Gezügelter Wahnsinn

 



wumpscut_cover_ohne-beschriftungAlle Jahre wieder ist es soweit, Rudy Ratzinger entlässt ein neues Album aus seiner Soundschmiede. Ich persönlich habe da ein klein wenig den Überblick verloren, manches blieb auch nicht so recht im Gedächtnis, weshalb ich mich diesmal darauf gefreut habe, mich mal wieder intensiver mit einem :wumpscut:-Album auseinanderzusetzen. 

Viel sagen muss man nicht mehr zu :wumpscut:, das Ein-Mann-Projekt ist schon lange wichtiger Bestandteil der schwarzen Elektroszene, und kaum eine Party verzichtet auf Songs von ihm. Ob auf dem neuen Album Tanzflächenpotenzial vertreten ist, wird sich herausstellen, insgesamt ist es recht ruhig, aber vielschichtig und spannend geworden, so viel sei schon mal vorweg gesagt. 

Los geht’s mit „Rubber Corpse“, das ganz unverkennbar :wumpscut: ist: verzerrte Elektrosounds, Sprachsamples, düster-kalte Atmosphäre. Das Midtempo lädt zum Tanzen ein, insgesamt wird dem Hörer hier nichts Neuartiges serviert. 
Aufhorchen kann man dagegen bei „Furunkel Lolita“, das auf den ersten Blick fast brav erscheint, dessen ungewöhnlicher Refrain sich jedoch schon bald im Kopf festsetzt. 
Recht harmlos geht es weiter mit „Cross of Iron“, das vor allem durch seinen Klargesang auffällt. In der zweiten Hälfte wird es ein wenig intensiver – den Track muss man definitiv öfter hören, dann gewinnt er.
„Atrocity Dancer“ verarbeitet gekonnt Samples aus dem Film A.I. – Künstliche Intelligenz, zusammen mit atmosphärischen Klängen und Rudys klarem Sprechgesang. Der Track baut sich langsam auf, wird brachialer, eindringlicher – bisher mein Highlight der CD.
Das musikalische Niveau wird zum Glück gehalten, „Heresy“ punktet mit ungewöhnlichen Soundspielereien. Nicht unbedingt tanzflächentauglich und vielleicht deshalb umso spannender.
„Supergurl“ fährt dagegen gut in die Beine, das Tempo wird etwas gesteigert, der Refrain ist eingängig, der Song macht Spaß.
Bei „Vienna“ geht die Reise – wenig überraschend – nach Wien, langsame Klaviermelodien werden mit österreichischen Sprachsamples (ebenfalls aus einem Film?) vermischt und dadurch eine höllisch beklemmende Atmosphäre erzeugt, die einen so schnell nicht mehr loslässt. 
„Pagan Crusade“ dagegen ist wieder sehr viel braver, für meinen Geschmack etwas zu sehr auf Nummer Sicher komponiert. Der Refrain reißt einiges wieder raus, der mit einer interessanten Melodieführung aufwartet. Vielleicht muss man den Song aber noch diverse Male auf sich wirken lassen.
„Flesh Trench“ ist da schon wieder eher nach meinem Geschmack, hier wird’s wieder böse und abgrundtief durch schleppenden Rhythmus und heftige Sprachsamples über trügerisch netter Klavierbegleitung. 
„RTL Hariti“ bildet einen stimmungsvollen Abschluss, in dem es soundtechnisch einiges zu entdecken gibt. 

Fazit: Ein insgesamt wieder gutes Album von :wumpscut:, auch wenn er sich nicht neu erfindet – muss er aber auch nicht, er hat seinen unverkennbaren Stil, und das ist gut so. Mir ganz persönlich ist das Album etwas zu langsam geraten, aber das ist Geschmackssache und sagt erst mal nichts über die musikalische Qualität aus. Es finden sich einige ungewöhnliche Melodien und Soundspielereien, einige Lieder gehen wirklich gut ins Ohr und grundsätzlich lohnt sich ein mehrmaliges Durchhören. In den Clubs werden wahrscheinlich weiterhin die alten Klassiker gespielt und nichts von diesem Album, aber daheim lässt es sich ja auch gut genießen. 

Anspieltipp: Atrocity Dancer

:mosch: :mosch: :mosch: :mosch: :mosch2: 

:wumpscut: – Bulwark Bazooka
Beton Kopf Media
Länge: 48:47 min
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Tracklist: 
1. Rubber Corpse
2. Furunkel Lolita
3. Cross of Iron
4. Atrocity Dancer
5. Heresy
6. Supergurl
7. Vienna
8. Pagan Crusade
9. Flesh Trench
10. RTL Hariti 

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