Dark Pop

Seit Wochen will ich im Museum Brandhorst die Ausstellung „Dark Pop“ ansehen, der Titel spricht mich total an, und außerdem hoffe ich, ein paar Fotos machen zu dürfen. Leider platzt der Traum sehr schnell, man darf im ganzen Museum keine Bilder machen, nicht mal ohne Blitz.
Ich sehe gleich im ersten Raum, völlig nüchtern gehalten mit weißen kahlen Wänden, runde Bilder mit den Porträts einer lachenden Jackie Onassis und Marilyn Monroe (Andy Warhol). Erst wenn man ein bisschen tiefer geht und nachliest, erfährt man, dass das Foto von Jackie O. aufgenommen wurde kurz nach dem Schuss auf ihren Mann, John F. Kennedy. Das Bild von Marilyn wurde erstmals posthum veröffentlicht.
In den nächsten kargen Räumen sehe ich seltsame Gebilde, die ich nicht verstehe, größtenteils aus Wachs: Köpfe, ein einzelner kleiner verlassener roter Kinderschuh, der irgendwie düster wirkt und an verschwundene Kinder denken lässt, eine behaarte Kerze (Robert Gober).

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Wie makaber eine gehäutete aufgehängte Katze (Bruce Nauman) – natürlich nur aus Plastik – auf mich als Katzenfreundin wirkt, muss ich nicht beschreiben.
In einem anderen Raum befindet sich eine kleine Installation über Patty Hearst, die Enkeltochter des US-amerikanischen Medienmoguls William Hearst, die 1974 durch eine spektakuläre Entführung durch die linksradikale Symbionese Liberation Army bekannt wurde (Cady Noland).

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Wieder weiterziehend komme ich in einen Raum, der die sehr bekannten Bilder von Andy Warhol zeigt: ein Selbstporträt

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und den dreiteiligen Siebdruck des “Cowboys” Elvis Presley.

Seltsamerweise gehe ich großzügig durch alle Räume, manche Bilder finde ich schön, manche erkenne ich wieder, wiederum andere verstehe ich einfach nicht. So richtig berührt hat mich die Ausstellung nicht, ich hatte mir unter dem Titel mehr vorgestellt.

Große Lust habe ich eigentlich nachher nicht mehr, noch weiter zu schauen, denn ein Museumsbesuch ermüdet mich immer sehr schnell. Aber ich sehe, dass die Ausstellung über Richard Avedons Wandbilder und Porträts nur noch bis zum 9.11. läuft. Mir sagt der Künstler zwar nichts, aber reinschauen kann auch nicht schaden.

Und diese Ausstellung hat mich gepackt:

 

Richard Avedon (1923 – 2004)
Wandbilder und Porträts

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Avedon begann seine Karriere mit Werbebildern. Den meisten ist er durch seine Modefotografien bekannt. In dieser Ausstellung geht es aber vorrangig um einen weiteren Aspekt in seinem künstlerischen Schaffen: Porträts und Wandbilder. Im ersten großen Ausstellungsraum, gleich wenn man die Treppe hinunterkommt, sieht man die Wandbilder mit überlebensgroßen Personen, z.B. Andy Warhol und die Truppe, die er um sich geschart hat, oder den Dichter Allen Ginsberg mit seiner ganzen Familie, Vater, Mutter, Onkels, Tanten, Cousins und Cousinen. Auch politische Motive wurden verarbeitet.
Aber Avedon hat auch viele Porträts gemacht. Die Serie „In the American West“ beinhaltet bewegende sozialkritische Bilder in Schwarzweiß: ein Schlangen häutender Junge mit 13 Jahren, von der Kohle rabenschwarz eingerußte „Coal Miners“, ein über und über mit Bienen bedeckter „Beekeeper“.

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Doch ganz besonders haben es mir die Porträts von Künstlern angetan. Viele Bilder kennt man. Dichter, Denker, Politiker, aber auch ein blutjunger Bob Dylan im Trenchcoat (wird später ein Plattencover), Charlie Chaplin, Brigitte Bardot, Buster Keaton, Marilyn Monroe und die Windsors.
In einem kleinen Nebenraum wird ein Film gezeigt, in dem Avedon selbst sowie Zeitzeugen zu Wort kommen.

 

Ein paar Anekdoten haben bei mir einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen.

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Nastassia Kinski musste sich zwei Stunden lang nackt auf einem Betonboden in einer Fabrikhalle mit einer echten riesigen Schlange räkeln, bis es dann endlich zu „dem“ Bild kam.

Die Entstehung des wunderschönen aber traurigen Porträts von Marilyn Monroe: sie kam ins Studio und hat zwei Stunden lang getanzt, geposed und gelacht, war exaltiert und witzig.

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Wunderbare Bilder sind das auch geworden, aber plötzlich sitzt sie in der Ecke und jeder Lebensmut, jeglicher Spaß und alle Selbstsicherheit scheinen dahin. Avedon hat sie in diesem Moment fotografiert, sie hat es ihm erlaubt, und ihm ist eine herausragende Aufnahme gelungen.

 

 

Oder die Geschichte zur Entstehung des Fotos des Duke und der Duchess von Windsor: wenn man die Geschichte kennt, weiß man, dass sie ein Leben lang zusammengehalten haben. Die Aufnahmen sind gut geworden, aber sie zeigen einfach ein gewisses Maß an Selbstdisziplin und des sich Verstellens. Avedon hat gesehen, dass die zwei ihre Hunde über alles lieben.

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Und so erfand er die Geschichte, dass auf der Fahrt zum Fotoshooting sein Taxi einen Hund überfahren hat. Und dabei hat er ein Bild eingefangen, das völlig ehrlich wurde: die beiden haben pure Emotion in ihren Augen, ihrer Haltung, ihrem Gesicht gezeigt. Dieses Foto ist berühmt geworden.

 

Charlie Chaplin hatte auch eine Fotosession mit Avedon. Professionelle, gute Bilder sind dabei entstanden. Und am Schluss macht Chaplin noch diese Geste mit seinen Händen über dem Kopf: er ist der Teufel. Dies sei sein Geschenk an den Fotografen. Dieser hat sich gefreut und hat das spontane, witzige Bild gerne angenommen. Kurz darauf hat Avedon es in der Zeitung gesehen. Es war ein kleiner Gruß von Charles Chaplin an die USA, die ihm nach einem Auslandsaufenthalt 1952 während der McCarthy-Ära die unmittelbare Rückkehr in die USA verweigern. Das Foto heißt „Charlie Chaplin – His Last Day in America 1952″.

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Es war ein wunderbarer, erfüllender Nachmittag im Museum; anders, als ich dachte, aber überraschend, inspirierend und schön. So etwas sollte man sich öfter gönnen.

Und es gibt auch ein hübsches Café im Museum Brandhorst, zum drin und draußen sitzen.

Alle Infos zum Museum Brandhorst und den aktuellen Ausstellungen

 

 

 

Bildquellen:
Kerze, Robert Gober:
www.google.de/imgres?imgurl=http%3A%2F%2…ved=0CEkQrQMwCw
Tanya as Bandit, Cady Noland:
3.bp.blogspot.com/_CwSYMd9KuCE/TLudo10AkLI/AAAAAAAAKDk/1Y89A1cgnTk/s1600/DSC_2416.JPG
Selbst Portrait, Andy Warhol:
www.allposters.de/-sp/Self-Portrait-1986…r_i9418449_.htm
Andy Warhol und Mitglieder der Factory, Richard Avedon:
www.museum-brandhorst.de/de/aktuelle-aus…ere-motive.html
Beekeeper, Richard Avedon:
maryckhayes.files.wordpress.com/2012/08/avedon_beekeeper.jpg
Nastassja Kinski and the Serpent, Richard Avedon:
38.media.tumblr.com/b1834eb1e881248464716e5726cb1a6a/tumblr_meqdq9cWb41qabos9o1_1280.jpg
Marylin Monroe, Richard Avedon:
www.moma.org/wp/moma_learning/wp-content…roe-407×395.jpg
The Windsors, Richard Avedon:
maryckhayes.files.wordpress.com/2012/08/duke_duchess_windsor1.jpg
Charlie Chaplin, Leaving America, Richard Avedon:
kinoimages.files.wordpress.com/2012/07/avedon_charles_chaplin_leaving_america.jpg

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2 Kommentare
  1. Sabine
    Sabine sagte:

    Ging mir auch so – ein Konzept sah ich bei „Dark Pop“ nicht, manches war interessant, manches nicht. Avedon dagegen war eine Klasse war sich, und die Porträts waren herausragend.

    • Phoebe
      Phoebe sagte:

      Ja. Und der Film als Ergänzung über sein Leben und Schaffen war auch wahnsinnig interessant und gut gemacht.

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