„Steh auf!“

Die Vollblut-Therapeutin Grace stolpert während eines Skiausfluges über einen Mann, der mit einem Strick um den Hals im Schnee liegt. Er hatte versucht, sich zu erhängen. Grace kann diesen schüchternen und geheimnisvollen Mann nicht aus den Augen lassen und entwickelt Gefühle, die weit über die Patienten-Therapeuten-Grenze hinausgehn.
Annie, eine junge Patientin von Grace, beschließt unterdessen ihrem Zuhause den Rücken zu kehren, eine Schauspielkarriere anzustreben und das am Besten ohne sich in ein Unglück zu stürzen.
Grace Ex-Mann Mitch folgt seinem Instinkt und verlässt die Frau, die er liebt, um in der Arktis einer Gemeinde bei deren Problemen zu helfen.

Der Klappentext und der Titel hinterließen bei mir nach dem ersten Lesen einige Fragen. „In einer anderen Haut“ – was verbirgt sich dahinter? Wie passen die Figuren zusammen? Haben sie überhaupt eine Verbindung?
Zunächst taucht der Leser ein in die Begegnung von Grace mit Tug. Die ersten Seiten lesen sich flüssig und gebannt folgt man dem Gedanken- und Gefühlsverlauf der Therapeutin. Ich konnte sehr gut mitfühlen und mich in Grace hineinversetzen. Sie möchte nur Gutes tun, fühlt sich dem Mann nahe und möchte ihm zeigen, wie glücklich er sein kann, wenn er es zulässt.
Annies Geschichte hat mich am meisten mitgenommen und fasziniert. Diese junge Frau, die sich in der Teenagerzeit körperlich selbst zerstört, dann allen Mut zusammennimmt und einen Neuanfang wagt. Wie Grace ihr geraten hat, versucht sie sich an der Schauspielerei und das auch erfolgreich. Sie scheint sehr taff und zufrieden, aber sie ist oft allein und lässt trotz zahlreicher Affären keine große Nähe zu. Sie benutzt die Menschen. Bei ihr war ich jedes Mal gespannt, wie es in ihrem Leben weitergeht. Diese Kapitel las ich sehr intensiv.
Mitch spielt eine kleine Rolle in dem Buch, wird nach Trennung und Misserfolgen ebenfalls zum Helfer bei seiner Ex-Frau. Diese Geschichte hat mich nur in den Anfängen begeistern können.
Tug ist ein undurchschaubarer Typ, mal ist er redselig, dann flüchtet er sich wieder in seine eigene Welt, wo ihn niemand erreichen kann. Grace muss immer wieder Angst haben, dass er erneut einen Suizid versucht. Sicherlich eine große Aufgabe für Grace als Menschen und vor allem als Therapeutin. Ein interessanter Fall in ihrer Laufbahn.

Das Buch hat mich wirklich berührt und mich zum Nachdenken bewegt. Wie oft gehen wir blind durch die Straßen, ohne nach rechts und links zu sehen? Schicksale ziehen an uns vorbei, ohne bemerkt zu werden. Das „Helfersyndrom“ sollte öfter in uns geweckt werden. Ein tolles Buch mit so unterschiedlichen starken und schwachen Charakteren, einfach und verständlich geschrieben, so dass man es nicht mehr aus der Hand legen möchte. Die Kapitel spielen in unterschiedlichen Jahren und Gegenden, aber das Springen zwischen Vergangenheit und Gegenwart macht beim Lesen keine Probleme, damit kommt man sehr gut zurecht. Eine absolute Empfehlung!

Alix Ohlin, 1972 in Montreal geboren, studierte an der Harvard University und am Michener Center for Writers in Austin, Texas. Sie hat zahlreiche Preise und Stipendien erhalten, unterrichtete am Lafayette College in Pennsylvania und lebt derzeit in Los Angeles.

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Verlag: chbeck.de
Autor: Alix Ohlin
351 Seiten
19,95 Euro chbeck.de

 

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