Eine unnachahmliche Stimme, eine Gitarre und ein Klavier

Heinz Rudolf Kunze hat 36 Studioalben herausgebracht, zahlreiche Bücher geschrieben und unzählige Konzerte bestritten. Seine markante Stimme und einzelne Songs, die man im Radio immer wieder hören kann, beeindrucken mich seit Jahren. Und jetzt, nach fast 40 Jahren, brachte er die Live-CD Wie der Name schon sagt – Solo live am 13. November heraus. Ich wollte mir mal einen Überblick über sein musikalisches Schaffen machen und habe mir dieses besondere Album angehört.

Es ist bekannt, dass Heinz Rudolf Kunze zu den politischen Songschreibern und Rockpoeten des Landes gehört. Er stellt sich immer wieder dem Zeitgeist und entwirft aktuelle, satirische, poetische und kabarettistische Texte. Wie der Name schon sagt – Solo live wurde im Sommer 2020 als Open Air im Schweriner Schloss aufgezeichnet und zeigt mit 35 Songs und Texten auf zwei CDs alles auf, was den Künstler ausmacht: Kunze, seine Gitarre, sein Klavier, seine Mundharmonika und seine Musik bzw. Geschichten. Die Aufnahmequalität ist für eine Liveaufnahme ausgezeichnet. Der Beginn ist spektakulär, wir befinden uns auf einem Flug und die Ankunft ist auf unbekannte Zeit verschoben, dafür haben wir einen sehr unterhaltsamen Flugbegleiter. Die Lieder wechseln sich mit philosophischen und unterhaltsamen Geschichten ab (zu erkennen an den blasseren Schriften auf dem Cover). Auf der ersten CD hören wir größtenteils Songs aus dem letzten Album Der Wahrheit der Ehre, das im Februar 2020 erschienen ist, desweiteren erklingen Songs aus den Jahren 1990 („Der Abend vor dem Morgen danach“, „Aller Herren Länder“, „Leg nicht auf“) sowie 2015 („So wie du bist“). Mir sind diese Titel bis dato nicht bekannt, aber ich höre dem Musiker gerne zu und lass mich weiterhin überraschen, denn es wird keine Minute langweilig, Störungsversuche werden mit „pst!“ oder „später!“ abgewiegelt, die zweite CD folgt gleich im Anschluss. Es geht von 1989 („Ich hab’s versucht“) über 2018 („Die ganz normalen Menschen“) zu einem meiner Favoriten: „Meine eigenen Wege“ aus dem Jahr 1988 (so lange begleitet mich das Lied schon?), der Chorus bringt mich immer wieder zum Mitsingen, einige Textphrasen werden ausgeliehen und eingepasst. Es gibt nur Herrn Kunze, seine Gitarre und ich an diesem nebligen Sonntagvormittag. Die „Innigkeit“ zeigt wieder seinen speziellen Humor auf, herrlich! Es folgt „Wenn du sie siehst“ (2013 – könnte aus dem Leben gegriffen sein) und „Vertriebener“ (1985 – ist aus dem Leben gegriffen). „Die Dunkelheit hat nicht das letzte Wort“ (2020) hat aktuellen Bezug, die Qualität als Textschreiber und Sänger vereinen sich hier wieder auf’s Beste, genauso wie bei dem rezitierten Text zu „Ein Jahr das“ und dem Song „Zusammen“. Dieser ist in Zusammenarbeit von Heinz Rudolf Kunze und SingenZuhause, einem Chor mit mehr als 1000 Sängerinnen und Sängern, entstanden, es ist eine Hymne zur aktuellen Lage der Welt. „… Das Lied soll Freude, Inspiration und Trost in einer schweren Zeit spenden. Kaum etwas kann das so gut wie Musik …“, so der Ideengeber. Schon die ersten Klaviertöne zu „Dein ist mein ganzes Herz“ (1985) lässt nicht nur das Publikum jubeln, das erzeugt bei mir einfach nur Freude, jedes Mal. Ganz egal, wer mir zuhört, da muss lauthals mitgesungen werden. Das darin enthaltene kurze persönliche Erlebnis kann nur das Leben so schreiben und Kunze so wiedergeben. Das Konzert sollte an dieser Stelle zu Ende sein, aber es wird vehement dagegen angeklatscht, und natürlich gibt es eine Fortsetzung. „Lola“ (1984) bringt Stimmung ins Publikum, ich lausche mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Und endlich, da klingt „Finden Sie Mabel“ (1986) an. Es hat seinen ganz eigenen Reiz nur mit der Gitarrenbegleitung und dem Gesang. Wir erfahren auch „Die Geburtsstunde des Künstlers“ (sehr ehrlich und witzig), bevor wir zum Abschluss in die „Bestandsaufnahme“ (1981) übergehen.

Foto: HRK FB

Ich bin in den letzten zwei Stunden abgetaucht, lass mich nicht ablenken und höre Heinz Rudolf Kunze zu, lass mich zum Nachdenken anregen, amüsiere mich über seine Geschichten und singe ganz schonungslos mit. Der Rockpoet denkt noch lange nicht ans Aufhören, und dass ist auch gut so. In seiner unnachahmlichen Art wird er sicher noch viel zu erzählen haben und kann hoffentlich in Zukunft weiterhin den Finger in Wunden legen und uns davon berichten. Die der Doppel-CD beigelegten Texte zu den Anekdoten hätte es nicht gebraucht, aufgrund der absolut gelungenen Abmischung und dem klaren Sound sind diese wunderbar verständlich. Noch dazu ergibt die Stimme des Verfassers eine besondere Wirkung und hat hohen Unterhaltungswert. Es ist ein interessanter Querschnitt aus seiner bisherigen musikalischen Hinterlassenschaft, mit Bekanntem und für mich viel Neuem.

Anspieltipp: geht nicht, das ist ein kompaktes Klangwerk, das wie angeboten angehört werden sollte.

:musik: :musik: :musik: :musik: :musik: 

Heinz Rudolf Kunze: Wie der Name schon sagt – Solo live
Meadow Lake Music / Rough Trade Distribution, Vö. 13.11.2020
19,99 €

Homepage Heinz Rudolf Kunze

Facebook

Tracklist:
CD 1:
01. Intro
02. So hinken alle Vergleiche
03. Der Abend vor dem Morgen danach
04. Ach du Wirklichkeit
05. Mit welchem Recht
06. Bubu machen
07. Ich bin so müde
08. Schuhputzautomat
09. Spießgesellen der Lüge
10. Menschenwerk
11. Leg nicht auf
12. Das Glück ist
13. So wie du bist
14. Das Traumpaar
15. Aller Herren Länder
16. Idiot Number One
17. Die Zeit ist reif

CD 2:
01. Ich hab’s versucht
02. Die Menschinnen
03. Die ganz normalen Menschen
04. Mein Profil
05. Meine eigenen Wege
06. Innigkeit
07. Wenn du sie siehst
08. Probesarg
09. Vertriebener
10. Ich bin schuld
11. Die Dunkelheit hat nicht das letzte Wort
12. Ein Jahr das
13. Zusammen
14. Dein ist mein ganzes Herz
15. Lola
16. Finden Sie Mabel
17. Die Geburtsstunde des Künstlers
18. Bestandsaufnahme

(1312)