich der Leser selbst Gedanken dazu machen, oder drüber hinweg lesen.
Die Geschichte ist sehr einfühlsam erzählt und alles andere als rosarot. Negative Erfahrungen und Erlebnisse werden schonungslos beschrieben, der Protagonist hat kein einfaches Leben – und es wird sogar noch schwerer für ihn, ohne dass maßlos übertrieben wird. Das Chaos der Gefühle, das Nichtverstehen der Situation und die Ungewissheit vor einem Neuanfang werden ausdrucksstark geschildert und der Leser kann mit dem jungen Pedro mitfühlen. Außerdem baut Urban viel Spannung auf, man möchte unbedingt erfahren, wie es nun weitergeht und ob dieses Vorhaben erfolgreich ist und jener Plan misslingt.
Gut gefallen haben mir der Bezug zu München und zur Schwarzen Szene, die allerdings nur am Rande beschrieben wird.
Man muss sich bewusst machen, dass der Himmelstürmer Verlag ein kleiner Verlag ist, der auch Abstriche machen muss. Das Lektorat ist nicht fehlerfrei und hin und wieder stört es beim Lesefluss, wenn Verben falsch konjugiert sind und ähnliches.
Irritiert hat mich die Tatsache, dass der Sinti Pedro seinen Körper verkauft, obwohl er noch Teil der Sippe ist. Dies ist eigentlich unüblich, aber darauf muss man sich bei diesem Roman einlassen. Dafür wird auf Kleinigkeiten geachtet, so ist Pedro Analphabet und hat Schwierigkeiten beim Briefeschreiben oder dem Entziffern der Klingelschilder.
Manchmal sind die Zeitsprünge nicht ganz nachvollziehbar und man versteht erst nach einigen Sätzen des neuen Kapitels, wie viel Zeit inzwischen vergangen ist.

Ein schöner Entwicklungsroman, der trotz aller negativen Erfahrungen deutlich macht: „Das Leben war wirklich voller Überraschungen und einfach wunderbar.“

:buch: :buch: :buch: :buch: :buch2:

S. A. Urban – Einmal Sinti und zurück
197 Seiten
Himmelstürmer Verlag 2010
15,90 €

Himmelstürmer Verlag
Amazon

Die Macht der Liebe und der Musik

Der noch minderjährige Àngel van Campen flieht vor seinem gewalttätigen Vater nach München und findet dort Zuflucht bei Wolfgang, einem Musiker, der sich in den blonden Jungen verliebt. Diese Gefühle verbirgt er jedoch und ermöglicht Àngel stattdessen das Vorsingen an der Musikhochschule, um ein Stipendium zu ergattern, denn der Junge ist außergewöhnlich: Er beherrscht den klassischen Countergesang. Um Geld zu verdienen arbeitet der 17-Jährige als Aktmodell bei der Professorin Valerie Jugan, die entsprechende Fotos von ihm macht. Dadurch lernt er auch Martin kennen, ein verschlossener Typ, der sich später als Satanist entpuppt. Martin verliebt sich und beginnt eine heiße und leidenschaftliche Affäre mit Àngel, der immer wieder von seiner Vergangenheit eingeholt wird. Als sein Vater auf einer Vernissage auftaucht und ihn auf der Toilette missbraucht, brennen bei Martin die Sicherungen durch…

Das Buch ist gefühlvoll geschrieben. Der Leser bekommt Mitleid mit Àngel, was sicherlich gewollt ist. Obwohl es nicht angesprochen wird, ist schnell klar, was Gabriel van Campen seinem Sohn angetan hat. Dieser leidet unter seiner Vergangenheit, dem frühen Tod der Mutter und die Sorge um die Schwester, die er zurücklassen musste. Man erlebt seine erste Liebe mit, das erste Mal als verunglückter Dreier, das erste Mal mit einem Mann, mit Martin, der schon ganz andere Erfahrungen gesammelt hat und sich mit Drogen das Leben schön lügt.
Aber nicht nur die menschlichen Abgründe und alle Schreckenstaten, die aus Liebe getan werden, beschreibt Urban detailliert. Auch ist eine große musikalische Kenntnis vorhanden, werden der Countergesang und seine Besonderheiten vorgestellt, für jeden Laien verständlich. Im Anhang befindet sich eine Liste der Musikstücke, die beim Schreiben begleitet haben.
Positiv ist der Umgang mit der Schwarzen Szene und der satanistischen Gruppierung, die durch ein – nicht näher beschriebenes – Ritual aus dem ängstlichen Protagonisten einen stolzen, mutigen und lebensbejahenden jungen Mann macht. Hier wird nicht mit Klischees gearbeitet, nicht verurteilt oder gerechtfertigt. Wertungen haben in diesem Roman keinen Platz, der Leser kann neutral an die Themen herantreten und diese entweder überlesen oder sich seine eigene Meinung bilden. Vielleicht regen die Umschreibung sogar zu eigenen Nachforschungen an über die Schwarze Szene oder Satanismus.
Mir hat das Herangehen an die Homosexualität gefallen. Die sexuelle Orientierung wird nicht als gut oder schlecht abgestempelt, sie muss nicht zwingen toleriert werden. Der Leser ist hier frei, sich seine Meinung zu bilden. Dennoch werden Probleme geschildert. Zweifel, die Àngel hegt und Ängste vor dem ersten Mal werden beschrieben, aber auch Anfeindungen und Verurteilungen werden dargestellt. Die innere Zerrissenheit des Protagonisten wird deutlich benannt und der Leser kann sie gut nachempfinden. Ebenso die Panik, die Àngel überkommt, als er seinem Vater begegnet ist geradezu greifbar.
Der Roman liest sich flüssig. Wie in ihrem ersten Roman „Einmal Sinti und zurück“ baut Urban Spannung auf und überrascht immer wieder mit Ereignissen, die der Leser nicht erwartet hat. Im Vergleich mit dem Erstlingswerk fällt auf, dass „Engelsgesang“ ohne die irritierenden Zeitsprünge auskommt und in sich geschlossener ist.

Eine einfühlsame Geschichte über Vergangenheitsbewältigung und Selbstfindung.

:buch: :buch: :buch: :buch: :buch2:

S. A. Urban – Engelsang
222 Seiten
Himmelstürmer Verlag 2011
15,90 €

Himmelstürmer Verlag
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