Tabula Rasa

Isoscope-Conclusive-messDie Mitglieder der Berliner Band Isoscope haben sich 2018 über ein Internet-Forum gefunden. Pandemiebedingt ist das erste Album Ten pieces in kompletter DIY-Eigenregie entstanden, mit dem sie auch direkt das Label Noisolution auf sich aufmerksam machen konnten. Mit dabei sind Philipp (Gitarre), Bonnie (Gitarre und Schlagzeug), Konstantin (Gitarre, Keyboard, Klarinette und Schlagzeug) und Merle (Bass). Alle vier singen nicht nur, sondern haben auch völlig unterschiedliche musikalische Backgrounds, und das kann mensch auch aus der Musik heraushören, was auch den besonderen Reiz ausmacht. Nun ist das Nachfolgewerk Conclusive mess im Kasten, und ich will versuchen, das „schlüssige Chaos“ einzuordnen.

Mit ruhigen Klängen beginnt „Tabula Rasa“, bevor ein hyperaktives Duracell-Häschen plötzlich loslegt. Das hat was von Prodigy, nur ohne den Bass-Wumms. Schließlich schieben sich die Instrumente ins Bild, eine Frauenstimme spricht, Post-Punk-Elemente und Gesangsspuren, die mich an Ghost erinnern. Das alles in einem Song – der Titel dazu ist gut gewählt. Als der Frauengesang einsetzt in „How do they know“, verspüre ich sofort starke Vibes von der unvergesslichen Poly Styrene aus der legendären Punk-Band X-Ray Spex, wobei der Song selbst mehr im Mid-Tempo angesiedelt ist. Ruhiger Sprechgesang bestimmt anschließend „Pain simulator“, dazu gesellt sich eine The-Cure-Stimmung, die aber von der dazwischen grätschenden Gitarre aufgelöst wird. Leicht dissonanter Mehrstimmengesang und schräge Synthesizer-Sounds beschließen den Song. Mit Synthies startet auch der „Autopilot“, wo irgendwie alles psychedelisch zusammenkommt. Basis davon ist das prägnante Schlagzeugspiel.
„Dreams I (The sleep of reason produces monsters)“ hingegen ist ein sphärisches Klangexperiment, das in „Dreams II (REM)“ hinüberleitet, das von Frauengesang und Bassspiel bestimmt wird. Natürlich lauert die Gitarre stets im Hintergrund und sorgt für Noise-Einsprengsel. „Dreams III (Lucid)“ nimmt die Melodie auf, und Männergesang stellt eine neue Perspektive dar, auch werden die Instrumente anders eingesetzt. Das folgende „Keep on building, boys“ beginnt sehr repetiv, und diese Grund-Melodie lässt mich an „Ich bin ein junger Werwolf“ von Der Fluch denken, das war es dann aber auch schon mit etwaigen Gemeinsamkeiten. Das Stück hängt zwischen den Stühlen und wirkt eher nachdenklich. Schwarz-weiße Kriminalfilme der 60er Jahre kommen mir bei „¿Adoptas?“ in den Sinn und auch Paulchen Panther. Jedenfalls wird durch die psychedelischen Töne irgendwas aus dem Unterbewusstsein meiner Kindheit geweckt, vielleicht wegen den schrägen Klarinetten-Klängen. „Western“ beschließt das Album mit Noise und Post Punk, und ich frage mich ein wenig, was da gerade insgesamt passiert ist.

Fazit: Eine ganze Menge. Und das ist teils schwer in Worte zu fassen. Immer wieder erinnern mich Sprengsel an dies oder das, aber die Kombination der vielfältigen Elemente lässt das auch gleich wieder verschwimmen – Tabula Rasa. In der Tat herrscht hier auf Conclusive mess ein gewisses Chaos, und gleichzeitig wirkt dies aber doch schlüssig und macht Sinn. Es ist erstaunlich, wie sich die unterschiedlichen musikalischen Backgrounds zu einer Einheit zusammenfügen: Noise, Post Punk, Psychedelic, Math Rock, Experimental. Diejenigen unter euch, die auf Ungewöhnliches stehen, sollten Isoscope unbedingt austesten.

Anspieltipps: Tabula Rasa

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Isoscope: Conclusive mess
Noisolution, Vö. 03.11.2023
MP3 15,00 € erhältlich über Bandcamp
CD 13,99 €, LP 22,99 € erhältlich über Noisolution

Links:
https://www.isoscope-band.de/
https://www.instagram.com/isoscope_band/
https://www.noisolution.de/

Tracklist:
01 Tabula Rasa
02 How do they know
03 Pain simulator
04 Autopilot
05 Dreams I (The sleep of reason produces monsters)
06 Dreams II (REM)
07 Dreams III (Lucid)
08 Keep on building, boys
09 ¿Adoptas?
10 Western

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