Wacht auf ihr Frauen!

Helene, Mutter von drei Kindern, steht beim Abendessen auf, geht zum Balkon und stürzt sich ohne ein Wort in den Tod. Die Familie ist im Schockzustand. Plötzlich fehlt ihnen alles, was sie bisher zusammengehalten hat: Liebe, Fürsorge, Sicherheit.
Helenes beste Freundin Sarah, die Helene ihrer Familie wegen zugleich beneidet und bemitleidet hat, wird in den Strudel der Trauer und des Chaos gezogen. Lola, die älteste Tochter von Helene, sucht nach einer Möglichkeit, mit ihren Emotionen fertigzuwerden, und sie konzentriert sich auf das Gefühl, das am stärksten ist: Wut.

Wow, was für ein Buch und was für ein feministisches Statement. Anfangs sind die Rollenverteilungen noch wie aus Urzeiten überliefert, die Frauen kümmern sich um die Kinder, den Haushalt etc., der Mann bringt das Mammut bzw. die Kohle nach Hause. Manch eine zerbricht daran (Helene, die Mutter, nach dem Homescooling etc. im Pandemie-Lockdown). Und dann ist da Lola, die Tochter, die anders beeinflusst ist und anders denkt und agiert, die im Verbund mit Gleichgesinnten auch nicht vor Gewalt zurückschreckt, wenn es gerechtfertigt ist. Und dann ist da Sarah, Helenes Freundin, die für die Ausgefallene in die Presche springt und auch so ihre privaten Baustellen hat. Wir leben in einer anderen Zeit, aber das muss Sarah erst noch lernen, und das dauert. Aber dann wird Tabula rasa gemacht …
Diese Lektüre war ein Geschenk, Bekannte haben davon abgeraten und haben es ungelesen weggelegt – meine Lieben, da habt ihr was verpasst. Für mich als Mutter war es harter Tobak, der da ausgebreitet wurde: Helene, die sich in den Tod stürzt, vor den Augen der Familie! Sie lässt drei Kinder zurück, zwei davon noch unter fünf Jahren. Auf Johann, den Mann und Vater, bin ich sowas von wütend, aber Sarah macht es ihm einfach zu leicht, sie übernimmt die Mutterrolle und muss auch die Trauer um die beste Freundin verarbeiten. Lola ist ein Familienmitglied, das mit in die Ehe kam, deren Erzeuger meint, mit Geld könnte er seine Abwesenheit bezahlen. Aber sie kämpft sich da durch, mit ihre feministischen An- und Einsichten, mit ihren Freundinnen und mit ihrem Sport. Sie heilt ganz langsam, aber dafür umso imposanter und nachdrücklicher. Die Wut, die bleibt beinhaltet Sätze und Gedanken, über die es sich lohnt nachzudenken und sich vielleicht zu eigen zu machen.

:buch: :buch: :buch: :buch: :buch: 

Mareike Fallwickl: Die Wut, die bleibt
Rowohlt Taschenbuch, Vö. 17.10.2023
384 Seiten
14 € z.B. bei Hugendubel

(688)