„Change never happens from people being polite and acceptable, does it?“

The first Pride was a Riot. Der Christopher Street Day erinnert jedes Jahr daran, wie sich in der Nacht auf den 28. Juni 1969 im Stonewall Inn in der New Yorker Christopher Street eine Gruppe queerer Menschen, allen voran Trans*frauen of Color, gegen eine der damals gängigen brutalen Polizeirazzien erfolgreich zur Wehr setzten. Es war ein Wendepunkt, sie zählten damit unüberhörbar einen neuen Takt ein auf dem bis heute mühsamen Weg für die Rechte der Menschen im LGBT*IQ+-Spektrum. Inzwischen, über 50 Jahre später, ist da immer noch extrem viel zu tun und der durchschnittliche CSD weit davon entfernt, an einen Aufstand zu erinnern.

Unübersehbar ist stattdessen eine Tendenz zur Kommerzialisierung, auch wenn es bereits seit Jahrzehnten kritisiert wird: Für große Veranstaltungen brauchts viel Geld, und große Unternehmen geben es gerne, um sich im Gegenzug mit der eigenen Toleranz schmücken zu können. Ob es mit der Offenheit und Inklusion innerbetrieblich tatsächlich so weit her ist, wie all die einmal im Jahr vom Firmen-Float herab geschwenkten Regenbogenfähnchen es nahelegen sollen – nun ja. Die queere Community darf sich so jedenfalls an ihrem zentralen gemeinsamen Erinnerungstag, an dem es für und gegen so viel einzutreten und natürlich auch viel zu feiern gibt, auch als Werbeträger und Zielgruppe der Wirtschaft fühlen. Yay! Wer wäre darüber nicht glücklich? Tatsächlich einige. Was lässt sich da tun, außer wegbleiben? Subversion, intelligentes Pöbeln, die Pinkwashing-Business-Show sprengen und die Erinnerung an Stonewall wachhalten! Und wo findet man dafür die Fachkräfte mit jeder Menge Berufsvermeidungserfahrung? Wo finden sich die Best-Practice-Beispiele für renitentes Feiern?

Pride Punx ist eine halbstündige Doku über eine Gruppe queerer Punks, die sich 2016 in London zusammenfanden, um den dortigen Pride ein bisschen aufzumischen. Inmitten der schicken Unternehmenswägen mit freundlich (wenn auch mehrheitlich etwas ratlos) lächelndem Fähnchenschwenkpersonal: Ein DIY-Float als mobile Bühne für queere Punk-Bands und gelegentliche Ansagen an die kapitalistischen Nachbarn im Umzug (wofür hat man eine fette Anlage!), dahinter und drumrum: Pogo! Allein schon diese Szenen des Films sind das Ansehen wert. Aber wirklich berührend sind auch die Erzählungen der Beteiligten außenherum, Geschichten vom halb hier, halb dort oder auch nirgends hingehören und vom endlich daheim ankommen, vom Raum finden und sich Raum nehmen. Egal ob in der queeren Szene zuhause, im Punk oder in beidem (auch die starken Verbindungen zwischen beidem sind natürlich Thema des Films): Eins kann sich wiederfinden, innerlich mitfeiern oder auch einfach Lust bekommen, selber mal wieder was auf die Beine zu stellen, selber mal wieder laut zu werden. Den Film gibt es, dem DIY-Ethos treu, umsonst im Netz zu sehen. Am besten mit anderen zusammen anschauen und dann das nächste Projekt planen.

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Pride Punx – This is unity music (UK 2016, Länge: 0:29h, Sprache: Englisch, Untertitel: leider nur die unbrauchbaren automatischen)
Director/Camera/Editor: Kim Ford
Producer: Pride Punx
auf Youtube oder zum Beispiel über die Homepage von Gründungsmitglied Tali Clarke

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