the tinopener’s art – das sind Maximilian Lückenhaus und Barbara Gemelli. Im letzten Jahr hat das Elektro-Duo aus München mit observations in a time of chances sein zweites Album veröffentlicht. Die vielfältigen und eindringlichen Songs aus ausgeklügelter feinster Elektronik zwischen Synthpop, Electro und Darkwave haben uns begeistert (siehe Rezension). Sie selber beschreiben ihren Sound als „elektronisch, teils cineastisch und atmosphärisch melancholisch, mal düster elegisch, mal treibend rhythmisch“. observations in a time of chances hat uns neugierig auf the tinopener’s art gemacht!
Wer verbirgt sich hinter the tinopener’s art?
Wir sind zu zweit, namentlich: Maximilian Lückenhaus (Musik, Texte, Gesang) und Barbara Gemelli (Stimme, Gesang und auch Szenerien für Textinhalte).
Wie ist das Projekt entstanden, wie seid ihr auf euren Bandnamen gekommen und was bedeutet er für euch?
Maximilian: Ursprünglich startete das Ganze als Projekt für Soundexprimente und Sampling. Nach Kollaborationen mit verschiedenen Elektronik-Musikern und „Lyrikern“, mündete es schließlich vor einigen Jahren in die heutige Besetzung, die nun schon länger stabil ist. Stilistisch war es von Anfang an sehr frei angelegt – mit dem gemeinsamen Nenner der Liebe zur elektronischen Musik.
Das „Art“ im Projektnamen war uns wichtig, um unser Streben zu einer künstlerischen Kreativität zu manifestieren. Gleichzeitig wollten wir das Ganze aber auch etwas aufbrechen durch den eher profanierenden „tinopener“ („Dosenöffner“), der sinnbildlich dafür steht, dass Kunst nicht aus dem Nichts entsteht. Stattdessen sind wir ja alle geprägt durch unsere Umgebung, reagieren auf sie, interagieren mit ihr, stellen sie vielleicht auch in Frage, beziehen uns beim kreativen Schaffen aber eben stets auch auf das Vorhandene – sei es die Klangästhetik einer Musikrichtung, die Inspiration durch Eindrücke aus dem täglichen Umfeld oder auch konkret der Sound eines Synthesizers oder der Rhythmus eines Drum-Samples. Für all dies stehen in unserem Bandnamen die „Dosen“ als Behältnisse, die es geschickt zu öffnen gilt, um aus ihren Zutaten dann neues Kreatives zu schaffen.
Was verbindet euch?
Barbara: Uns verbindet insbesondere der Spaß an Musik und dem Zauber, mit ihren Klängen Gefühle und Stimmungen vermitteln zu können. Aber auch das Diskutieren, Grübeln, Überlegen und Hinterfragen von dem, was uns bewegt und umgibt, um hieraus dann Texte oder Sprachcollagen zu erstellen, die sich mit dem Klang kombinieren lassen.
Beschreibt euren Sound mal außerhalb aller Genre-Schubladen. Wie klingt eure Musik?
Maximilian: Unser Sound ist auf alle Fälle elektronisch, teils cineastisch und atmosphärisch melancholisch, mal düster elegisch, mal treibend rhythmisch. Gesang und Stimme stehen meist nicht zu sehr im Vordergrund, sondern werden als weiteres Instrument in das Klangarrangement integriert, um eine Gesamtstimmung zu erzeugen.
Was sind eure ersten musikalischen Erinnerungen?
Barbara: Mich hat die Stimmung in den Live-Clubs stark beeindruckt, die ich nach und nach besuchen konnte, nachdem ich mit 16 Jahren nach München gezogen bin. Da kamen oft Musiker von verschiedenen Bands nach ihren regulären Konzerten vorbei und jammten spontan zusammen – über Genregrenzen hinweg, einfach nur in der gemeinsamen Liebe zur Musik.
Maximilian: In meinem Elternhaus wurde extrem viel Musik gehört, mit einer großen Bandbreite von Klassik bis Pop und Rock. Da war es naheliegend, dass auch ich recht früh anfing, Musik zu hören und Alben zu sammeln; eines meiner ersten Alben war von Depeche Mode und hat mich bis heute ziemlich beeindruckt.
Woher kommen euer Interesse und die Faszination für (elektronische) Musik?
Maximilian: Während meiner Schulzeit habe ich noch ganz „ordentlich“ klassisches Klavier gelernt, aber eines Tages brachte mein Vater dann für sich ein kleines Casio-Keyboard ins Haus mit Minitasten, Arpeggio-Begleitung und Gummi-Pads für Drum-Sounds. Das hat mich sofort infiziert, und seitdem bin ich von elektronischen Tonerzeugern nicht mehr losgekommen und habe mit Barbara jemand gefunden, die diesen Klangkosmos auch gerne bereist.
Welchen Einfluss hat eure Umgebung auf eure Musik? Aus welcher Stimmung heraus ergeben sich für euch die besten Musikstücke?
Barbara: Das Umfeld spielt eine große Rolle. Unsere Texte beschäftigen sich oft mit dem, was in der Gesellschaft um uns herum passiert oder basieren auch auf persönlichen Erlebnissen, wie z.B. aus dem Nachtleben – als dieses noch uneingeschränkter möglich war.
Maximilian: Der Klang und die Stimmung von Songs wird auch stark durch die direkte Umgebung beeinflusst. Viele Songs entstehen spätabends oder auch nachts, wenn die grelle und stürmische Welt sich zurückgezogen hat und sich alles mysthischer und freier anfühlt. Unsere Synthies stehen in einem hoch gelegenen kleinen Zimmer, von dem man auf das nächtliche München mit einem weiten Horizont blicken kann – die perfekte Kulisse, um seine Gedanken schweifen zu lassen und sich Stimmungen hinzugeben. All dies versuchen wir dann in die Musik einzubringen.
Die Einflüsse, die ihr in eurer Musik verarbeitet, würden wir die auch in eurer Plattensammlung oder auf eurer Playlist wiederfinden?
Maximilian: Definitiv findet sich da eine Menge, was auch starken Einfluss auf unser musikalisches Schaffen hat. Zusammen haben wir eine echt ansehnliche Sammlung an Playlists und CD-Alben mit einer ziemlichen Bandbreite, von Darkwave, experimenteller Elektronik bis Britpop, von Shoegaze bis Synthie-Pop, von New Wave bis Techno. Über das Internet haben wir aber auch Kontakt zu weniger bekannten Bandprojekten und Musikmachenden quer durch Europa, wo man sich dann auch austauscht und gegenseitig inspiriert.
Welche Musik hört ihr gerade besonders gerne?
Maximilian: Also im Moment ist ganz oben bei den Album-Favoriten: „Love made me do it“ von Kat von D, „Anne Dudley plays the art of noise“ von Anne Dudley, „Shadow of funk“ von Cabaret Voltaire, „Element 115“ von Funker Vogt, „Call the comet“ von Johnny Marr, sowie „Cosmonauts“ von Infinity Room.
Wenn ihr einen Film auswählen und eure Musik als Soundtrack einfügen könntet – welcher Film wäre das?
Maximilian: Wenn es ein Film sein sollte, dann wohl am besten „Dark City“.
In welcher Beziehung steht und/oder repräsentiert der visuelle Aspekt eure Musik?
Barbara: Von Anfang an war das Projekt als eine Art Gesamtkunstwerk angelegt, zu dem neben der Musik auch stark der visuelle Aspekt gehört. Zu jedem Song gibt es deshalb ein Cover-Artwork, das die Musik ergänzt und interpretiert. So entsteht für jeden Song ein Gemeinschaftswerk aus Musik, Klang, Text und Grafik.
Maximilian: Und hätten wir mehr Zeit und Budget, würden wir auch zu jedem Song ein Video kreieren (lacht).
Letztes Jahr habt ihr euer Album „observations in a time of chances“ veröffentlicht. Wie entstehen eure Songs?
Maximilian: Meist starten wir mit Klangexperimenten, kurzen Soundschnipseln, Klangflächen, ersten Melodie-Ideen und legen darunter einen passenden Rhythmus. Hieraus baue ich dann einen Fundus an Song-Fragmenten, zu denen wir dann oftmals gemeinsam ein passendes inhaltliches Thema suchen. Daraus ergibt sich dann wiederum die Stimmung, die vermittelt werden soll und Dinge wie den Soundcharakter oder die Songgeschwindigkeit festlegen. Danach geht es dann ans Texten der Lyrics, die dann schließlich auch zur finalen Melodie führen.
Was sind eure Pläne? Was wünscht ihr euch für die Zukunft?
Maximilian: Gegenwärtig arbeiten wir am Basismaterial für ein neues Album, das aber noch etwas länger brauchen wird. Dazwischen machen wir auch Einzelveröffentlichungen auf Online-Samplern, wie kürzlich unser neuer Track „movement of the masses“ für die Compilation „Midnight Radio 107“.
Barbara: Wir freuen uns über alle, die unsere Musik hören und wertschätzen und hoffen natürlich, dass sich mit der Zeit, noch mehr und mehr „Listener und Follower“ finden. Von daher auch vielen Dank an das Team bei „Schwarzes Bayern“ für diese Gelegenheit zum Interview!
Gleichzeitig wünschen wir uns, dass die Welt um uns herum wieder mehr Zusammenhalt findet und sich nicht durch Populismus und Hate-Speech spalten lässt und dass unsere Gesellschaft auch wieder mehr Respekt für die Kunst- und Kulturschaffenden entwickelt, die jetzt schon zu lange als „nicht systemrelevant“ in den Schatten gestellt wurden.
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