Graffiti und Grauen
1972 kam Glamour nach München, man schaffte es, die Olympischen Sommerspiele in die bayerische Landeshauptstadt zu holen. Zu diesem Anlass bekamen die Münchner eine U-Bahn – und das Olympische Dorf. In manchen Reiseführern und selbst in München-Blogs wird das Olympiadorf mittlerweile als Graffiti-Hotspot aufgeführt.
Dabei meint man die putzigen kleinen Bungalows, in denen damals die Sportlerinnen untergebracht wurden. Während das ehemalige Olympische Dorf der Männer im Norden heute wie geplant als Wohnviertel genutzt wird, ist das ehemalige Olympische Dorf der Frauen im Süden heute eine Studentenwohnanlage.
Die Bungalows erstrecken sich über zwei Etagen, sind aber trotzdem winzig. Dennoch haben sie Kultcharakter. Es ist nicht leicht, an so ein Appartement zu kommen, und es gibt auch Richtlinien, wie man sich darin und darum zu verhalten hat. Die klitzekleinen Häuschen sind auch allesamt nicht mehr im Original erhalten. Die 800 Häuschen aus dem Jahr 1971 sind 2007 abgerissen worden, nun stehen 1052 etwas kleinere Bungalows an ihrer Stelle.
Eine Sanierung des Dorfs, das unter Ensembleschutz steht, sei nicht mehr wirtschaftlich darstellbar gewesen. Nur eine Zeile mit zwölf Häuschen ist noch Original, sozusagen als „Beispieldenkmal“. Der Wiederaufbau des Dorfs begann im Oktober 2007. Nun ist natürlich alles fertig. Äußerlich sehen die neuen Bungalows fast so aus wie die alten. Mit 19 statt 23 Quadratmetern Wohnfläche sind sie noch etwas kleiner, im Inneren aber besser aufgeteilt. Malen draußen war übrigens ausdrücklich erlaubt, ja erwünscht im Studentendorf. Schließlich sollten die neuen Bungalows irgendwann einmal genauso bunt aussehen wie die alten. Die bemalten Bungalows sind weltweit berühmt.
Zu schön wäre es, wenn man einfach nur Freude empfinden könnte, wenn man hier durchschlendert. Leider hat sich hier 1972, während der Olympiade, ja ein Drama abgespielt. Am 5. September 1972 gab es den Anschlag der palästinensischen Terrororganisation „Schwarzer September“ auf die israelische Mannschaft bei den Olympischen Spielen, der als Geiselnahme begann und mit der Ermordung aller elf israelischen Geiseln sowie mit dem Tod von fünf Geiselnehmern und eines Polizisten endete. Südlich der Studentenwohnanlage im Olympiazentrum liegt deshalb der Erinnerungsort Olympia-Attentat.
Es ist eine Gedenkstätte für die Opfer des Anschlags. Die Eröffnung war am 6. September 2017, genau 45 Jahre nach dem Attentat. Vom Olympiadorf sind es nur wenige Meter bis zum Erinnerungsort, von dort sieht man über die ganze Anlage. Sie informiert multimedial über die elf Sportler und den Polizisten, die bei dem Attentat getötet wurden, sowie über den Attentats-Verlauf. In der Gedenkstätte erinnern zwölf Informationstafeln und persönliche Gegenstände an die Opfer des Anschlags. Darüber hinaus informiert eine Medienwand in einem Zehn-Minuten-Loop über das Attentat. Die videoüberwachte Gedenkstätte ist Tag und Nacht geöffnet.
Sehr interessant und bewegend. Man kommt von der U-Bahn, schlendert in Richtung Olympiadorf, erfreut sich an studentischem Leben und farbenfrohen Graffitis, und einige Meter weiter gibt es dann – nach immerhin 45 Jahren – diese Gedenkstätte des Grauens.
Als Münchner ein Muss.
Adresse Erinnerungsort Olympia-Attentat:
Kolehmainenweg
80809 München
(5824)