Cyberpunk auf Samtpfoten

© Annapurna Interactive & BlueTwelve Studio – https://stray.game/

Katzenbesitzer*innen fragen sich vermutlich öfter, wie das Leben als Stubentiger so wäre. In Stray kann man endlich aus erster Hand (beziehungsweise Pfote) erleben, wie es so ist, in Bücherregalen zu schlafen, völlig grundlos Sachen von Tischen zu schubsen und an fremder Leute Möbel die Krallen zu schärfen.
Man spielt aus der Perspektive einer namenlosen orangenfarbenen Tigerkatze, die sich nach einem missglückten Ausflug ohne ihre Katzenkumpel in einer vergessenen Stadt unter der Erdoberfläche wiederfindet. Mithilfe der kleinen KI-Drone B12 navigiert man diese unbekannte, von Robotern bevölkerte Cyber-Stadt, lernt ihre Bewohner und Gefahren kennen und versucht, wieder in die Oberwelt zu gelangen.

Das Konzept eines Spiels ohne humanoiden Spielercharakter eröffnet neue Möglichkeiten für enorm interessantes Gameplay, sowohl mechanisch als auch psychologisch. Die Perspektive allein – alles scheint übergroß und etwas bedrohlich – zusammen mit der für unsere Katze völlig unbekannten Umgebung einer verrottenden, einst hoch technologisierten Kultur löst ein unbehagliches Gefühl der Verlorenheit aus. Tatsächlich ist es eine richtige Erleichterung, endlich B12 zu finden, sodass man nicht mehr ganz allein durch diese unbehagliche Welt streifen muss. Außerdem ist B12 eine elegante Lösung für das Problem, einen Spielercharakter ohne Daumen und Sprachfähigkeiten zu haben (den eigens dafür belegten „Miau“-Knopf mal ausgenommen).

© Annapurna Interactive & BlueTwelve Studio – https://stray.game/

Spieletechnisch ist Stray ein Puzzle Adventure mit relativ linearen Leveln. Die Rätsel sind teilweise kniffelig, aber nie frustrierend, sodass auch Einsteiger und Casual Spieler*innen große Freude daran haben können, während erfahrene Spieler*innen sich auch nicht langweilen dürften. Es hält eine gute Balance zwischen Action und ruhigen, besonnenen Momenten und schafft es stets, die Spieler*innen direkt ins Herz zu treffen. Selbst wer kein Katzenfan ist, dürfte vom Charme der schrulligen Roboterbewohner der Stadt und der ergreifenden Geschichte unseres Dronenfreunds B12 schnell um den Finger gewickelt werden.
Kritik habe ich bisher nur am „Kampf“system gehört, was wohl maßgeblich damit zusammenhängt, dass man als Katze natürlich schwer kämpfen kann. Die meisten Actionsequenzen beschränken sich daher auf Rennen, Verstecken und ab und zu ein paar Gadgets von B12. Durch das bedrückende Szenario und das allgemeine Gefühl der Verlorenheit haben diese Szenen aber bei mir durchaus gereicht, den Puls anzutreiben. Das Setting wurde übrigens von der „Ummauerten Stadt“ Kowloon inspiriert, deren Geschichte nebenbei auch sehr interessant ist.

© Annapurna Interactive & BlueTwelve Studio – https://stray.game/

Stray schafft durch seine Liebe zum Detail, vor allem in den Animationen der Katze, aber auch in der Gesellschaft und dem Miteinander der Roboter, den Spieler*innen eine Welt zu erschaffen, die einem wirklich am Herzen liegt. Es verzichtet auf komplexe Mechaniken und überflüssigen Schnickschnack und erzählt stattdessen eine einfache, ehrliche Geschichte der Menschlichkeit in einer Welt ganz ohne Menschen.
Es ist auf etwa acht Stunden Story-Spielzeit ausgelegt, es gibt allerdings eine Reihe versteckte Geheimnisse und Achievements, und obwohl die Welt nicht groß ist, lohnt es sich definitiv, sich etwas Zeit zu nehmen, um die Stadt zu erkunden, an ein paar Türen zu kratzen und ein paar Roboter anzumaunzen. Es ist ein wunderschönes, liebevoll gemachtes Stückchen purer Computerspielfreude.
Erschienen ist Stray für PC, PS4 und PS5, und auf Letzterer schnurrt als spezielles Schmankerl sogar der Controller.

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Stray
VÖ 19.07.2022, BlueTwelve Studio
PS4/5 29,99 Euro im Playstation Store
PC 23,99 Euro bei Steam

https://stray.game/

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