Über die Schulter geschaut

Kohlenmonoxid, Sexualmörder, seltsame Todesfälle: Darüber schreibt Michael Tsokos in seinem

tsokosneuen Buch Die Klaviatur des Todes. Der Berliner Rechtsmediziner hat einige Fälle aus den vergangenen Jahren herausgesucht, um über seine Arbeit fernab vom doch etwas vereinfachten CSI-Niveau zu erzählen. Dabei gelingt ihm ein sehr guter Mix aus Roman und Sachbuch. Auf der einen Seite stehen die Aussagen der Täter und die Ermittlungsergebnisse, die wie eine fiktive Geschichte anmuten, auf der anderen Seite werden knallharte Fakten genannt und die Ergebnisse der Obduktion präsentiert. Dabei stellt Tsokos klar heraus, welche Erfolge man durch die Rechtsmedizin erzielen kann, wenn es um die Aufklärung eines Mordes geht. Minimale und kaum sichtbare Verletzungen oder auch tiefe Wunden können den Tathergang erzählen, einen zeitlichen Ablauf erklären und letztendlich die endgültige Todesursache feststellen. Dabei muss man viel sehen und ertragen können, alte Menschen wie auch Kinder landen auf dem Seziertisch in der Pathologie und wollen nur eins: Gerechtigkeit, dass ihr Mörder überführt wird – oder aber, dass ein Beschuldigter entlastet werden kann.
Ein Rechtsmediziner befasst sich aber auch mit den Lebenden, und so wird ein grässlicher Fall geschildert, in dem eine Mutter ihr Kind schwer misshandelt. Manche Details sind geradezu widerwärtig und man bekommt einen regelrechten Hass auf die Täterin. Ein anderer Bericht befasst sich mit dem Vorwurf sexuellen Missbrauchs durch den Vater, der sich dann aber zerschlägt, weil bestimmte Merkmale einfach nicht festzustellen sind.

Der Autor erzählt recht neutral, was er Tag für Tag erlebt, welche krassen und schockierenden Bilder er sehen und welche Geschichten hören muss. Es ist nicht das, was man sich wünscht, nicht das, was man mit nach Hause nehmen sollte – aber es ist Realität. Wenn man sich das hin und wieder während der Lektüre deutlich vor Augen führt, wird einem bewusst, dass zum einen jeder Mensch zum Täter – oder Opfer – werden kann. Das Buch zeigt aber zum anderen ganz deutlich, dass kaum einer ungeschoren davonkommt. Die Medizin hat mittlerweile zahlreiche Möglichkeiten, um einen Mord aufzuklären, um überhaupt zu beweisen, dass es sich um ein Gewaltverbrechen handelt, sodass dies eine schwache Beruhigung sein kann.
Nebenbei erfährt man aber auch sehr interessante Details, die man immer wieder im Alltag gebrauchen kann. Beispielsweise erläutert der Rechtsmediziner ausführlich die Gefahren von Kohlenmonoxid, wie es zu Vergiftungen kommen kann und woran man sie unter Umständen erkennt. Dies kann bereits im Vorfeld Leben retten.

Die Klaviatur des Todes ist ein aufrüttelndes Buch, das in die Welt der Pathologie entführt und teilweise wahnsinnig schockiert. Dennoch absolut lesenswert durch die medizinischen Details und den guten Schreibstil, der aus einer recht trockenen Materie ein ansprechendes Werk gemacht hat.

Michael Tsokos, Jahrgang 1967, ist der bekannteste Forensiker Deutschlands und lebt und arbeitet in Berlin. Über spannende, erschreckende oder auch kuriose Fälle seines Berufs hat er bereits zwei Bücher veröffentlicht. Zuletzt arbeitete er mit Krimi-Autor Sebastian Fitzek zusammen an dem Thriller Abgeschnitten.

:buch: :buch: :buch: :buch: :buch:

Michael Tsokos – Die Klaviatur des Todes
Droemer Verlag, 2013
336 Seiten, Hardcover
19,99 € (17,99 € eBook)
Amazon
Über den Autor


(3243)