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Gesehen und nicht gesehen werden

Gesehen zu werden kann eine zweischneidige Sache sein. Sichtbarkeit ist die Voraussetzung dafür, von anderen als Mensch mit einem eigenen Leben, eigenen Anliegen und Rechten wahrgenommen zu werden. Diese simple Tatsache steht z. B. hinter der Forderung nach einer besseren Repräsentation verschiedener Menschen – sei es in der Politik, in Vorstandsgremien oder bei Musikfestivals. Wenn eine Gesellschaft, ein Staat genau dieses eigene Leben und die eigenen Rechte Menschen mit bestimmten Eigenschaften aber abspricht oder nimmt, wird Sichtbarkeit gefährlich. Und von welcher Sichtweise ist die Rede – das, was Einzelne oder eine Gruppe bei sich selbst sehen, oder das, was andere sehen, sehen wollen, unterstellen? Wie wird ein und dieselbe Eigenschaft oder Lebensweise gesehen, interpretiert? All diese Seiten des Gesehen-Werdens schwingen im Titel der derzeitigen Sonderausstellung des NS-Dokumentationszentrums mit: „To be seen. Queer lives 1900-1950“. Sie zeigt, einem Kernanliegen des Dokumentationszentrums gemäß, nicht nur Unterdrückung und Verfolgung, sondern auch, was vorher war, was durch die Nazizeit alles verlorengegangen ist – und dass diese Verluste bis heute nicht wiedergutgemacht sind oder die entstandenen Lücken je geschlossen werden können. Teils, weil die Toten niemand zurückholen kann; teils wegen des mangelnden Willens der Nachkriegsgesellschaft, die sehr gerne wegsehen wollte und sehr gerne sehr gründlich vergaß. Weiterlesen

Transatlantische Geschichte(n)

Alles so neu hier – das wird zumindest oft behauptet, wenn es um Trans*- und nonbinäre Identitäten geht. Ganz so, als gebe es sichtbare Trans*identitäten und die Trans*Community erst seit ein paar Jahren und die Gesellschaft habe noch gar keine Zeit gehabt, sich zu gewöhnen (während sich gleichzeitig gern für Toleranz und Offenheit gegenüber der vermeintlich superjung-postmodernen Entwicklungen auf die Schulter geklopft wird). Dass diese in der Mehrheitsgesellschaft oft so „gefühlte Wahrheit“ nicht den Tatsachen entspricht, zeigt derzeit die Ausstellung TransTrans – Transatlantische Transgendergeschichten noch bis Ende des Monats im Amerikahaus. Weiterlesen

„Change never happens from people being polite and acceptable, does it?“

The first Pride was a Riot. Der Christopher Street Day erinnert jedes Jahr daran, wie sich in der Nacht auf den 28. Juni 1969 im Stonewall Inn in der New Yorker Christopher Street eine Gruppe queerer Menschen, allen voran Trans*frauen of Color, gegen eine der damals gängigen brutalen Polizeirazzien erfolgreich zur Wehr setzten. Es war ein Wendepunkt, sie zählten damit unüberhörbar einen neuen Takt ein auf dem bis heute mühsamen Weg für die Rechte der Menschen im LGBT*IQ+-Spektrum. Inzwischen, über 50 Jahre später, ist da immer noch extrem viel zu tun und der durchschnittliche CSD weit davon entfernt, an einen Aufstand zu erinnern. Weiterlesen