Eine Reise durch Raum und Zeit

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Credit: Peter Lindbergh

Jean-Michel Jarre – seine Alben verkauften sich über 80 Millionen Mal. Sein Mut zur instrumentalen Musik beeinflusste unzählige Musiker. Seine empathische Sichtweise und sein Engagement für Natur und Menschheit machten ihn zum UNESCO Botschafter für Umwelt und Bildungsarbeit. Mit diesem großen Erfahrungsschatz bringt er heute sein neues Album Equinoxe Infinity heraus. Wer jetzt sagt: „Equinoxe – das gab’s doch schon mal“, der hat recht, aber das sind jetzt schon 40 Jahre her, da kann man schon mal eine Neuauflage zu diesem Jubiläum machen.

Jean_Michel_Jarre_Equinoxe_Infinity_Cover_01_px900Der eigenwillige Musiker hat sich anlässlich des neuen Albums entschlossen, zwei Cover entwickeln zu lassen. Filip Hodas entwarf zwei Motive, „eines symbolisiert die harmonische Koexistenz von Menschheit und Künstlicher Intelligenz. Das andere zeigt eine Zukunft, in der Menschheit und Maschinen die Erde zerstören“ sagt Jean-Michel Jarre. Und „… Nie war ich auf ein Album stolzer … Alles klingt so wie es sein soll.“ Da kann ich ihm nur zustimmen. Die Synthesizer-Instrumentalmusik ist oftmals sehr individuell, jeder entwickelt dazu seine eigenen Vorstellungen. Jean-Michel Jarre’s musikalische Visionen veranlassen mich meist in Zeit und Raum einzutauchen, so ist dies auch bei „The Watchers“. Ein elektronischer Track mit viel Geräuschkulisse, unter anderem höre ich Wasserblasen aufsteigen. „Flying Totems“ gibt einen einfachen, wiederholten Takt vor, zu dem man mitschwingen kann. In der Regel konnte ich in der Vergangenheit nicht zur Musik von Jarre tanzen, es war eher Zuhören und Runterkommen angesagt. Die aufblitzenden, großartigen Electronic-Elemente verstärken „Robots don’t cry“, das erinnert mich an so manche ältere Jarre-Komposition. Er lässt hier auch ein Mellotron, eines der ältesten elektromechanischen Instrumente, einfließen. Die künstlich eingesetzte Geige erzeugt Melancholie, wir reisen durch den Raum und gehen nahtlos über in „All that you leave behind“, das die Wehmut aufnimmt und einen wiederholenden Ruf in die Unendlichkeit abgibt. Das nur eineinhalb Minuten lange „If the wind could speak“ weht einen fernen menschlichen Laut heran und entfernt sich schnell wieder. Meeresrauschen eröffnet „Infinity“, das eine Art Clubsound einläutet, zu dem man wieder tanzen kann. Stellt euch eine große Maschinenhalle vor, es wird gehämmert, gepresst, Programmierungen laufen ab, „Machines are learning“ gibt diesen Eindruck wieder. Aber etwas ist anders, die Maschinen unterhalten sich miteinander – eine großartige Komposition. Die bekannten Soundtüfteleien kommen bei „The Opening“ wieder zum Tragen, „Don’t look back“ hat einen großartigen Einstieg durch die Synthesizer-Saitenklänge. Man stelle sich ein kleines Barockkonzert mit Streichern vor, webe den Hauch der Unendlichkeit ein, das könnte das Motiv sein. Das Maßlose von Zeit und Klang fließt auch durch „Equinoxe Infinity“, alles verweht, ist nur kurzzeitig von Bedeutung, sei es der Wind oder das Blätterrauschen.

Jean_Michel_Jarre_Equinoxe_Infinity_Cover_02_px900Das neue Album stellt uns die „Watchers“ (s. Cover) als Freunde oder Rivalen dar – es gilt sich ein eigenes Urteil zu bilden. Der Künstler sagt: „Equinoxe Infinity ist eine Vorherbestimmung der Zukunft, die nicht trostlos aussehen muss, sondern vielmehr empathisch-fortschrittlich und aufregend sein kann.“
Was für mich einmal mit Musik aus Zeit und Raum (1983) begann, setzt sich im Heute mit Equinoxe Infinity fort. Ich wurde wieder in die Weite des Weltraums gezogen, die Zeit glitt dahin ohne Bedenken, der Synthesizer trug mich fort auf vielerlei Klängen und Geräuschen. Es entstand ein Parallel-Universum, ein Rückzugsort, um sich ganz auf diese Instrumentals einzulassen. Die Option des Tanzens war mir bis dato neu, funktioniert aber gut.
Das 40-jährige Jubiläum bzw. die Neuauflage zu Equinoxe ist ein eigenes, neues Werk, das die Klasse und Qualität eines herausragenden Künstlers unserer Zeit wieder zum Vorschein bringt und kurze Rückbezüge zulässt. Equinoxe Infinity ist eine sehr gute Fortsetzung zu seinen vielen anderen Vorläufern und wird es mit dem Erstwerk als Box-Set geben, siehe dazu https://jeanmicheljarre.com/equinoxe-infinity.

Anspieltipp: Robots don’t cry, Infinity, Machines are learning

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Jean-Michel Jarre: Equinoxe Infinity
Columbia / Sony Music, Vö.: 16.11.2018
Vinyl 12 €/ mp3 7,99 € bei Amazon

Tracklist:
1. The Watchers (Movement 1)
2. Flying Totems (Movement 2)
3. Robots don’t cry (Movement 3)
4. All that you leave behind (Movement 4)
5. If the wind could speak (Movement 5)
6. Infinity (Movement 6)
7. Machines are learning (Movement 7)
8. The Opening (Movement 8)
9. Don’t look back (Movement 9)
10. Equinoxe Infinity (Movement 10)

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