Umbra und Niko spalten den Hirsch

Es ist 20 Uhr in Nürnberg und die Bühne betritt ein einsamer Mann mit seinem Cello. Darf ich vorstellen: Umbra, so heißt das Instrument und der Musiker ist Nikolaus Herdieckerhoff. Zusammen sind sie Cellolitis. Bereits hier merkt man die Leidenschaft und die Freude an der Musik. Bei der allgemeinen Abstimmung über die Vorgruppe bei einem Konzert von Coppelius im Dezember in Berlin – damals gewannen die Piraten von Vroudenspil – bewarb sich der Künstler. So entstand der Kontakt zum Kammercore und anscheinend auch eine Freundschaft. Begeistert erzählt Niko auf der Bühne, dass er mit den Herren im Tourbus, ein Nightliner, fahren darf und welche Ehre es ist, gemeinsam mit ihnen auf der Bühne zu stehen. Ja, manchmal redet er ganz schön viel und erzählt von sich, aber es wird nicht langweilig. Seine Lieder sind selbstgeschriebene Kompositionen oder Eigeninterpretationen großer Werke. Das spricht nicht jeden an. Manche verlassen den Hirsch für die Dauer des Auftritts. Ein bisschen fehlt die Freude in der Musik, die Leichtigkeit, das Einstimmen auf das Konzert. Getragen und sehr ernst geht es auf der Bühne zu, wenn Niko über die Saiten streicht, aber er spielt mit viel Bass und Leidenschaft. Da oben ist es ziemlich dunkel. Nur ein grünlicher Scheinwerfer beleuchtet den Mann mit Hut und Umbra. Irgendwann folgt eine lange Ansage, die davon berichtet, wie Niko zum Cellospielen gekommen ist. Niemand scheint richtig hinzuhören, aber als er am Ende sagt, dass es ihm „scheißegal“ ist, dass das nächste Stück ein recht Bekanntes Werk von Bach ist, da jubeln viele. Hinter mir werden Stimmen laut, die vermuten: „Es wird nur gejubelt, weil er scheißegal gesagt hat.“ Vielleicht ist das so.
Niko scheint teilweise etwas nervös zu sein, wie das Publikum meint, vergreift er sich, spielt falsche Töne. Doch später erfahre ich im Gespräch mit dem Künstler, dass dies keineswegs der Fall war. Das war seine eigene Interpretation und gehörte dazu. Natürlich betritt bald der selbsternannte beste Klarinettist der Welt die Bühne und spielt mit Cellolitis zusammen „Begala E Vena“, die ein paar Tage zuvor schon auf youTube gestellt wurde. Sie passen gut zusammen, die Klarinette und das Cello.
Das vorletzte Stück stellt eine musikalische Untermalung zu Radionachrichten dar. Es geht um Krieg, Leid, Hunger, Tod. Schüsse sind zu hören und wenn man die Augen schließt, sieht man die Bilder aus dem Fernsehen, Bilder vom Krieg, die leise unterlegt werden mit Musik, damit sie noch tragischer rüberkommen. „2017“ heißt das Stück und es gefällt absolut nicht jedem. Die Leute, die um mich herumstehen hoffen, dass dieses Jahr die Welt untergeht, wenn das die Musik ist, die es 2017 geben wird.
Das Publikum ist geteilter Meinung, jubelt und applaudiert aber trotzdem und zollt dem jungen Künstler Respekt. Ich selbst bin sehr zwiegespalten und werde erst mal die beiden CDs anhören, bevor ich mich festlege.

Der Bart ist ab – Coppelius präsentieren sich bestens gelaunt

 

Die Umbaupause ist ziemlich sinnlos, es gibt nämlich gar nichts, das umgebaut werden müsste. Aber die Herren Coppelius lassen sich Zeit. Man ist ja schließlich im gesetzten Alter und das Auditorium kann ruhig warten. Als es endlich dunkel wird, schleicht Butler Bastille mit seiner Laterne auf die Bühne. Wie immer sieht er sich um, ob alles in Ordnung ist, entdeckt die Zuschauer und wählt eine Person aus, die die Lampe auspusten soll. Danach geht alles schnell. Unter großem Jubel des gut gefüllten Hirschs schreiten die Herren auf die Bühne. Kleiner Besetzungswechsel: Der Butler ergreift die Sticks und bearbeitet das Drumset. Nobusama steht stattdessen am Mikro und grölt den bekannten Iron Maiden Song „Running Free“ durch den Saal. Es ist ein sehr guter Auftakt, der gleich die richtige Stimmung bringt. Nach dem ersten Lied werden aber die Plätze wieder getauscht. „Der Advokat“ wird mit passendem Abscheu vorgetragen und bereits jetzt kann man erkennen, dass die Herren ungewöhnlich gut drauf sind. Comte Caspar – mit überraschend wohlgestutztem Bart – lässt sich zu kleinen Scherzen hinreißen, auch musikalischer Art, die seinen Kollegen Max Coppella beinahe aus dem Konzept bringen, muss er doch lachen und gleichzeitig singen. Graf Lindorf schneidet hinter seinem Cello Grimassen, wie der treue Fan es zwar gewohnt ist, jedoch wirkt er gelassener als sonst. Dieses Mal geht er sogar ein Risiko, hat er anscheinend beim Textlernen geschludert. Vielleicht hat ihn auch die besungene „schöne fremde Frau“ aus dem Takt gebracht. Während die Musik brav weiterspielt, sucht er nach Worten, blickt sich verzweifelt um und das Auditorium ist ausnahmsweise nicht schnell genug und kann nicht aushelfen. Prof. Mosh Terpin wuselt immer wieder auf der Bühne herum. Mit seinem Werkzeugkasten ist er mittlerweile zum festen Bestandteil der Liveauftritte geworden und spielt Cembalo.
Dem Butler scheinen die Feiertage nicht ganz so gut bekommen zu sein. Er ist noch schüchterner als sonst, druckst gespielt herum und gibt schließlich zu, dass ihn Menschen nervös machen. Dabei deutet er auf die Herren, die ihre Instrumente neustimmen. Coppelius haben nachgefragt, was die werten Hörer gerne auf der Setlist hätten. Anscheinend wünschte man vor allem die älteren Stücke, denn es wurde auf „Morgenstimmung“, „Urinstinkt“ und das Motörhead-Cover „1916“ zurückgegriffen. Doch das neuere „Ma Rue A Moi“ darf nicht fehlen und Comte Caspar fordert einmal mehr lautstark Anerkennung. Dabei läuft ein gespielt eifersüchtiger Max Coppella hinter ihm auf der Bühne – sein Mienenspiel spricht Bände und sagt genau, was er von seine Kollegen hält.
Auf mehrfachen Wunsch hin haben Coppelius das von Eric Fish geschriebene und auf dem Album „Tumult“ veröffentlichte Lied „Rightful King“ neuinterpretiert. Bastille singt nun auf ganz eigene Weise von dem hochgelobten König. Auch die Melodie wurde abgeändert, beginnt sanfter, erhabener, was zum Text passt. Erst als der Mob im Text auftritt, kann man wieder nach Herzenslust headbangen. Genau das wird auch getan.

Comte Caspar hatte sich etwas Besonderes ausgedacht: Dieses Mal sollten nicht zwei sondern vier Gruppen den Gumbagubanga-Kanon anstimmen. Seine Aufteilung in „Gum“, „Bagu“, „Bang“, „Ga“ erwies sich als etwas unglücklich. Das Publikum nicht in der von ihm gewünschten Lautstärke – und mit fehlendem Ernst – seiner Aufforderung zum Singen nach.
Die bekannten „Ausziehen“-Rufe werden von der Band unterstützt, der Butler ist allerdings wenig begeistert und fordert seinerseits das Publikum dazu auf. Drei junge Männer werfen erst ihre Shirts auf die Bühne und dürfen selbige dann betreten, um ein Becken zu schlagen – und dabei Drumsticks zu zerstören.
Begeistert ist man von der Stille im Saal, als die Herren einmal mehr ihre Instrumente neu stimmen. Das war bisher nie der Fall.
Auf die Bühne geworfene Gerbera werden liebevoll in Empfang genommen, eine wird gerupft und schließlich teilweise verspeist. Dem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, war sie nur mäßig delikat.
Ein Geburtstagskind wird schließlich nach vorne geholt, bekommt eine Blume geschenkt und darf den „Guten Ton“ auf der Triangel anschlagen. Dann kommt auch schon das letzte Lied, die Herren verbeugen sich und gehen. Aber das geschätzte Auditorium klatscht und ruft voller Inbrunst „Da capo“, so dass schon bald wieder der Butler – mit Staubwedel – zurückkommt. Nach zweimaligem Schreien stürmt die Band an ihre Instrumente und weiter geht’s. Für ein Stück dürfen Niko und Umbra noch mal ihr Können unter Beweis stellen. Da haben sich wohl zwei Bands gefunden. Der Cellist bringt als kleines Dankeschön eine Flasche Met mit auf die Bühne, die Caspar sogleich köpft. Allerdings fehlen Gläser, was Graf Lindorf von gar nichts abhält. Er müsse arbeiten, spricht er und nimmt einen tiefen Schluck aus der Flasche. Schließlich tun es ihm seine Kollegen gleich und die Musik geht wieder los.
Das letzte Lied zwingt uns wieder auf die Knie. „Ade mein Lieb“ braucht eben einen entsprechenden Rahmen.
Unter großem Jubel und frenetischen Applaus verlassen die Herren die Bühne und freuen sich auf die kommenden Konzerte.

Es war ein toller Abend. Coppelius haben viel Freude an der Musik und ihrer Show und haben dies heute außerordentlich unter Beweis gestellt. Auffällig: Sie haben in Instrumente und Verstärker investiert, die Klarinetten klingen klarer und Herr Voss am Bass ist endlich auch zu hören. Einen neuen Silberling gibt es zwar erst 2013, aber bei solch grandiosen Auftritten, warten wir doch gerne.
Meine Herren: Da Capo!

Heavy Metal is still alive!

 

Vanderbuyst

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Pünktlich um 19.00 betreten die niederländischen Newcomer Vanderbuyst die Bühne des bis dahin noch recht übersichtlich gefüllten Werks und starten in ihr Retro-Hardrock-Set, das uns in die Zeiten der seligen Rainbow, der Anfangstage von Iron Maiden und überhaupt ganz weit zurück in die Geschichte des Hardrock/Heavy Metals führt. Das 2008 gegründete Trio mag zwar blutjung sein, doch es überzeugt mit Professionalität, Können, Spielfreude, bestens eingeübten klassischen Rockposen und großer sympathischer Ausstrahlung. Die Setlist speist sich aus ihren bis dato zwei erschienen Alben, Vanderbuyst und In Dutch, und bei Titeln wie „Kgb“, „Tiger“, „Into the fire“, „Stealing your thunder“ oder „From pillar to post“ gehen immerhin die ersten Reihen vor der Bühne schon ordentlich ab, und der Rest der Halle bringt der Band zumindest interessiertes Wohlwollen entgegen. Um mich herum hörte ich auch diverse Leute sagen, sie seien explizit wegen Vanderbuyst (und Grand Magus) zu dem Konzert gekommen, und das ist für eine junge Band doch ein schönes Kompliment. Dem ich mich uneingeschränkt anschließe, ich hatte mich auf Vanderbuyst gefreut und wurde nicht enttäuscht. Weiter so, Jungs!

 

Skull Fist

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Ebenfalls pünktlich um 20.00 betritt eine weitere hochgelobte Newcomerband die Bühne, Skull Fist aus Kanada, genauso jung wie Vanderbuyst, genauso stilsicher im Auftreten, Posing und der gespielten Musik, wenn auch eher im klassischen Heavy (Speed) Metal der Achtziger verhaftet, was vor allem am – zumindest für meine Ohren – gewöhnungsbedürftigen sehr hohen Gesang lag. Doch auch hier überzeugen Professionalität, spielerisches Können, gesangliche Sicherheit, sympathische Ausstrahlung und mitreißende Songs, so dass sich das Werk zunehmend füllt und vor der Bühne ein immer größeres Nest aus jungen und nicht mehr ganz so jungen Kuttenträgern die Haare schüttelt und begeistert die Fäuste gen Bühne reckt. Die 2006 in Toronto gegründete Gruppe heizt die Stimmung mit einer guten Auswahl aus ihren zwei bisher erschienen Alben Head of the pack und Heavier than metal an, Songs wie „Commit to rock“, „Sign of the warrior“, „No false metal“, „Like a fox“ oder „Heavier than metal“ zünden und machen einfach Spaß. Einen besonderen Sympathiepunkt bekommt der Bassist, der mit einem herzhaften „München, trinken ein Bier! Prost, Motherfuckers“ die Lacher auf seiner Seite hat.

Nach einer halben Stunde verlassen die Kanadier die Bühne, um sich dann später unters Publikum zu mischen und von Autogrammjägern umringt zu werden. Guter Auftritt!

 

Steelwing

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Mit – den ebenfalls kaum bartwüchsigen, um den Metal-Nachwuchs muss man sich wirklich keine Sorgen machen – Steelwing aus der schwedischen Kleinstadt Nyköping wird die Riege der drei schwedischen Bands des heutigen Abends eingeleitet. Stilistisch sehr nahe an Skull Fist, was für mich den einzigen, winzigen Kritikpunkt an dem Abend bedeutet hat, da das Ganze dann mit der Zeit ein klein wenig eintönig wurde. Das soll aber keinesfalls eine Kritik am Auftritt von Steelwing sein, die souverän und gekonnt über die Bühne fegen und nicht nur modisch – Spandex und Leggins selbstbewusst getragen, jawohl! – voll überzeugen. Die 2009 gegründete Truppe hat bisher ebenfalls zwei Alben auf den Markt gebracht, Lord of the wasteland und Zone of alienation, die sich stilistisch auch fest in den 80ern bewegen, zuzüglich eines nicht ganz kleinen Hammerfall-Einschlages. Das Stimmungslevel während rasant und mitreißend vorgetragener Songs wie „Full speed ahead“, „They came from the skies“, „Lunacy rising“, „Sentinel hill“ oder „The illusion“ bleibt im Publikum anhaltend gut, das Werk füllt sich immer mehr, und die jungen Schweden erhalten mehr als wohlwollenden Applaus, als sie um kurz nach halb zehn die Bühne verlassen. Auch von mir Daumen hoch für die junge Band, deren Gitarrist vor dem Auftritt noch ganz schüchtern mit einer Tüte seines lokalen schwedischen Supermarktes auf die Bühne schlich und daraus seine ganzen Effektgeräte und Kabel zog. Später poste er dann aber wie ein ganz Großer.

 

Bullet

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Mit den 2001 gegründeten Bullet betritt um 22.00 die bis dato dienstälteste Kapelle des Abends die Bühne, und sofort ist Party im mittlerweile richtig vollen Werk angesagt. Die Schweden um Frontplauze und Wuschelkopf Hell Hofer ballern einen Kracher nach dem anderen in bester AC/DC-Tradition in die Menge, überstrahlt vom kultigen Band-Backdrop aus Glühbirnen. „Highway pirates“, „Back on the road“, „Turn it up loud“, „Stay wild“, „Roadking“, „The rebels return“ oder „Bang your head“ sind die Ansagen für den heutigen Abend, und das Publikum folgt ihnen nur zu gern. Nach einer Dreiviertelstunde verabschieden sich die schwedischen Rampensäue und lassen als Pausenfüller einen Rock’n’Roll-Song der schwedischen Kultband Nationalteatern laufen – hat wahrscheinlich nicht alle in der Halle so gefreut wie mich, aber ich fand’s doch sehr putzig.

 

Grand Magus

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Um 23.00 ist es dann soweit, die großen Grand Magus betreten die Bühne, die mit einer schwedischen Fahne als Backdrop geschmückt ist, und werden frenetisch begrüßt. Seit ihrem ersten Album im Jahr 2001 haben sie sich kontinuierlich von ihren Stoner/Doom-Anfängen hin zu gewichtigem, melodiösem und teils mit nordischer Mythologie und Folklore angereichertem Heavy Metal entwickelt, der vor allem von JBs wirklich ganz wunderbar anzuhörender Stimme und den epischen Melodien lebt. Mit „I, the jury“, dem Eröffnungstrack ihres aktuellen Albums Hammer of the north, legt das Trio auch gleich gewaltig los, und überall in der Halle fliegen die Haare. Mein persönliches Lieblingslied „Like the oar strikes the water“ vom Albumvorgänger Iron will heizt die Menge mit einem unvergesslichen Refrain und ordentlich Tempo weiter an, das später mit „Kingslayer“ vom Album Wolf’s return noch rasant gesteigert wird. Eine Atempause bekommt man erst bei „Ravens guide our way“ zugestanden, einem wuchtigen, langsamen, erhabenen Banger. Nach den Songs „Wolf’s return“ und „Hammer of the north“ ist es leider auch schon Zeit für die Zugabe, bei der Grand Magus mit „Iron will“ noch mal ordentlich Stimmung machen, um dann um Punkt Mitternacht die Bühne zu verlassen – offensichtlich musste der Zeitplan strikt eingehalten werden. Den letzten Punkt auf der Setlist, „13. Saufen“, hat die Band dann aber sicher noch absolviert.

 

Fazit: Ein rundum gelungener Abend, bei dem es in fünf Stunden keine Sekunde wirklich langweilig wurde, mit einer guten Mischung aus hochtalentiertem Nachwuchs und etablierten Bands, die sich – bis auf die erwähnten Skull Fist und Steelwing – stilistisch genügend voneinander unterschieden, aber dennoch ein repräsentatives Bild der aktuellen klassischen Heavy-Metal-Szene abgaben. Ich hatte jedenfalls einen Riesenspaß, und das, obwohl ich eigentlich gar nicht die typische Zielgruppe für den klassischen Metal bin. Das spricht doch eindeutig für die Bands des Abends, wenn selbst eine Black- und Death-Metal-Jüngerin wie ich mächtig Spaß inne Backen hatte. Gerne wieder!

 

Die Könige der Spielleute zu Gast in Franken

Noch werden die letzten Handgriffe auf der Bühne gemacht und das Publikum wartet immer ungeduldiger. Teilweise zumindest. Manche stört es auch gar nicht, dass Corvus Corax nicht um Punkt 20 Uhr beginnen. Sie reden, lachen, knipsen Erinnerungsfotos oder sitzen auf dem Boden und lesen.
Doch dann wird es dunkel, Jubel bricht los und Castus Rabensang betritt alleine die Bühne. Mit gewohnt dunkler Stimme begrüßt er das Publikum und erzählt von der langen Reise in den Norden. Tatsächlich haben die Spielmänner mehrere Länder bereist, um sich Inspiration für ihr aktuelles Album „Sverker“ zu holen. Dieser Abend steht nun ganz im Zeichen des dänischen Königs und der nordischen Mythologie.
Mit Umhängen und Masken bekleidet betreten nach und nach alle sieben Musiker die Bühne. Vier von ihnen haben Hörner dabei, in die kräftig geblasen wird, unterstützt vom Getrommel der Kollegen.
Es macht großen Spaß, der Band zuzuhören, die einen tollen Auftakt gibt. Nach dem ersten Lied werden fix Masken und Mäntel abgelegt, die Instrumente gewechselt und weiter geht’s.
Dies ist überhaupt ein sehr auffälliger Punkt: Eben noch ein Horn in der Hand, im nächsten Moment einen Dudelsack und dann wird das Organistrum (die größte Drehleier der Welt) in den Vordergrund geschoben. Das Team hinter und neben der Bühne ist flink und fleißig, weiß genau, wann Sackpfeife, Schalmei, Trumscheit oder die Cister angereicht werden müssen. Der Ablauf ist reibungslos – zumindest erscheint es so.

Corvus Corax bieten eine Vielzahl an Instrumenten und es ist stets faszinierend, welche Apparaturen beherrscht werden. Sie machen viel Show, drehen sich mit ihren Dudelsäcken um die eigene Achse, schwingen die Hüften, springen in die Luft. Castus spricht immer wieder das Publikum an. Wim, Vit und PanPeter fordern zum Klatschen, „Hey“-Rufen oder Tanzen auf.
Anfangs ist letzteres noch ein Problem und scheinbar niemand bewegt sich zur Musik. Doch nach etwa zwanzig Minuten hält kaum einer mehr die Füße still, sondern lässt sich von den schnellen Rhythmen mitziehen.
Nicht nur die Stücke der „Sverker“-CD werden geboten, auch die schönen alten Lieder, wie „Venus Vina Musica“ oder später „In Taverna“ werden gespielt. Die Zuschauer sind bei diesen Songs sehr textsicher. Schwierig wird es erst, als Castus den Refrain von „Havfru“ vorsagt und wir ihn nachsingen sollen. Es bedarf erheblich mehr Training unsererseits.
„Trinkt vom Met, vom Bier und vom Wein“ lässt man sich nicht zweimal sagen. Wer ein Bier in der Hand hat, prostet den Spielleuten zu – und die erste Reihe wird mit Met aus einem Schlauch verköstigt. Nur wer will, natürlich, und anfangs ist man sehr zurückhaltend.
Die Band scheint bester Laune zu sein und ist auch zu kleinen Späßen aufgelegt, kündigt Castus doch an, dass als nächstes die „Großmaultrommel“ dargeboten wird. Als wir schließlich die Hände erheben sollen und der Band im Takt zuwinken, fehlt selbiger erst mal– aber wen stört das? Wir winken trotzdem, wenngleich auch ziemlich taktlos.
Mittlerweile ist die Stimmung großartig und der Jubel vor, während und nach den Liedern wird immer lauter. Es ist gigantisch, was uns geboten wird. Hatz, Norri und Steve trommeln, was die Arme hergeben: schnell, langsam, noch schneller. Was Corvus Corax auf der Bühne präsentieren, ist nicht nur eine perfekte Show, die nie langweilig wird, sondern auch körperliche Anstrengung, vor der ich großen Respekt habe.
Schließlich wird es ernst. „Die Welt geht unter! Nächstes Jahr“, sagt Castus und lächelt. „Aber wie Martin Luther schon sagte: Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch eine Weinrebe pflanzen!“ Wie der Musiker feststellt, wollte der Reformator zwar ein Apfelbäumchen in die Erde setzen, aber Weinreben sind doch passender. Es folgt ein schnelles Stück mit viel Rhythmus und Percussion, das wie das Grande Finale des Abends klingt. Doch was könnte das Konzert besser abschließen, als „Ragnarök“, der Weltuntergang in der nordischen Mythologie?
„Die Welt geht unter, lasst uns feiern“, so die Aufforderung und der kommen wir sehr gerne nach. Live klingt dieser Song wesentlich besser. Das Licht ist in dunklem Grün und einem Lilaton gehalten, Busine und Trommeln gehen durch Mark und Bein und der Gesang ist viel ehrfurchtsgebietender. Unbeschreiblich beeindruckend!
Dann verlassen Corvus Corax die Bühne unter lautem Applaus, der gar nicht enden will. Wir zeigen Durchhaltevermögen und die Band erscheint noch einmal und spielt die erste Zugabe – 25 Minuten lang! Die Stimmung ist auf dem absoluten Höhepunkt und der Jubel derart stark, dass man meinen könnte, der Hirsch sei ausverkauft.

Es gibt noch einmal Met für diejenigen aus der ersten Reihe, die möchten. Dieses Mal traut sich sogar eine Dame, die den „Schluck!“-Rufen nachkommt und „etwas von ihrem Handwerk versteht“, wie Castus zwinkernd mitteilt. Ein scheinbar letztes Lied, frenetischer Applaus und Corvus Corax verschwinden hinter der Bühne. Nach einer solchen Zugabe wagen viele gar nicht, um eine weitere zu bitten und einige wenden sich bereits dem Ausgang zu.
Ein fleißiger Helfer der Band schleicht nach vorne, nimmt zwei Dudelsäcke und geht wieder. Da muss doch noch etwas kommen, denkt man sich und applaudiert und jubelt einfach weiter.
Wir werden nicht enttäuscht. Gemächlichen Schrittes und die Dudelsäcke spielend, kommen die sieben Musiker erneut auf die Bühne. Mit zwei Liedern, die noch einmal alles von ihnen abverlangen, verabschiedet sich die Band endgültig. Zuvor wird noch mit den kleinen Becken gespielt. Castus zumindest lässt das Kind im Manne raus, winkt mit den roten Puscheln, die daran befestigt sind und missbraucht das Instrument als Hütchen.
Dann ist es aber wirklich vorbei. Die Musiker verbeugen sich artig und unter großem Applaus.
Sogar nach dem Konzert nehmen sich Corvus Corax noch viel Zeit für ihre Fans. Sie signieren geduldig CDs, Plakate und nackte Haut; lächeln in unzählige Kameras und sind zu einem Plausch bei Bier oder Met bereit.
Es war ein grandioser Abend! Die Könige der Spielleute haben zwei Stunden eine tolle Show geliefert und das Publikum sehr gut unterhalten. Die Freude an der Musik wurde auf die Zuschauer übertragen und Nürnberg freut sich auf ein (hoffentlich baldiges) Wiedersehen.

Der Weg zum größten Indoor-Metal-Festival Deutschlands ist nicht ausgeschildert. Aber außer einem Autohof ist auch nichts da und Verfahren somit unmöglich. Der Parkplatz ist groß, für manche Autofahrer fehlen weiße Linien, die ihnen genau vorgeben, wo sie parken können. Wie es zur Eventhalle geht, ist auch nicht ausgeschildert, außer man steht direkt davor – nach dem Stopp beim Burger King und dem Stolperer über eine unmotivierte Schwelle. Wer erwartet auch ein großes Kreuz über einer Halle, die an diesem Wochenende eine große Zahl Metaler erwartet?
Wenn man endlich angekommen ist, freut man sich auf das kleine Einlasszelt mit den Heizpilzen, um die sich Männer (!) drängeln. Wir Frauen halten dann doch mehr aus, denke ich zumindest, bis ich zwanzig Minuten später auch darunter stehe. Viele Neuankömmlinge haben vorgeglüht, riechen deutlich nach Alkohol und begrüßen jubelnd Securities und wartende Presseleute. Aus der Halle kommt nur ein dumpfes Dröhnen, sie ist recht gut isoliert. Das müssen „Suidakra“ sein, die ich eigentlich auch hatte sehen und hören wollen.
Weitere zwanzig Minuten später kommt endlich derjenige, der für die Akkreditierungen zuständig ist. „Der war jetzt fast eine Stunde auf dem Klo. Also wenn ich da so lange bin…“, raunt der Journalist neben mir in mein Ohr und zwinkert mir verschwörerisch zu. Danke, so viel wollte ich dann gar nicht wissen.
Sicherheit wird klein geschrieben in Geiselwind. Keine Taschen und keine Personen werden kontrolliert, dabei hat mehr als die Hälfte ein Deo und ein Feuerzeug dabei und in der Halle stelle ich sehr schnell fest, dass das eine oder andere Messer auch seinen Weg hierher gefunden hat. Nicht, um damit wirklich tätlich zu werden, aber man präsentiert stolz: „Ey, das haben die gar nicht gecheckt!“
Bei so manchem Gast frage ich mich, ob es einfach nur die Flucht vor einem langweiligen Wochenende werden soll. Wie Metalhörende wirken sie nicht. Als eine Gruppe an mir vorbei die Treppe nach oben stolpert und fragt: „Grave Digger? Wer ist das denn? Die gibt’s noch nicht so lang, oder?“, möchte ich nur zu gerne Aufklärungsarbeit leisten. Später sehe ich die Gruppe noch mal, da spielen gerade „Iced Earth“ und die Jungen stehen gelangweilt mit einem Bier in der Hand herum. „Das ist schon ein bisschen harte Musik.“ Sie denken, ich brülle wegen der Band und singe mit.

Van Canto
Aber zurück zum Beginn. Endlich stehe ich also in der Eventhalle und „Van Canto“ betreten die Bühne. Ich bin gespannt, denn live habe ich die Band noch nie gesehen. Die Menge vor der Bühne geht gar nicht mit, obwohl die „Van Canto“ wirklich alles gebn und eine tolle Show abliefern. Ganz kurz gehen in den ersten vier Reihen mal die Hände nach oben – aber auch schnell wieder runter, zu anstrengend. Die hinteren zwei Drittel des Publikums tut exakt gar nichts! Man steht rum und starrt nach vorne – oder sonst wohin. Immerhin ist der Jubel ganz annehmbar, der dann doch nach jedem Lied zu hören ist. Da die a capella Band einige Trinkpausen einlegen muss, in denen der Drummer den Takt vorgibt, wird das Publikum zu „unfassbar viel Krach“ aufgerufen. Sicherlich wäre mehr möglich gewesen. Dafür wird aber das Grave Digger Cover „Rebellion“ lautstark begrüßt und manche singen sogar mit. Gnadenlos gebangt wird dann beim Sabaton Cover „Primo Victoria“. Hier ist endlich mal ein bisschen Stimmung in der Eventhalle – und „Van Cantos“ Auftritt auch schon fast vorbei. Die sechs Musiker haben alles gegeben und ein tolles Konzert geboten.

Powerwolf
Die Umbaupausen sind recht lang. Die meisten strömen nach draußen, in den Vorraum, um der Nikotinsucht zu frönen. Wieso jetzt in geschlossenen Räumen geraucht werden darf, verstehe ich nicht ganz. Wir sind doch in Bayern! Als nächstes sind die Powerwölfe dran, und wie schon auf der Power of Metal Tour im Herbst, dauert es etwas länger, bis alles aufgebaut ist.
Dann wird es dunkel und Attila Dorn betritt langsamen Schrittes die Bühne. Als er zu singen beginnt, schießen Feuersäulen in die Höhe. Sofort fällt auf, dass Gitarrist Matthew Greywolf fehlt – was Dorn gegen Ende des Konzertes auch kommentiert mit den Worten: „Matthew liegt in Couch – autsch!“. Aber „Powerwolf“ haben einen würdigen Ersatz gefunden, der wirklich alles gibt, ebenso Grimassen schneidet und bei „Saturday Satan“ ein hörenswertes Gitarrensolo hinlegt. Falk Maria Schlegel macht immer wieder Stimmung und fordert das Publikum zu Jubelrufen auf. Nur zu gerne kommt man dem nach. Die Interaktion zwischen Band und Zuschauern ist großartig und die Wölfe spielen alte und neue Songs, die meist mitgesungen werden. Dabei lässt es sich Sänger Dorn nicht nehmen, witzige Ansagen zu machen oder nach „Dead boys don’t cry“ zu fluchen: „Fällt mir Mikro aus, Mann, so ein Scheißdreck!“. Positiv überrascht ist er von der steigenden Zahl weiblicher Fans, die doch bitte einmal brüllen sollen. Nun ja, die Männer sind dann doch wieder lauter. Die Halle hat sich gefüllt, was sicherlich auch der Uhrzeit geschuldet ist und die Powerwölfe heizen richtig gut ein. Schließlich widmen sie „Catholic in the morning, Satanist at night“ noch einem besonderen Herrn: „Für unseren Papst! Die Pfeife!“ Dann ist leider der grandiose Auftritt schon wieder vorbei und Dorn bedankt sich wie immer mit einem herzlichen „Vielen Dankeschön!“.
„Powerwolf“ haben sich gelohnt. Die Show war großartig!

Grave Digger
Wenn Axel Ritt die Bühne betritt, ist es egal, wer da noch rumsteht. Alle Augen sind auf den Mann mit der schwarz-weiß-gestreiften Gitarre gerichtet, der sofort richtig mit der Show loslegt, bevor Chris Boltendahl auf die Bühne rennt und gleich mal ordentlich ins Mikro brüllt. 30 Jahre Bühnenerfahrung lassen sich eben nicht wegwischen. Der Sänger ist gut drauf, macht Späßchen, singt mit viel Freude und hat sichtlich Spaß daran, hier zu sein. Die Menge ist mittlerweile angewachsen, guter Laune und tut das, was man eben so macht auf einem Metalkonzert: Eifrig die Köpfe schütteln, Pommesgabeln in die Luft stechen und lautstark „Grave Digger“ bejubeln. Mit üblicher Schreistimme kündigt der Bandleader die Songs an und dann verschlägt es sogar ihm die Sprache. Kaum hat er „Van Canto“ gesagt, singt die Halle „Rebellion“. Ein emotionaler Moment mit Gänsehautgarantie. Boltendahl steht auf der Bühne, lächelt und schweigt erst einmal, bis er sich bedankt und den Song selbst anstimmt. Den Abschluss bildet wie immer „Heavy Metal Breakdown“. Man will die Band zwar nicht gehen lassen, aber Zugaben sind zeitlich nicht drin.
„Grave Digger“ waren wie immer toll, jedoch war der Sound zum Teil ein einziges Bündel Lärm und keine gute Musik.

Iced Earth
Auf die nächste Band habe ich mich insofern gefreut, als dass ich sie noch nie gehört und auch das neue Album „Dystopia“ gekonnt ignoriert habe. Gespannt warte ich, finde das Bühnenbild ziemlich cool und bin geflasht, als Jon Schaffer auftritt. Er rockt die Halle, ist omnipräsent auf der Bühne, bis Sänger Stu Block nach vorne rennt und ins Mikro grölt. Es macht sehr viel Spaß, der Band zuzusehen. Ihre Freude an der Musik ist deutlich spürbar und „Iced Earth“ übertragen sie auch auf das Publikum. Dieses ist begeistert, brüllt sich die Seele aus den Leibern, schüttelt die Köpfe, dass es wehtut und genießt anderthalb Stunden lang die Show. Anfangs wird viel mit den Zuschauern interagiert, viel geredet, doch bald konzentriert man sich nur noch auf die Musik. „Iced motherfucking Earth“ spielen alte und neue Songs, die durchgehend positiv aufgenommen und mit viel Jubel kommentiert werden. Die Veranstalter des Festivals haben sich auch nicht lumpen lassen und damit wirklich jeder einen Blick auf die Bühne werfen kann, wird das Konzert auf einer Leinwand übertragen, die man auch etwas abseits des Gedränges gut einsehen kann. Ein sehr gelungener Auftritt, der zumindest mich davon überzeugt hat, „Iced Earth“ unbedingt noch einmal live sehen zu wollen. Schließlich gesteht die Band den Fans „We fucking love you!“, bevor sie verschwindet.

Blind Guardian
Die Eventhalle leert sich. Wer jetzt nach draußen strömt, will nach Hause, nicht rauchen, dabei steht noch eine Band auf dem Programm. „Blind Guardian“. Keine Unbekannten, aber schon fast ein Kontrastprogramm zum vorherigen Act. Als die ersten Klänge ertönen, bricht Jubel los. Mit Sprechchören werden die Musiker empfangen und Sänger Hansi Kürsch hat ein Lächeln auf dem Gesicht, das während des gesamten Auftritts nicht verschwindet. Ich finde das bewundernswert. Während EMP eingepackte Fahnen ins Publikum wirft, singen die Fans eifrig mit und freuen sich ebenfalls, dass „Blind Guardian“ hier sind. Auch dieser Auftritt wird auf Leinwand übertragen. Als ich mich jedoch aus der Menge nach hinten bewege, wo es deutlich leerer ist, wird der Sound auch hörbar schlechter. Ein Security ertappt mich dabei, dass ich zu einem Song schunkle. Das passt nicht auf diese Art Festival, aber zu dem, was musikalisch gerade aus den Boxen kommt – es wird den Metalern definitiv nicht gerecht. Nicht nur ein Fan verlässt etwas enttäuscht vorzeitig das Konzert. „Auf CD klingen sie besser, zumindest besser als heute Abend!“ Traurig, aber leider wahr. Dennoch hat es sich rentiert, nach Geiselwind zu fahren an diesem Tag.
Zahlreiche Fotos und viele Videos auf youTube lassen jeden teilhaben, der nicht dabei sein kann.
Am Samstag geht es weiter. Mit tollen Bands wie Equilibrium, Marduk, Caliban oder Arch Enemy. Leider ohne mich. Das Wetter macht nicht nur mir einen Strich durch die Rechnung.

Gesamt betrachtet hat sich das Christmas Metal Festival gelohnt. Man muss eben flexibel sein, die Running Order oder auch die Preise ändern sich spontan. Dafür gab es in diesem Jahr ein faires Abendkassensystem, so dass man wirklich nur die Hauptacts bezahlen musste. Vier Tage Festival an zwei verschiedenen Wochenenden und Orten sind leider sehr unpraktisch, was die Veranstalter auch zu spüren bekamen. Da musste man sich entscheiden, welche Tage man auswählt. Aber das Line-Up konnte sich definitiv sehen lassen. Ob und in welcher Form es das Christmas Metal Festival im nächsten Jahr geben wird, ist derzeit leider noch unklar, aber wenn es wieder stattfindet: Es wird sich lohnen!

Welcome to nature


Trobar de Morte

Pünktlich um 20 Uhr ertönen zarte Klänge. Die Augen sind in erster Linie auf die dunkelhaarige Sängerin gerichtet, die mit starker Stimme loslegt. Dabei kann ich nicht einmal ausmachen, ob es nur „Ahs“ und „Ehs“ sind, die sie von sich gibt, oder wirklich ein Text dahintersteht. Das ist auch relativ egal, denn das Gesamtbild zählt. Die Flöte, die von einem ihrer Kollegen an den richtigen Stellen eingesetzt wird, erscheint sehr dominant, aber nicht störend. Der E-Bass im Hintergrund wirkt dagegen fremd und unterstreicht dennoch nahezu malerisch den Auftritt. Doch das erste Stück ist wahnsinnig getragen und ernst, zumindest meine Stimmung geht ins Untergeschoß. Es passt in meinen Augen nicht auf ein Konzert dieser Art und schon gar nicht an den Anfang. Vielmehr erinnert mich die Musik an Filmszenen aus „Braveheart“ oder „Gladiator“, vielleicht auch „Troja“, wenn die Kampfgeräusche ausgeblendet werden und der Zuschauer zu trauriger Musik einzelne Nahaufnahmen der Schlacht vorgesetzt bekommt. Für Rollenspieler wären „Trobar de Morte“, so heißt die spanische Band, perfekt als Hintergrundmusik geeignet, wenn sie gegen Orks und Drachen in den Krieg ziehen.
Doch die Spanier geben Gas und ich muss fast alles revidieren, was ich mir bis dahin notiert habe. Die Abfolge ihrer Songs war sicherlich nicht ganz geschickt gewählt, denn sie können mehr und sie zeigen mehr. Eine Instrumentenvielfalt wird geboten, Flöten, Lauten, E-Bass, Trommeln, Schellen und noch anderes, nichts kommt vom Band, alles ist live. Sängerin Lady Morte hat eine sehr kräftige Stimme, die kaum die Verstärkung durch das Mikro zu benötigen scheint. Mit mehr Rhythmus als zu Beginn werden die Lieder kräftiger und tanzbar und das Publikum, geschätzt 200 Leute, geht mit. Es wird geklatscht und gejubelt und irgendwann ringt sich Lady Morte, die anfangs überaus schüchtern wirkt, sogar ein Lächeln ab. „Sehr lyrisch“, kommentiert ein Zuhörer und blickt verträumt auf die Bühne. Die Deko dort tut das Ihre dazu: Um die Mikroständer sind Efeuranken gewunden und das Licht ist dezent gehalten, der weiße Vorhang, der bei Faun noch Bedeutung haben wird, ist locker beiseite gezogen worden.
Eine halbe Stunde spielen die Spanier und lassen wirklich Stimmung aufkommen, was ich ihnen anfangs nicht zugetraut hätte. Sehr schade: Bei einem der letzten Stücke brüllt die Sängerin gegen Armands Percussions an. Vielleicht klingt es auf der CD besser, live wird das ansonsten geniale Stück ein Flop.
Doch die Menge ist begeistert und würde gerne mehr hören, was aber nicht möglich ist. Die Zeit drängt ein wenig.


v.l.n.r.: Fiona, Oliver, Riarda von Faun

Umbau gibt es nicht, nur der dünne weiße Vorhang wird geschlossen, es wird dunkel im Hirsch und von der Bühne schallen die Drums herüber. Faun beginnen mit einem gut durchdachten Schattenspiel, die beiden Musikerinnen tanzen und man sieht nur ihre vergrößerten Umrisse, bevor sie auseinandergehen und ihre Plätze einnehmen. Manchmal kann man schwach beleuchtet Fiona oder Rairda erkennen, in ihren roten Kleidern, mit der Flöte an den Lippen oder die Harfe spielend.
Oliver stellt sich schließlich in die Mitte, sein unverkennbarer Gesang beginnt und das Schattenspiel hinter ihm, ein kleiner Film, der abläuft, verzaubert. Ein Wald ist zu sehen, Bäume, die vorüberziehen, als stünde man nicht in einem engen, heißen Raum, sondern liefe barfuß über den bemoosten Waldboden und sähe die Natur vorbeirauschen. Das Publikum ist gefangen von diesem Augenblick der Flucht. Die Faune wissen aber, wie man mit Sehnsüchten spielt und haben einen Adler gefilmt. Kraft und Freiheit scheint er auszustrahlen, als er hoch hinauf fliegt, über die Baumwipfel steigt und seine erhabenen Schwingen ausbreitet. Man kann ihn sehen, wie er neben oder hinter Oliver zu kraftvollen Flügelschlägen ausholt und die Musik ist nur ein kleines schmückendes Beiwerk, das malerisch seinen Flug unterstreicht. Aus dem Schattenspiel wird ein Farbenspiel, als bunte Scheinwerfer aus dem Hintergrund den Vorhang anstrahlen, der nun beiseite gezogen wird und die Faune präsentiert. Mit großer Begeisterung wird „Rosmarin“ aufgenommen und es gibt tatsächlich ein paar Fans, die ein Büschel des Krautes mitgebracht haben und es schwenken.
Der viele Nebel unterstützt die Farben der Scheinwerfer, die immer noch dezentes Licht spenden und keine grellen Effekte, wie man das von anderen Konzerten gewohnt ist. Die Menge klatscht den Takt mit, der bekannte Doppelklatscher fällt dabei niemandem schwer und kann sogar beim Tanzen ausgeführt werden. Getanzt wird viel. Entweder drehen sich die Leute im Kreis, oder sie hüpfen von einem Bein auf das andere, liegen sich in den Armen, springen und jauchzen dabei ausgelassen.
Bei einem Streifzug durch die Menge stelle ich fest, dass der Altersdurchschnitt bei Mitte 40 liegt, was mich etwas verwundert. Aber es hat sich ein buntes Volk eingefunden. Da stehen die Metaler grinsend im Bondagerock neben in Leinen gekleideten Endvierzigern, die eindeutig auf dem Esoteriktrip sind. Viele haben die Augen geschlossen und wiegen sich im Takt, irgendwo schwingt eine Frau die Hüften und scheint sich in Trance zu tanzen. In der ersten Reihe hat ein Gothic-Pärchen einen Platz ergattert und begattet sich im Rhythmus der Musik. Das fällt kaum und schon gar nicht negativ auf, nur ich bin etwas konsterniert und vergesse kurzzeitig, dass vor mir eine Wand ist.
Den Faunen fällt das anscheinend gar nicht auf. Sie singen und spielen, Oliver interagiert mit dem Publikum und legt nahe, die bösen Geister nicht immer zu vertreiben, sondern Frieden mit ihnen zu schließen. Sogar Lady Morte betritt noch einmal die Bühne und unterstützt mit ihrem Gesang. Fiona und Rairda lächeln fortwährend fröhlich, Oliver wirkt sehr ausgeglichen und in sich ruhend, dass es fast ansteckend ist.


v.l.n.r.: Fiona und Riarda von Faun

Sie nehmen das Publikum mit zu den Wikingern, lassen uns tanzen, feiern und schließlich sogar mitsingen, als es um die Faun-Hymne „Hymn to Pan“ geht. Lautstärke oder technische Probleme werden sehr dezent geregelt, dass es die meisten gar nicht mitbekommen.
Wer sich nun wundert, nein, die Faune sind nicht weniger geworden, aber Rüdiger und Niel fallen wenig auf. Zwar sieht man Rüdiger des Öfteren im Vordergrund stehen und seine Trommel schlagen, aber Niel verschwindet mit seinem Zylinder im hinteren Teil der Bühne. Dafür erstrahlt sein Laptop, das die Soundeffekte beisteuert und unübersehbar das „Apple“-Logo präsentiert.
Viel zu früh kündigt Oliver das letzte Lied an, „aber wir sind beeinflussbar“, sagt er lächelnd.
Tatsächlich betreten die Faune noch zweimal die Bühne. Die erste Zugabe besteht aus der oben genannten „Hymn to Pan“ und einem weiteren Song. Dazu gibt es den Hinweis, dass Faun im nächsten Jahr mit einer ruhigen Akustiktour zurückkehren werden. Bei der zweiten Zugabe ist der Vorhang wieder geschlossen, Rairda spielt liebevoll Harfe und dem Publikum stockt der Atem. Mit videographischen Hilfsmitteln entsteht ein Baum, der wächst und gedeiht und schließlich in voller Blätterpracht auf den Vorhang projiziert wird. Ein wundervolles Bild, das die Stimmung ein letztes Mal zum Höhepunkt bringt.

Fazit: Was Faun im Hirsch präsentiert haben, sucht seinesgleichen. Ein tolles Konzert, bei dem für Augen, Ohren und Seele etwas geboten wurde. Die Zuschauer wurden für knapp 90 Minuten entführt aus Hirsch und Alltag, hinein in die Welt der Faune, in die Natur.


Der wachsende Baum

 Nürnberg rockt

SCHOCK

Zu Beginn ist es noch recht leer im Hirsch Nürnberg. Auch als die Musiker von SCHOCK die Bühne betreten ist der Applaus noch verhalten. Nur vereinzelt wird der Sänger mit Jubelrufen empfangen. Dieser macht allerdings eine gute Show und füllt die Halle. Mit guten Beats und schnellem Rhythmus heizen die vier Musiker dem Publikum ein, das bald begeistert vor der Bühne steht und freudig die Köpfe schüttelt.
Sänger Michael Schock ist omnipräsent auf der Bühne, tanzt herum, kauert sich zusammen wie Gollum oder springt beachtlich in die Höhe.
Die Texte sind bitterhart und zuckersüß. Es ist für fast jeden etwas dabei, Liebeslieder, Aufrufe zum BDSM oder Tod, Trauer, Verdammnis. Was mich überrascht ist die Mimik des Sängers, der seine Songs lebt. Mit den Texten leidet und lacht er, macht Freudensprünge oder kniet sich auf den Boden. Immer wieder geht er auf Zwischenrufe des Publikums ein und bereitet die Anwesenden auf den Hauptact vor. Gitarrist Lars hat auch noch ein Ass im Ärmel, als er die Saiten seiner Gitarre anstatt zu zupfen mit einem Drumstick schlägt.
Sie würden gerne noch länger spielen, aber die Zeit lässt dies leider nicht zu. Bleibt zu hoffen, dass SCHOCK bald wieder in den Süden kommen.

 Teufel

In blaues Licht getaucht und mit Getrommel füllt sich die Bühne schließlich. Begeistert wird Teufel begrüßt, denn viel zu lange hat Nürnberg auf Tanzwut und das neue Album „Weiße Nächte“ warten müssen. Mit dem Titelsong des Albums beginnt die Show. Lichteffekte und Nebel tauchen den Auftritt immer wieder in geheimnisvolle Stimmungen. Ein ganz besonderes Highlight sind die blauschimmernden Gitarren, während die Sackpfeifenspieler grünlich und Teufel rot angestrahlt werden. Die sieben Musiker haben sichtlich Spaß, ihr neues Werk zu präsentieren und auch alte Stücke werden lautstark mitgesungen. Von der Tanzwut wird jeder im Saal gepackt, es werden Köpfe geschüttelt, Arme nach oben gerissen und das Publikum springt und klatscht bis an die Schmerzgrenze. Eingängige Textpassagen singen die Zuschauer bereitwillig mit, die Rhythmen sind rockig und sorgen für Stimmung. Jagbird, in diesem Jahr neu dazu gestoßen, überzeugt am Keyboard mit guten Einspielungen aus der elektronischen Musiksparte. Ebenso der neue Drummer Shumon, der dem Saal immer wieder den Takt angibt. Auch die Gitarrensoli sind klasse.
Zwischendurch spricht Teufel eifrig das Publikum an, animiert zum Mitmachen, flirtet mit den Fans und gibt nebenbei der Technik Anweisungen. Kleine technische Probleme werden dadurch kaum wahrgenommen und der zwischenzeitlich reparaturbedürftige Mikroständer fällt nur wenigen auf.
Die unverkennbare dunkle Stimme des Sängers schallt bei Balladen liebevoll durch den Saal, um dann wieder gewohnt hart ins Mikro zu rufen.
Auch Ardor und Thrymr haben viel Freude. Mit ihren Sackpfeifen stehen sie mal im Vorder-, mal im Hintergrund und geben den Ton an, oder unterstützen durch Backgroundgesang.
Es ist die altbewährte Mischung aus Mittelaltermusik und elektronischen Klängen, die geboten wird und schließlich greift Teufel selbst zum Dudelsack und beweist sein Können.
Ihre Wurzeln sind immer noch herauszuhören. Corvus Corax haben ihre musikalischen Spuren bis heute hinterlassen. Die leichten Flötentöne schweben geradezu durch den Raum, werden aber immer wieder abgelöst von harten Drums und schnellen Gitarrenklängen. Auch die Choreographie ist durchdacht und stimmt. Teufel bewegt sich auf der Bühne hin und her, die Sackpfeifen tanzen und wechseln ihre Position zu bestimmten Songs, damit gerade dieses mittelalterliche Element nicht nur als nettes Nebenprodukt gesehen wird. Einzig Keyboarder und Drummer bleiben auf ihren Plätzen.
Formvollendet verabschiedet sich die Band mit einer tiefen Verbeugung und schwungvollen Handbewegung von ihrem Publikum, eben wie die Spielleute aus Vorzeiten.
Tanzwut haben in Nürnberg zum ersten Mal auf dieser Tour ihr volles Programm gespielt und sich dabei nicht lumpen lassen. Zweimal kehren sie für Zugaben zurück auf die Bühne und das Publikum hat noch lange nicht genug.

Fazit: Ein gelungener Auftritt, der für leichte Nackenstarre sorgt.

Tanzwut

Alle guten Dinge sind drei

 

 

FragileChild

Nur wenige haben sich in den Hirsch Nürnberg getraut. Vielleicht dreißig Leute stehen verstreut herum und starren auf die Bühne. Dort gibt sich die Lokalband „FragileChild“ gerade die Ehre. „Wir haben unsere Arbeitskleidung vergessen“, sagt der Sänger etwas schüchtern ins Mikro, aber das wäre kaum aufgefallen. Die Songs sind gut, die Gitarre dominiert bei einigen Stücken und zeigt, dass der Gitarrist durchaus was drauf hat. Auch der Sänger gibt alles, wirkt aber verunsichert. Das mag an den technischen Problemen liegen, die „FragileChild“ heute Abend haben. Sänger Dennis gibt sich Mühe, die Stimmung anzuheizen und schafft es wirklich, das Publikum anzusprechen. Teilweise ist etwas viel Elektro in ihrer Musik, was mich stark an „Blutengel“ erinnert. Verwirrend ist die Anzahl der Musiker auf der Bühne, mal sind es drei, dann doch wieder nur der Sänger und Gitarrist Mex. Markus ist wohl sogar für die Bandhomepage noch zu neu, aber omnipräsent auf der Bühne, um Schalter zu bedienen und im Publikum, um Stimmung zu machen. Den Growlgesang bekommen „FragileChild“ sehr gut hin und überspielen damit alle Probleme, die ihre Technik verursacht.

Stoneman

Aus der Schweiz kommend, rocken „Stoneman“ den Hirsch. Mittlerweile haben sich ein paar mehr Leute hierher verirrt. Aus den Lautsprechern ertönt aber zuerst Britney Spears „Oops, I did it again“ und jeder hofft, dass sie es nicht noch einmal tun werden. Die Drums kommen super rüber und die erste Reihe bekommt sie sogar hautnah zu spüren, vibrieren selbst die abgestellten Getränkedosen. Sänger Mikki Chixx hat den Growlgesang im Blut und beweist sein Können. Er ist präsent auf der Bühne und schleudert gerne den Mikroständer herum, so dass man Angst um Bass und Schlagzeug bekommt. Doch die drei Bandkollegen kennen ihn gut genug, um weitestgehend auszuweichen. Sehr gute Riffs bekommt man von Chris Fly zu hören. Die Jungs können was, das steht fest. Ein bisschen erinnert der Gesang an „Eisregen“, jedoch singen „Stoneman“ meist auf Englisch und einen Tick verständlicher. Dann gibt es wieder Passagen, die ebenso von „Rammstein“ sein könnten. Sogar zwei Gogos haben sie mitgebracht – oder vor der Show auf der Straße aufgegabelt, wie Mikki erzählt -, notwendig sind diese jedoch keineswegs. Die ersten Songs klingen ziemlich gleich, doch dann wechselt der Rhythmus und das Publikum kann mitfeiern. Obwohl „Stoneman“ alles geben, fehlt die Stimmung im Hirsch, was wohl an der geringen Besucherzahl liegt. Die Anwesenden jedoch finden das vorletzte Lied „Wer ficken will, muss freundlich sein“ super und singen den einfachen Refrain gerne mit. Rico H, seines Zeichens Drummer der Band, hat anscheinend ein paar Probleme mit seinen Becken, die von einem Techniker korrigiert werden. Bassist Iron Cris hat eine wilde Nacht in der Notaufnahme hinter sich, ihn hatte es bei der gestrigen Aftershowparty in Stuttgart „auf die Fresse gelegt“. Die Schadenfreude der Bandkollegen ist nicht zu übersehen.

Lord of the Lost


v.l.n.r.: Claas Grenayde, Chris „The Lord“ Harms, Sebsta Lindström, Bo Six von Lord of the Lost

Lange genug haben die etwa 70 Anwesenden gewartet, als endlich der Hauptact „Lord of the Lost“ die Bühne betritt. Sänger Chris Harms lässt sich mit viel Nebel und reichlich Geschrei der anwesenden Weiblichkeit begrüßen und legt gleich mit dem gewohnten Begrüßungslied „We are the Lost“ los. Gute Drums von Any Waste, einer hervorragenden Schlagzeugerin, wechseln sich ab mit gekonnten Riffs der Bandkollegen Bo Six und Sebsta Lindström. Keiner steht stur an seinem Platz, sie laufen herum und nehmen die Bühne ein. Chris Harms glänzt mit gutem Gesang, mal schreiend und schrill, mal leiser und in dunkler Stimmlage, außerdem spricht er das Publikum gekonnt an, ist sich für kaum einen Spruch zu schade und verschenkt, wie die anderen Saitenspieler, Plektren am laufenden Band. Sogar die verschwitzten Shirts finden jubelnde Abnehmer – nicht nur weibliche. Nach Songs mit Headbang-Garantie folgen zwei ruhige Stücke, für die der Sänger selbst zur Gitarre greift. Die Ballade bringt er mit viel Gefühl rüber, ohne dabei kitschig zu sein. Mit Applaus honorieren die Anwesenden den Auftritt der Band und lassen sich nicht lange bitten, um rhythmisch mitzuklatschen, „Hey!“ zu schreien oder „Lord of the Lost“ anzufeuern. Wie viel Stimmung so wenig Menschen machen können, wird heute Abend in Nürnberg bewiesen. Da bleibt kein Kopf starr und kein Arm unten. Gitarrensoli werden freudig aufgenommen, Keyboardklänge mischen sich unter harte Drums und schnellen Rhythmus. Das ganze Repertoire wird geboten. Vom alten Album „Fears“ über das Lady Gaga Cover „Bad Romance“ hin zu neuen Stücken der aktuellen Scheibe „Antagony“. Die anderthalb Stunden Spielzeit vergehen viel zu schnell und da 70 Leute die sechs Hamburger partout nicht von der Bühne lassen wollen, kehren Keyboarder Gared Dirge und Bandleader Chris Harms noch einmal zurück. Mit getragener Stimme und nur von Klavierklängen begleitet, wird die einzige und nicht vorhergesehene Zugabe gegeben.
Alles in allem ein gelungener Abend, tolle Auftritte von allen drei Bands – trotz kleiner technischer Mängel.

Lord of the Lost


Setlist Lord of the Lost
Intro
We are the Lost
Do you wanna die without a scar
Undead or alive
Fragmenting Façade
Prison
Antagony
Son of the dawn
Death doesn’t kill you but I do
See you soon
Till death us do part
Prologue
Epiphany
Break your heart
Last words
Dry the Rain
Bad Romance
Sex on Legs

Zugabe
Reprise: Sober

Es werde Licht!

 

 

Samael haben wieder mal ein neues Album auf den Markt gebracht und natürlich darf da eine Europa-Tour mit ein paar Support-Bands im Schlepptau nicht fehlen. Glücklicherweise verschlug es die Schweizer auch in hiesige Gefilde und sie gaben sich in der Münchner Backstage-Halle die Ehre. Das Plakat versprach einen voll gepackten Abend, ganze fünf Bands aus allen Ecken Europas umfasste der Musiker-Tross und machte gespannt auf sehr illustre Unterhaltung der schwermetallenen Art.

 

Finnisch-spanische Brachialien

 

Pünktlich um 19:30 eröffneten Dead Shape Figure aus Helsinki das Spektakel und präsentierten sich als grundsolider musikalischer Mix aus Machine Head und Slayer mit gelegentlichen kühnen Rhythmuswechseln und interessanten Songstrukturen. Als nächstes waren die Spanier Noctem an der Reihe, die ebenfalls diesen Sommer ihr neues Album Oblivion aus der Presse ließen. Da sie mir bis dato noch kein wirklicher Begriff waren und das sonst so freigiebige Internet (außer der obligatorischen Myspace-Seite, die hübsch aufgemacht ist) recht wenig Infos zu Tage förderte, war ich gespannt, was sie live zu bieten hatten. Anfangs gab’s in schönster Black-Metal-Manier richtig auf die Umme, Frontkreischer Beleth bewies ein vermögendes Organ und mit seiner Kapuze und wallendem Mantel erinnerte er an eine Art Priester und gab der Bühnenpräsenz einen mystischen Touch – ein bisschen wie die großartigen Kollegen von Moonspell (scheint ein Trend unserer europäischen Mit-Metaller aus dem Westen zu sein). Der Rest fügte sich optisch in die üblichen Klischees: Pseudo-Rüstungen, Nieten, Leder und immer schön grimmig dreinschauen – Dimmu Borgir wäre stolz. Musikalische Abwechslung gab’s auch hinreichend, denn immer wieder wurden die Songs mit rhythmischen, beinahe hypnotischen Partien gespickt, sodass keine Langeweile aufkommen konnte und es durchaus bangtaugliche Passagen gab. Die Bühnenshow war bodenständig und bot Bekanntes: Talent im Dauer-Rotor und Affinität zu Kunstblut. Nach dem Auftritt wurde dann auch gleich die neue CD erstanden, denn die Jungs haben auf ganzer Linie überzeugt.

 

Nach der Mauser

Nachdem die beiden Rotating-Slot-Acts ihre Show abgeliefert hatten, ging es ans Eingemachte, die Halle füllte sich zusehends und den Anfang bei den großen Jungs machten Keep Of Kalessin. Das letzte Mal, als ich die Norweger erlebt habe, waren sie Support von Satyricon bei deren „Now Diabolical“-Tour anno 2006. Damals waren sie nicht viel mehr als eine von vielen Black-Metal-Bands, die in dieselbe Kerbe schlugen wie ihre Vorbilder: möglichst laut und schnell, dafür aber leider wenig Eigenes, was sie aus der Masse hätte hervorstechen lassen. Glücklicherweise hat sich das bei KOK geändert und sie waren für eine positive Überraschung gut. Los ging es mit bewährtem Geknüppel, Geschrammel und Gekeife und das können die Jungs einfach im Schlaf. Keine Bassdrum-Triole lag daneben, keine Seite war falsch gegriffen – technisch perfekt. Aufhorchen ließ dabei ein neuer Hauch von Groove, der die einstige Monotonie aufbricht. Vereinzelte rockige Riffs und ein von den Gitarreros mit backing vocals unterstützter, zwischen den Shouts tatsächlich singender Thebon bringen frischen Wind und gekonnte Innovation in das Repertoire der Band. Was die Bühnenpräsenz betrifft kann auch nicht gemeckert werden, Thebon kam seiner Rolle als Frontmann mit Publikumsnähe nach und der Rest der Band hatte sichtlich Spaß an dem, was sie da auf der Bühne fabriziert haben. Keep Of Kalessin haben sich weiterentwickelt und das in eine viel versprechende Richtung, wie ich finde. Sie sind auf jeden Fall auch einen zweiten und dritten Blick wert.

Nicht ganz koschere Kakophonie

 

Auf Melechesh war ich sehr gespannt. 1994 in Jerusalem gegründet schreibt sich diese mittlerweile über die ganze Welt verstreut lebende Band auf ihre Fahne, sie betrieben „Mesopotamian Black Metal“. In der Theorie heißt das, sie mischen Elemente des Black-, Death- und Thrash-Metal mit orientalisch inspirierten Gitarrenriffs und Trommelrhythmen sowie arabischen Skalen. Ruft man sich Ähnliches ins Gedächtnis – zum Beispiel Teile von Moonspells Debüt-Album Under The Moonspell (1994), einiges von Hollenthon oder vielleicht auch System Of A Down – weiß man, dass so was durchaus gut funktionieren kann, dabei allerdings auch sehr geschmacksabhängig und speziell bleibt – aber hey, es geht hier schließlich um Black Metal und da ist so ziemlich alles sehr geschmacksabhängig und speziell. Wie haben sich nun die Burschen aus Nahost tatsächlich geschlagen? Das Intro war, wie erwartet, eine wunderbar rhythmische Melodie, wie man sie auf einem sumerischen Bazar vermutet und ging dann stilecht in einen beinharten Blast über – gekonnt, wirkungsvoll, aber nichts wirklich Neues. Die Songs selber sind eine Mischung aus herkömmlichem Black-Metal und, wie beschrieben, arabischen Klängen. Manchmal lösten sich die verschiedenen Teile ein bisschen zu hektisch ab für meinen Geschmack, aber für sich genommen waren sie sehr eingängig, intuitiv beinahe. Witzig war der zweite Gitarrist, der die ersten paar Songs vermummt spielte. Fazit: Melechesh machen ihr Ding nicht schlecht, sind aber selbst im Black-Metal-Genre (und für unbedarfte westliche Ohren) extreme Exoten. Ein bisschen wie ein Snack auf einem türkischen Wochenmarkt: entweder es schmeckt und man will einen Nachschlag, oder man hat eine Woche Brechdurchfall und will nie wieder was davon. Der mesopotamische Black Metal wird wohl eher die etwas spezielleren Geschmäcker ansprechen, ist es aber auf jeden Fall wert, auf Myspace mal reinzuhören und sich selbst ein Urteil zu bilden.

 

Wer hat’s erfunden?

 

Nach einer kleinen Umbaupause war der Höhepunkt des Abends dann endlich erreicht. Mit einem spätestens seit der Reign Of Light obligatorischen Synthie-Intro brachen Samael mit dem Opener der neuen Scheibe Lux Mundi los. Getaucht in ein Stroboskop-Gewitter und umspielt von optischen Effekten auf der Leinwand im Hintergrund bekam das Publikum eine Breitseite vom Feinsten. Die neue CD bleibt dem Trend der Band treu und entwickelt den Stil der Above logisch weiter. Songs im Midtempo, das an alte Tage erinnert, aber weiterhin mit progressiven Riffs, hämmernden Drums und Synthies erfreuen den geneigten Hörer und die unverwechselbare Stimme von Vorph tut ihr Übriges, um den typischen Samael-Sound zu komplettieren. Nach dem fulminanten Auftakt gab’s ein Wiederhören mit den alten Bekannten „Rain“ und „Baphomets Throne“, gefolgt von einigen neueren Stücken von der Above und der Reign Of Light. Unerwartet wurde dann gekonnt in einem Medley aus „Flagellation“, „Mask of the Red Death“ und einem Song der neuen Scheibe die Brücke über 15 Jahre geschlagen, und „Sol Invictus“ stellte die Nackenmuskeln auf eine harte Probe. Nach weiteren Perlen der Bandgeschichte und einer zweiten Verschmelzung von „Shining Kingdom“ und „In The Deep“ folgt der letzte Song und schließt den Kreis zurück zum aktuellen Tonträger. Ein wirkliches Schmankerl gab’s bei der Zugabe, die Fans der ersten Stunde mit „Ceremony of Opposites“ und „Into The Pentagram“ verwöhnte. Nach diesem Konzert besteht, zumindest für mich kein Zweifel mehr an der Qualität dieser Schweizer Ausnahme-Musiker. Besser kann man eine Fan-Gemeinde, die vom Black-Metal-Puristen bis zum Industrial-Rocker so ziemlich alles abdecken dürfte, beim Konzert nicht bei Laune halten. Hut ab!
:mosch::mosch::mosch::mosch::mosch:

 

-JD

Power of Metal

In diesem Jahr touren Skull Fist, Powerwolf, Grave Digger und Sabaton im Rahmen der Power of Metal-Tour 2011 durch Deutschland, Schweiz und Niederlande. Die Konzerte sind nahezu ausverkauft und die vier Bands füllen zu recht die Hallen.

 Skull Fist

Auch in Würzburg ist der Andrang groß. Zwanzig Minuten zu spät – oder 10 Minuten zu früh, so klar wurde mir das nicht – betreten Skull Fist die Bühne. Die mir bis dato unbekannte Band klingt stark nach dem Metal der 1980er Jahre und hat Anlaufschwierigkeiten. Die Posthalle ist nur etwa zur Hälfte gefüllt und egal, wie sehr sich die vier Musiker auch bemühen, das Publikum zieht nicht richtig mit. Da helfen auch keine Aufrufe zum Headbangen. Auch Showeinlagen ändern nichts daran, so wird auch nicht honoriert, dass der Sänger auf die Schultern seines Bandkollegen springt und weitersingt, oder Bassist und Gitarrist über die Saiten des anderen schrammeln. Nach dreißig Minuten ist der Auftritt auch schon wieder vorbei und die meisten drängen aus der Halle.

Powerwolf-Sänger Atilla Dorn

Mehr Beachtung wird Powerwolf zuteil. Mit ihrem neuen Album „Blood of the Saints“ landeten sie im August diesen Jahres auf Platz 23 der deutschen Albumcharts. Dieser unerwartete Erfolg treibt die fünf Musiker noch mehr an. Mit schwarzweißen Leinwänden, die abgeänderte Kirchenfenster zeigen (die Jungfrau Maria ist ein Wolf u.a.) und einem riesigen Powerwolf-Banner im Hintergrund, rocken sie den Abend. Das Publikum ist begeistert, lässt sich gerne von der guten Stimmung der Band anstecken und singt, wo es geht, mit. Stilecht ölt Sänger Atilla Dorn seine Stimme aus einem Becher; die klassische Gesangsausbildung merkt man deutlich und sie ist es auch, die die Musik zu etwas Besonderem macht. Hinzu kommen die lateinischen und englischen Texte, die nur zu gerne liturgische Elemente (Kyrie eleison, Hallelujah etc.) beinhalten und laut Band spirituell angehaucht sind. Mit Weihrauchschwenker kamen sie und damit verabschieden sie sich auch von der headbangenden Metalgemeinde, die Powerwolf gar nicht gehen lassen will. Die fünf Musiker machen Stimmung für Grave Digger und Sabaton und verleihen ihrer Wertschätzung für die beiden Bands Ausdruck, machen zudem deutlich, wie stolz sie sind, mit den „Großen“ auf Tour zu sein.

 Grave Digger-Sänger Chris Boltendahl

Grave Digger stellt dann einen recht harten musikalischen Bruch dar. Die ersten Lieder laufen schleppend, auch wenn das Publikum den Auftritt des Skeletts mit Dudelsack noch bejubelt. Aber die Band kann auf eine erfolgreiche 30jährige Geschichte zurückblicken und bringt auch das Publikum in Würzburg in Stimmung. Endlich werden die alten Lieder lautstark mitgesungen. Die ältere Generation, die die Band noch „von damals“ kennt, freut sich über die Klassiker, wie „Excalibur“ und die Jüngeren lassen sich von „Heavy Metal Breakdown“ anstecken. Eine Stunde lang grölt Sänger Chris Boltendahl auf der Bühne und macht Show, dann gehen Grave Digger unter lauten „Zugabe!“-Rufen.

Sabaton

Schließlich stürmen Sabaton in die Halle und geben alles. Sie bilden den gelungenen Abschluss und Hauptact des Abend. Die Menge feiert die Band, grölt mit, veranstaltet Sprechgesänge und Crowdsurfing. Es gibt kein Halten mehr und der Erfolgskurs der schwedischen Metalband geht auch an diesem Abend weiter.
Aus Zeitgründen konnten wir uns leider nicht den ganzen Auftritt ansehen. Der Abend war sehr gelungen und eine gute Mischung aus alten und neueren Heavy Metal Bands, die es (immer noch) drauf haben.

Donnerstag, 18.08.11
Es ist heiß, als wir nach Dinkelbühl fahren und ich frage mich, wie wir das stundenlang aushalten sollen. Bereits im Ort selbst strömen Festivalbesucher von Supermarkt zu Supermarkt, kaufen günstigen Met oder palettenweise Bier in Dosen. Einige sehen ziemlich erschöpft aus und scheinen sich mit letzter Kraft in die Apotheke zu schleppen. Andere filmen sich gegenseitig beim Einkauf. Bereits hier sind Outfit und Farbenpracht keine Grenzen gesetzt. Fröhliches Schwarz wechselt sich mit kreischendem Pink ab und Neongrün scheint die neue Mode zu sein. Irgendwo werden Zelte, Pavillons und Campingausrüstung zu „günstigen Festivalpreisen“ angeboten. Nur manche Anwohner drehen sich pikiert nach den alljährlichen Gästen um, genervt ist man eher vom Stau, der sich gebildet hat. Die Beschilderung zum Festivalplatz ist gut und der holprige Feldweg zum VIP-Parkplatz bereitet mir Sorgen. Von weitem schon hören wir “A pale horse named Death“und “The Sorrow“. Es dauert ein bisschen, bis wir endlich alles erledigt haben und das Gelände betreten.
Im Partyzelt brüllt sich gerade Britta Görtz von „Cripper“ die Seele aus dem Leib. Noch ist das Zelt recht leer und die Stimmung weit unter dem Höhepunkt, aber die Frontfrau gibt alles und überzeugt mit gutem, deutschen Thrash Metal.
“Seventh Void“ geben sich auf der Mainstage die Ehre – leider auch vor wenig Publikum. „Ein wenig erinnern die an Overkill“, sagt ein Zuhörer. Vor allem aber erinnern sie an “A pale horse named Death“ und “Type 0 Negative“, denn die Besetzung weist Überschneidungen auf: Drummer Johnny Kelley und Gitarrist Kenney Hickey. Die Hardrocker liefern eine gute Show und machen natürlich ihrem Namen alle Ehre. Von Dantes „Inferno“ inspiriert besingen sie auch auf dem Breeze Dunkelheit, Qual und Verzweiflung.

Seventh Void

Gar nicht so düster aussehend werden “Death before Dishonor“ von einigen unterschätzt. Dies ändert sich aber nach den ersten Songs, die in die wachsende Menge geschleudert werden. Für den Kenner gewohnt hardrockig mit immer wieder durchschimmernden Metalelementen, wird bald die ein oder andere Zeile vor der Pain Stage mitgesungen.
Eher ruhige Töne schlagen dagegen “The Haunted“ an und nehmen ein bisschen die Stimmung, die „Death before Dishonor“ aufgebaut hatten. Hier steht allerdings der Text im Vordergrund, der gut verständlich von Fronter Peter Dolving gesungen wird. Zu den leisen und fast schon sanften Gesangstönen mischen sich aber auch alte Thrash-Metal-Songs wie „The Drowning“. Die etwas mutige Mischung von alten und neuen Stücken ist gut gelungen und „The Haunted“ bleibt eine tolle Liveband.
Um möglichst viel mitzunehmen, wandern wir über das Gelände, vorbei am „Mobilen Piercingstudio“, das gerade Kundschaft hat, an zig Bekleidungsständen, die an diesem Tag vor allem mit Sonnenschutzartikeln Geld machen, einem Tätowierer und einem Stand, an dem man sich wie jedes Jahr das Summerbreezelogo auf Taschen und Armbänder stanzen lassen kann.
Vor der Camelstage ist wenig los, man ist recht skeptisch, was man von einer Band mit Namen “Ranz Böllner and the Heavy Metal Warriors“ zu erwarten hat. Enge Hosen und komische Perücken entdecken wir, dann legt Sänger Ranz Böllner los und überrascht mit 80er Jahre Heavy Metal. Die fünf Musiker spielen immer in den Umbaupausen des Partyzelts und ziehen bald immer mehr wartendes Publikum an. Mit viel Liebe zum musikalischen Detail sind sie eine gute Liveband, die mitreißt.

Der norwegische Würgegriff

“Comeback Kid“ warten mit einer Mischung aus Punk und Hardcore auf. Der Platz vor der Painstage ist voller geworden, die Köpfe werden wild zu den schnellen Rhythmen geschüttelt. In gewissen Kreisen hat die Band bereits Legendenstatus erlangt.
Norwegisch geht es dagegen im Partyzelt zu. Letztes Jahr brachten“Kvelertak“ ihr Debütalbum in die Läden und landeten sofort einen Hit. Obwohl nur auf Norwegisch gesungen wird, ist das Zelt gut gefüllt und das Publikum bangt, tanzt und grölt angemessen zum norwegischen Würgegriff (dt. Übersetzung des Bandnamens). Ihr Stil ist schwer zu beschreiben, irgendwo zwischen Punk, Hardcore und Black Metal bewegen sie sich – hörenswert!
Seit fast 30 Jahren gibt es die Band und man braucht nicht zu erwähnen, dass nach den weitgehend bekannten Kultalben der Platz vor der Mainstage voll ist. „Suicidal Tendencies“ geben wie gewohnt alles, reißen die Massen mit und spielen hauptsächlich alte Songs. Der Drummer Eric Moore II zeigt was er kann und drischt im guten Hardcore-Stil auf sein Schlagzeug ein. Die Interaktion mit dem Publikum ist sehr gut, es wird direkt angesprochen und viel Stimmung gemacht. Zugaben gibt es wegen des engen Zeitplans leider keine.
In eine ganz andere Richtung geht die Coverband “AC/DX“. Schon der Name verrät, was zu erwarten ist. Die Gassenhauer der legendären „AC/DC“-Mannen werden rauf und runter gespielt, da werden vor allem die älteren Semester nostalgisch. „So was gibt’s doch heute gar nicht mehr. Da wird alles verstärkt und unverständlich“, ruft ein Mann seinem Nachbarn zu. „AC/DX“ hingegen sind nicht nur musikalisch gute Cover der Legenden, auch das Outfit erinnert stark an ihre Vorbilder. Mitgesungen wird auch kräftig – von jeder Altersstufe.
Beim Shouten steht Angela Gossow richtigen Kerlen in nichts nach. Anstatt das zierliche, blonde Mauerblümchen zu sein, das man von einigen Titelblättern kennt, zeigt die Frontfrau von “Arch Enemy“eine super Show. Sie reißt gekonnt die Menge mit und die pyrotechnischen Effekte passen sehr gut dazu. Vielfach muss man sich aber einzig auf seine Ohren verlassen, denn „Arch Enemy“ verschwinden mehrfach hinter einer roten Nebelwand. Ein wahres Death Metal Wunder, das die Stimmung richtig anheizt.
Gerade richtig für die nachfolgende Gruppe: “Sonic Syndicate“. Vielen fällt zuerst die hübsche Bassistin auf, erfahre ich im kurzen Gespräch mit einigen Festivalbesuchern. Dabei sollten eher die beiden Shouter auffallen, den zwei davon in einer Band findet man selten. Und gerade das macht die Metalcoreband aus. Abwechselnd oder gemeinsam malträtieren die beiden unsere Ohren. Dem Publikum gefällt das gut und kaum einer denkt in diesen Momenten an die turbulente Zeit, die „Sonic Syndicate“ hinter haben, gab es im vergangenen Jahr einige Unstimmigkeiten mit Gründungsmitglied Richard Sjunnesson, der schließlich die Band verließ. Würdig ersetzt wird er durch Christoffer Andersson, der mindestens genauso gut brüllen kann.

“Der Säufermond legt sich zur Ruh“ – Noch lange nicht 

An diesem Abend jedoch ist das alles nur Vorgeplänkel für den erwarteten Mainact des Tages: “In Extremo“! Erfolgreich touren sie mit ihrem aktuellen Album durch Deutschland und sorgen auf dem Summerbreeze für Ausnahmezustand. Denn, so viel sei vorweg verraten, nur eine pinke Band aus Erlangen hat in diesem Jahr gleichermaßen viel Publikum angezogen. Dicht gedrängt stehen wir in der Menge vor der Main Stage und unter großem Jubel stürmen die sieben Musiker die Bühne. Mit einer guten Mischung aus alten Songs wie „Spielmannsfluch“, der vom Letzten Einhorn nur mit „Es regnet“ angekündigt wird, bevor die Menge den Gesang übernimmt, und neuen Songs des aktuellen Albums „Sterneneisen“ rocken „In Extremo“ fast 80 Minuten lang das Summerbreeze. Inklusive toller Pyroshow, die zu „Ohs“ und „Ahs“ animierte. Es herrscht rege Kommunikation zwischen Band und Publikum, was aufgeschnappt wird, wird kommentiert vom Letzten Einhorn und er fragt auch, was man denn gerne hören möchte. Gegenüber der Bühne schaut sogar der Halbmond fasziniert zu. „Es war ein sowohl musikalisches als auch reales Feuerwerk“, meint ein junger Mann, und es hätte wohl niemand etwas dagegen, wenn „In Extremo“ noch länger spielen würden. Aber der Zeitplan sieht etwas anderes vor und so strömen die Massen Richtung Ausgang, als die Lichter der Mainstage für diese Nacht endgültig ausgehen.
Nur ganz Hartgesottene schleppen sich müde zur Painstage und hören sich “Marduk“ an. Viele sitzen oder liegen auf dem Boden, vom Alkohol oder dem anstrengenden Tag erschöpft schlafen sogar einige bereits. Die Lichtershow ist gigantisch und schnell, ein Aufblitzen von Blau und Weiß, das rasend schnell wieder verschwunden ist. Dazwischen die kratzige Stimme von Morgan Steinmeyer Hakansson, der alles gibt und auch bei seinem zweiten Auftritt in Dinkelsbühl nach 2008 auf heftiges Headbanging wartet. Dies tun allerdings die wenigstens, weil die Musik einfach zu schnell dafür ist. „Und heute spielen sie nur die langsamen Stücke!“, kommentiert ein etwas enttäuschter Fan und geht zum Ausgang. „Marduk“ sind trotzdem ein toller Black Metal – Act.
Zuletzt wollen wir noch ins Partyzelt schauen, bleiben aber davor stehen – wie etwa 1000 weitere Besucher. “Excrementory Grindfuckers“ ziehen wie jedes Mal die Massen an. Da nützt es auch nichts, dass das neue Partyzelt größer ist. Es ist brechend voll, da passt keine Maus mehr dazwischen und auch vor dem Zelt herrscht Gedränge, als die Fun Metaler auf die kleine Bühne kommen. Ob es „Im Wagen vor mir“ oder eine Parodie von „Wann wird’s mal wieder richtig Sommer?“ (hier: Wann spielt ihr endlich wieder Grindcore) ist, die fünf Spaßrocker machen immer Stimmung, ob auf Wacken oder eben zum dritten Mal beim Summerbreeze. Auch dieser Auftritt war gelungen, leider kann ich aber von den „speziellen Aktionen“, die sich die Band für ihre Auftritte einfallen lassen, nichts berichten, es war absolut kein Durchkommen mehr und gesehen hab ich erst recht nichts.

In Extremo

 

Freitag, 19.08.2011
Gegen Morgen sucht ein Unwetter Dinkelsbühl heim. Glücklicherweise werden nur ein paar Zelte umgerissen und Pavillons abgedeckt. Aber es ist nass geworden auf dem Campingplatz und einige nutzen dies, um nicht die Dusche benutzen zu müssen. Die Planen von den Absperrgittern werden entfernt, damit der Wind sie nicht mitreißen kann. Aber das Lüftchen tut gut, ist es doch heute weniger heiß. Der Boden ist dafür prima matschig und an manchen Stellen sind die Pfützen etwas tiefer. Hartgesottene Festivalgänger lassen sich davon jedoch nicht abschrecken: Mit steigendem Alkoholkonsum sinkt die Hemmschwelle und die Klamotten werden dreckiger, die Spielchen schlammiger und nackt baden im Schlamm ist doch Wellness, oder?
Die Stimmung ist also gut und viele haben sich vor der Mainstage versammelt, um die sieben Herren von “Saltatio Mortis“ zu hören – und zu sehen. Sie sind ein Augenschmaus und obwohl zum Leidwesen der weiblichen Fans Frontmann Alea der Bescheidene nun endgültig unter der Haube ist – sie haben es auf Pro7 verfolgt – schmachten die Damen eifrig den Sänger an. Der macht seine gewohnte Show und kann sich am textsicheren Publikum erfreuen. Natürlich werden die alten Gassenhauer vorgetragen, Alea springt mit der Fahne von der Bühne und lässt eine Gasse bilden, durch die er hindurch rennt. Aber „Saltatio Mortis“ lassen es sich nicht nehmen, auch ein Stück ihres am 02.09.11 erscheinenden Albums „Sturm aufs Paradies“ zu präsentieren. „Eulenspiegel“ heißt es und kommt gut an. Nach einem „Pommesgabel“-Feld (liebevolle Bezeichnung für das Abspreizen des Zeige- und kleinen Fingers) fordert der Frontmann nun dazu auf, sich an den Händen zu fassen und die Augen zu schließen. Damit spricht er das Gemeinschaftsgefühl an, das ohnehin in gewissem Maße auf Festivals herrscht. „Wir sind alle eins!“, ruft er ins Mikro und die Menge jubelt ihm zu.
Nach diesem Auftritt werfen wir einen kurzen Blick auf die Camel Stage. Hier stehen gerade “Guns of Moropolis“. Im kleinen Kreis kommt die seltsame Mischung aus Heavy Metal, Rock‘n’Roll und Rockabilly sehr gut an. Es wird fleißig geheadbangt und die Schwaben geben alles.

J.B.O.

Im Partyzelt stehen die Silbergesichter von “Stahlmann“ auf dem Programm und enttäuschen. Die Show bietet außer den schwarzen Anzügen und angemalten Gesichtern nichts, die Stimmung ist auf dem Nullpunkt und das Publikum, das ohnehin nicht zahlreich erschienen ist, verflüchtigt sich schnell. Die Neue-Deutsche-Härte-Band hat auf ihren Platten eindeutig mehr zu bieten und wird auf dem Summer Breeze erstaunlicherweise ihrem Ruf als erstklassige Live-Band nicht gerecht.
Pink schwirrt es den ganzen Tag schon um uns herum. Seien es pinke Anzüge, Bademäntel, Shirts, Haare oder die Papierfähnchen, die ausgeteilt werden. Pink ist an diesem Nachmittag das neue Schwarz. Und endlich kommen die vier Erlanger auf die Bühne. “J.B.O.“werden unter großem Jubel begrüßt, fast jeder Song wird gnadenlos mitgesunden. Es wird getanzt – auch im Matsch -, Fähnchen geschwenkt und der Band zugeprostet. Natürlich wird sich auch auf dem Summer Breeze gefragt, worüber der besungene Bolle sich so köstlich amüsiert hat, aber es wird wohl ewig ein zensiertes Geheimnis bleiben. Glücklicher Zufall: Das neue Album der Franken kommt heute auf den Markt und wird zum Verkaufsschlager des Festivals. Dementsprechend begehrt ist die Autogrammstunde, die bei weitem nicht ausreicht, um alle Wünsche zu erfüllen. Daher wird eine zweite anberaumt. Und weil ihnen selbst klar ist, dass die Coverband nicht ganz Metal ist, haben sie noch einen guten Tipp auf Lager: „Lieber Bier und Metal, weil Wein und House kann tödlich sein!“. Das „Killeralbum“, mit dem „J.B.O.“ im Herbst auf Tour gehen, ist im Übrigen nur halb so brutal wie es klingt: „Killer“ kommt vom fränkischen „killern“ und das wiederum bedeutet „kitzeln“.
Mit Akkordeon und Geige als Unterstützung geht es auf der Pain Stage weiter. “Turisas“, benannt nach einem altertümlichen finnischen Kriegsgott, freuen sich, in Deutschland spielen zu dürfen und begrüßen herzlich ihre Fans. Ihren Stil selbst als Battle Metal bezeichnend, machen die Finnen mächtig Stimmung und liefern eine gute Show, die sehr gut ankommt. Das Publikum ist höchsterfreut über den Auftritt der Band und reckt die, soweit vorhandenen, Methörner der Bühne entgegen.

Kult und Cover

Mit einer Kultband geht es weiter: “Bolt Thrower“ geben sich die Ehre. Zum zweiten Mal sind sie auf dem Summer Breeze, obwohl sie sich auf Festivals sehr rar machen. Aber sie zeigen, was sie drauf haben. Das Headbangig beginnt mit dem ersten Lied und endet mit dem Letzten. Leider gibt es kleinere Soundprobleme, die aber niemanden stören und schnell behoben werden.
“Weissglut“stehen auf der Camel Stage. Alles, was ich bisher von ihnen gehört habe, reißt mich nicht vom Hocker. Auch jetzt bin ich nicht annähernd so begeistert wie viele Besucher, die um die Bühne herumstehen. Klar, textsicher ist man schon und kann die Songs der Vorbilder „Rammstein“ lautstark mitgrölen. Es fehlt jedoch am letzten Schliff. “Weissglut“ gelten als beste und professionellste deutsche Rammstein-Coverband. Mit viel Feuer auf der Bühne und einem Sänger, der Till gerne ähnlicher wäre, kommen sie der Show ihrer Idole nahe. An Gesang und Sound fehlt es meiner Meinung allerdings, ist nicht die ganze Power des Originals zu spüren.
Anders geben sich “Graveyard“ im Partyzelt. Mit ihrem Mix aus gemäßigtem Rock, Blues und Psychedelic kommen sie gut an. Es ist eben etwas anderes und sicherlich nicht das letzte Mal, dass wir sie auf dem Summer Breeze gesehen haben.
Direkt im Anschluss stehen die fünf Münsteraner von “Neaera“ im Partyzelt. Benannt nach einer altgriechischen Hetäre (Prostituierte) werden sie von einer großen Menge erwartet und das Zelt scheint einmal mehr aus allen Nähten zu platzen. Da wird das Headbangen zwar schwierig, aber nicht unmöglich und wenn es doch irgendwo zu eng wird, steigt man einfach auf die Menge und lässt sich tragen. Crowdsurfen macht auch zum Metalcore von „Neaera“ jede Menge Spaß.
Erneut schlagen uns die Nebelmassen entgegen, als wir vor der Pain Stage stehend auf einen guten Moment für Fotos warten. Leider gibt es da kaum Chancen beim Auftritt der Mannen von “Amorphis“ . Neben mir steht ein verliebtes Pärchen, dass sich rasch Richtung Campingplatz begibt, nachdem die Frage nach dem Austausch von Körperflüssigkeiten gestellt wird. Eine junge Frau sieht irritiert hinterher und ihr Begleitung ruft ihr zu: „Die spinnen! Hier will man bangen, diven und feiern!“ – und genau das wird auch getan. Im Mai haben „Amorphis“ ihr zehntes Album („The Beginning of Time“) veröffentlicht und bieten uns astreinen Metal mit herrlichen Riffs und Growlgesang.

HammerFall

Dann kommt der Mainact, auf den ich mich seit Monaten gefreut habe. Zum ersten Mal geben sich “HammerFall“ die Ehre und spielen auf dem Summer Breeze. Die fünf Schweden haben Kultstatus erreicht und so ist es nicht verwunderlich, dass sich viel Publikum eingefunden hat und den Herren huldigt. Es wird ordentlich mitgesungen, denn kaum einer kennt die Hymnen der Band nicht. Ob es Songs des aktuellen Albums „Infected“, das im Mai diesen Jahres erschien, oder vom erfolgreichen „Legacy of Kings“-Album von 1998 sind, „HammerFall“ haben einen sechsten Mann: Das Publikum. Da kommt erneut Gemeinschaftsgefühl auf, als zusammen gesungen und die Fäuste in den Nachthimmel gereckt werden. Beim altbekannten „Heeding the Call“ habe nicht nur ich Gänsehaut und noch weit über das Gelände hinaus kann man zwischendurch den Sprechchor „HammerFall!“ hören. Ein sehr gelungener Auftritt und wir hoffen, dass die Schweden bald wiederkommen werden.
Um aber noch eine beliebte Band mitzubekommen, verlassen wir die Main Stage frühzeitig und gehen zum Partyzelt. Hier stehen “Vicious Rumors“ auf der Bühne. Leider haben die vier Musiker von “Atheist“relativ kurzfristig abgesagt, so dass im Programmheft noch ihr Auftritt angegeben ist. Dies hat bei einigen für Verwirrung gesorgt, bei manch einem Fan sogar für Unmut, hätte er doch gerne „Vicious Rumors“ gesehen und weiß nichts davon. Dementsprechend leer ist das Partyzelt. Aber das hält die fünfköpfige Band, die seit 1979 besteht und seitdem 21 Musiker kommen und gehen sah, nicht davon ab, ihre Show zu machen. Die wiederum kann sich sehen lassen. Sänger Brian Allen gibt alles und ist auf der Bühne omnipräsent. „Ein bisschen ähnlich wie Hammerfall!“, kommentiert ein Festivalbesucher. Ganz so falsch liegt er damit nicht, die Ähnlichkeit der beiden Powermetalbands ist vorhanden, stört aber nicht.
Wir sind zu müde, um noch auf den Auftritt von “Powerwolf“ zu warten, die ihr neues Album „Blood oft the Saints“ präsentieren und – so erfahren wir am nächsten Tag – eine sehr gute Show lieferten. Mit ihrer Mischung aus Powermetal und Klassik, haben sie sogar einen Orgelspieler in ihren Reihen und einen klassisch ausgebildeten Sänger, ist das auch kein Wunder.
Auf dem Feldweg macht mein Auto noch ein sehr ungesundes Geräusch und übertönt sogar die Klänge von „Kataklysm“, die auf der Pain Stage den Abend abschließen.

Vicious Rumors

Samstag, 20.08.11
Es ist wieder brüllend heiß und leider weht heute nicht mal das laue Lüftchen von Freitag. Im heißen, geschlossenen Pressezelt versuche ich der Pressekonferenz von Tarja Turunen anlässlich ihrer Gold-Auszeichnung für ihr Album „My Winter Storm“, das 120.000 Mal in Deutschland über die Ladentheke ging. Doch dazu später mehr. Man sieht dem Pressevölkchen an, dass es reicht. Drei Tage, für manche sogar vier, sind genug. Die Ringe unter den Augen werden immer dunkler, mühsam schleppen sich viele von einem Gig zum anderen, machen ihre Fotos, eine kurze Notiz und flüchten wieder in den spärlichen Schatten zu kühlen Getränken. Betten gibt es ja leider nicht. Dafür eine Wespenplage, der wir nicht Herr werden.
Immerhin bekommen wir noch einen Rest von “Deadlock“ mit. Die veganen Musiker aus Deutschland bieten einen einzigartigen Stil. Melodic Death Metal wird immer durchsetzt mit Elementen aus den Bereichen Trance, Hip Hop oder Techno. Dazu singt mit einer klaren, hellen Stimme Sabine Scherer, auf die Johannes Prem mit derben Growls antwortet. Eine gewöhnungsbedürftige Mischung, die nur wenigen gefällt. Man bemerkt die angesprochene Müdigkeit auch beim Publikum, das es sich eher auf dem Boden bequem gemacht hat, als feiernd vor der Bühne zu stehen.
Nicht viel anders ergeht es “Grand Magus“, die aber immerhin die Anwesenden zum Mitgrölen und Zuprosten animieren können. Es ist guter, alter Rock gepaart mit Heavy Metal Elementen. Kein musikalischer Schnickschnack, dafür sehr schöne Gitarrensoli.
Anders dagegen “Criminal“, die mit aggressiven Riffs im Partyzelt für Stimmung sorgen. Vor wenig Publikum legen sie einen guten Auftritt mit schönem Death Metal hin. Passend dazu erschien einen Tag zuvor ihr neues Album „Akelarre“.

Deadlock

Nur ein paar Meter weiter auf der Camel Stage hören wir für das Summer Breeze eher seltene Klänge. Es schallt mittelalterlich herüber und auf der Bühne sind ebensolche Instrumente zu sehen. Auch das Outfit der sechs Musiker von “Vogelfrey – der Pakt der Geächteten“ist entsprechend. Aber man täte ihnen unrecht, würde man ihren Sound nur als mittelalterlich bezeichnen. Denn zwischen den ruhigen Liedern tönt auch Metal zu uns herüber. So schaffen es die Musiker, eine brillante Mischung aus Mittelalter, Folklore, Rock und Metal zu präsentieren, die bei jedem ihrer vier Auftritte besser ankommt. Am 12.11.10 erschien ihr aktuelles Album „Wiegenfest“. Neue Fans haben sie auf dem Summer Breeze mit Sicherheit dazugewonnen.
Als krasser Gegensatz hierzu steht im Partyzelt die Post-Hardcore-Gruppe “Adept“ auf dem Programm. Die Schweden kommen gut an und growlen ins Mikro, was die Stimmbänder hergeben. Da bleibt kein Kopf oben und sogar ein Vater mit seinem kleinen Sohn auf den Schultern headbangt.
Sehr lange ließen die “Farmer Boys“ auf sich warten. Ihr letzter gemeinsamer Auftritt fand im Dezember 2008 statt. Umso mehr freut sich das Publikum, die fünf Musiker endlich wieder vereint zu sehen und honoriert dies mit zahlreichem Erscheinen. Frontmann Matthias Sayer gibt offen zu, dass er jetzt lieber im Stadion wäre, in dem sich der VfB Stuttgart gegen Bayer 04 Leverkusen abrackert – und leider verliert. Dann eben mehr Power auf der Bühne.
Die schwedische Death Metal Band “Demonical“ rocken zeitgleich das Partyzelt. Auch sie präsentiere ihre neue Platte, „Death infernal“, und bleiben ihrem harten Stil treu. Das Publikum ist begeistert und grölt gerne mit.

Von Königen und Piraten 

Vor der Pain Stage ist es voll geworden. Dichtgedrängt erwartet man die Könige der Spielleute, “Corvus Corax“. Wie es sich gehört, reißen sie die Anwesenden mit, feiern, tanzen und lassen uns mehrfach die müden Arme gen Himmel strecken. Die Stimmung ist ausgelassen und die Kolkraben erklären, obwohl sie auf einem Heavy Metal Festival seien, machten sie kein Heavy Metal, denn ihre Instrumente seien aus Holz: „Wir machen Heavy Wood!“ – und das machen sie sehr gut. Alte wohlbekannte Lieder werden aufgespielt, es wird auf unterschiedliche Weise dazu das Tanzbein geschwungen und geheadbangt. Die Feuerwehr zeigt sich ebenfalls musikalisch und erfrischt die Menge mit kühlem Wasser, dass zum Rhythmus passend in die Menge gespritzt wird. Auch das neue Album „Sverker“, das am 25.11.11 veröffentlich wird, klingt gut, spielen „Corvus Corax“ doch ein Stück daraus. Nur schwer kann man sich trennen, man will die Band nicht von der Bühne, doch leider ist die Zeit begrenzt und so verabschieden sie sich und weisen auf die kommende Tour hin.
Im krassen Gegensatz zu den Spielleuten verwandeln “As I lay dying“die Main Stage zu einem Ort harten Metalcores. Die Band kommt gut an, wie nicht anders zu erwarten. Interessant ist hierbei die Betonung auf das Christsein der Band. „As I lay dying“ beweisen, dass das Glaube und Metal sich nicht gegenseitig ausschließen und betrachten wie immer gekonnt die Welt, die sie besingen, aus christlicher Sicht. Den Leuten gefällt’s und die Stimmung ist gut.
Genauso auch im Partyzelt, wo die Piraten von “Swashbuckle“auftreten. Mit einer guten Show heizen die drei Amerikaner den Anwesenden richtig ein und fordern immer wieder zum Crowdsurfen auf – dem gerne nachgekommen wird. Die „Grabenschlampen“ (die Ordner, die alle Surfer in Empfang nehmen) haben alle Hände voll zu tun, während hinter ihnen das Säbelrasseln weitergeht und Admiral Nobeard genau weiß, was die Fans erwarten.
Eine ähnlich gute Show liefern unter großem Zuschauerandrang“Caliban“. Für viele ist dies bereits der Mainact des Tages und im Publikum fragt man sich, warum die fünf Musiker nicht auf der Main Stage spielen durften. Denn dort gehören sie eindeutig hin. Ihr Metalcore wird erfreut aufgenommen und man hat ihnen die „Coverfield“-EP verziehen, auch wenn sie sogar ein Stück dieses Albums spielen. „Caliban“ werden angefeuert und bejubelt und der Gig scheint viel zu schnell zu Ende zu gehen.
Die Camel Stage präsentiert solange “Volksmetal“, eine oberbayerische Band mit Tuba, Akkordeon und Kniebundhosen. Ihre volksmusikalischen Metallieder (oder umgekehrt) werden liebevoll belächelt, der Platz direkt vor der Bühne ist nur spärlich gefüllt. Nach dem ersten Lied weiß ich dann auch, warum. Die Mischung ist mehr als gewöhnungsbedürftig und kommt erst ab einem gewissen Alkoholpegel gut an. Da hilft es auch nichts, dass man keine Teufelshörnchen, sondern der gestreckte Mittelfinger gezeigt werden soll. Vom angekündigten VIP-Stammtisch auf der Bühne, zünftig mit Weißwurst, Brezn und Bier habe ich nichts gesehen – aber welcher Bayer isst die Weißwürscht auch nach 12 Uhr?
“Obscura“ im Partyzelt sind vor allem eines: Laut. Da helfen auch die Ohrstöpsel wenig. In einer grün-roten Lichtershow springt Sänger und E-Gitarrist Steffen Kummerer über die gesamte Bühne und macht bei seinen Ansagen einen sympathischen Eindruck. Das Shouten hingegen hat zumindest mir nicht gefallen, weil das Mikro einfach viel zu laut war. Dennoch haben die Landshuter mehr Anerkennung verdient, denn sie bieten wirklich gutes Technical Death Metal.
Ob die ca. 33 verflossenen Mitglieder “The Ocean“ wirklich gut getan haben, bezweifle ich. Auch das Publikum ist alles andere als überzeugt von der Berliner bzw. Schweizer Band. Da helfen auch die Bemühungen von Fronter Loic Rossetti nichts, Stimmung zu machen. Eigentlich schade, denn „The Ocean“ sind normalerweise für intensive und gute Liveauftritte bekannt.

Tarja Turunen bei der Pressekonferenz

Ein weiteres Highlight soll der Auftritt von Tarja werden. Die ehemalige Sängerin von „Nightwish“ hat sich in den vergangenen Jahren als Solokünstlerin einen Namen gemacht. Mit ihrer namenlosen Band nahm sie drei Alben auf. Für das erste in Deutschland verkaufte Album „My Winter Storm“ wird Tarja nun mit Gold ausgezeichnet, für 120.000 verkaufte Exemplare. Diese Auszeichnung bekommt sie auf dem Summer Breeze überreicht. Am Mittag erklärt sie in einer Pressekonferenz, in der man sie leider nicht einmal gut verstehen konnte, wenn man direkt vor ihr saß, was sie zu ihren Songs inspiriert. Außerdem stellte sie ihre neue Band vor, die nun sogar einen Namen hat. „Harus“ nennen sich die drei Musiker und Tarja, das ist ein finnischer Begriff für die vier Seile eines Zeltes, die es stabilisieren. Sie hat sich Gedanken gemacht, zeigt der Bandname, und der soll Programm sein. Mit neuer Band, zu der auch „Farmer Boys“ Gitarrist Alex gehört, soll es auf zu neuen, erfolgreichen Projekten gehen. Mittlerweile ist Tarja ein alter Hase im Geschäft und freut sich auf Tourneen in der ganzen Welt. Das sah bei ihrer ersten Solo-Europa-Tour noch anders aus, als sie auf die Frage, wie es denn sei, mit „Shitty!“ (beschissen) antwortete. Dann erzählt die Sopranistin eine Anekdote vom Tauchen mit einer Freundin und der Begegnung mit einem Hai. Die Sängerin liebt Haie und schwamm ohne Angst auf ihn zu, nahm ihre Freundin an die Hand und heilte sie so von ihrer Angst vor den Fischen. Tarja hat gute Laune, lacht viel, wirkt aber dennoch etwas verloren und freut sich auf ihren Auftritt. Dieser findet am Abend auf der Main Stage statt. Dabei bekommt sie also endlich ihre Gold-Auszeichnung und bedankt sich bei den Fans auf Deutsch. Da vor 3 Tagen ihr 34. Geburtstag war, wird verhalten „Happy Birthday“ gesungen. Ganz so gut wie erwartet kommen Tarja und ihre Band nicht an. Der Platz ist alles andere als voll, viele sitzen einfach herum, um sich einen guten Platz für den nachfolgenden Act zu sichern und schauen gelangweilt auf die Bühne oder unterhalten sich. Die Finnin zeigt sich bemüht um das Publikum, kann es jedoch kaum erobern und wirkt ob der mangelnden positiven Resonanz verunsichert. Musikalisch bietet Tarja das, was man von ihr erwartet: Rockige Musik mit einzigartigem lyrischem Sopran. Der Auftritt endet einige Minuten vor dem offiziellen Schluss und es werden Stimmen laut, die dies begrüßen. Der Auftritt sei schlecht gewesen, sie passe nicht auf ein Metal-Festival sagen einige, andere wiederum sind der Meinung, dass sie schrill und krächzend rüberkam. „Wir sind nur aus Solidarität zu “Nightwish“ hingegangen!“, teilt mir ein Pärchen mit. Verdient hätte die großartige Sängerin allerdings mehr.
Die angeblich schlechteste Metalband der Welt gibt sich die Ehre:“Sodom“ werden lautstark und begeistert begrüßt und füllen die Reihen wieder. Man hat auf sie gewartet und headbangt nun kräftig mit. Wie vor 30 Jahren – nicht jeder der Anwesenden konnte damals schon „Sodom“ hören – spielen sie aggressiven und schnellen Thrash-Metal. Das Publikum ist begeistert von den Riffs und vom unverwechselbaren Gesang Tom Angelrippers. Man singt gerne mit, seien es Songs von den alten Alben oder von der Aktuellen Platte „In War and Pieces“. Die Deutschen Metaler werden gefeiert und einige ältere Semester sind extra ihretwegen zum Summer Breeze gekommen. “Sodom“ wissen das zu schätzen und kommentieren: „Viele sind mit uns aufgewachsen. Ich sehe viele graue Haare und einige Glatzen!“. Aber auch Jungvolk, denn „Sodom“ ist Kult und genauso wird der Auftritt auf beschrieben: „War wieder kultig!“
Meine letzte Band ist “Týr“. Die Färöer werden dem selbstgewählten Bandnamen nach einem isländischen Kampf- und Siegesgott in jeder Hinsicht gerecht. Sie füllen das Partyzelt bis zum letzten Mann und lassen sich feiern. Sie spielen auch heute eher langsamen Metal. Ihre eigene Form des Viking Metal eben. Mit auf der Setlist stehen auch Songs aus dem brandneuen Album „The Lay of Thrym“.
Irgendwie froh, das Summer Breeze überstanden zu haben, mit schmerzenden Füßen und Sonnenbrand fahren wir nach Hause. Es hat sich vollends gelohnt und unter den 43 gesehenen Bands war einiges Neues.

Die harten Fakten kommen wie so oft zum Schluss:
– Etwa 33.000 Metal- und Musikfans waren in diesem Jahr in Dinkelsbühl
– 400 Toihäuschen wurden aufgestellt, also durchschnittlich eins für 82,5 Besucher, und ständig von neuen Wagen geleert und gesäubert
– hinzu kamen 180 komfortable Spültoiletten und 140 Duschen
– 2000 Menschen waren für das leibliche Wohl, Organisation und die Sicherheit zuständig
– 20 km Bauzaun, 5 km Stromkabel und 34 km Wasserleitung waren verlegt worden

In diesem Jahr konnte viel Gutes getan werden, unterstützte das Summer Breeze den Aalener Verein „Govinda Entwicklungshilfe e.V.“. „Der Verein engagiert sich seit 1998 für die Bevölkerung Nepals, einer der ärmsten Regionen der Welt. Der ehrenamtlich geführte Verein bietet nahe der Hauptstadt Kathmandu 51 Waisenkindern eine Heimat.“ (Quelle: Programmheft des Veranstalters, S. 1) Der Becherpfand in Höhe von 0,50 Euro konnte bei Nichtrückgabe der Becher gespendet werden. Leider ist noch nicht bekannt, wie hoch die Spende für den Verein ausgefallen ist.

Und last but not least: Der Gewinner des diesjährigen New Blood Awards heißt ”Steve from England”. Die vierköpfige Band aus Hannover macht seit 2008 Musik und bezeichnet ihren Stil selbst als Hardcore. Wer mal reinhören möchte, das Debütalbum „Serenity is just a relic“ gibt es als Gratis-Download auf der Bandhomepage.

Summer Breeze 2011 – We survived! Und sehen uns im nächsten Jahr wieder zum 15jährigen Jubiläum.

Impressionen: Ein kleiner Teil des Campingbereichs

Kleiner Nachtrag.
Für den guten Zweck, nämlich Kinder in Nepal, wurden in Form von Flaschen, Dosen und Bechern 21.000 Euro gespendet.
Der Govinda-Verein sagt danke und kann mit dem Geld viel Gutes tun.