„Give me peace or give me war“

VNV Nation steht seit über 25 Jahren für elektronische Beats, die in die Füße gehen, und so manche große Hymne („Beloved“, „Joy“). Die letzten beiden Alben sind an mir ungehört vorbeigegangen, vieles war mir nach Automatic zu eintönig. Allerdings ließ mich das erste Video zum zehnten Album, Noire (Vö. 12. Oktober), aufhören. „When is the future“ (YouTube) ist ein verführerisches, schwarzes Appetithäppchen, das mich sehr an frühere VNV Songs erinnerte, zu denen ich oftmals in verschiedenen Clubs tanzen konnte. Aber wie schaut es mit den restlichen Titeln auf Noire aus?

VNV NoireRonan Harris, Mastermind der seit 2017 zum Soloprojekt gewordenen Band, legt immer noch viel Gefühl in seine Texte, allerdings findet er auch einen geeigneten Ausdruck für die allgemeine Schieflage in der Welt. Der Eröffnungstrack „A million“ baut sich leise auf, etwas Dunkles schleicht sich an, der Gesang setzt ein, wird dann begleitet von einem stampfenden Beat. Aber Ronan lässt sich natürlich nicht von der dunklen Welle überspülen, es gibt immer noch die Liebe, dafür steht auch „Armour“ mit seinen durchdringenden Synthie-Klängen. Einen gewissen Wiedererkennungswert hat „God of all“, das ist ein Electro-Pop-Takt, dem man sich nicht entziehen kann. „Collide“ ist wesentlich ruhiger angelegt und hat ein eindringliches, instrumentales Outro mit Synthesizer und Electronic Drums. Hohe Töne, die mich etwas an Jean Michel Jarre erinnern, begleiten „Wonders“. „Immersed“ nimmt uns wieder mit in die Dunkelheit und hat einen schnellen Takt, die Worte „give me love if love is salvation … give me peace or give me war“ prägen sich ein, und man singt innerhalb kürzester Zeit mit – definitiv mein Lieblingstrack! Ein lautes Hupen leitet ein zu „Lights go out“, das eine Untergangsstimmung verbreitet, ein weiterer schneller, elektronischer, tanzbarer Favorit, ähnlich gestalten sich „Only satellites“ und „All our sins“, das einen großen orchestralen Abschluss hat.
Überraschend fand ich zwischendrin die klassisch ausgerichteten Instrumentals: „Nocturne No.7“ (6:10 Minuten) und „Guiding“ (5:48 Minuten). Ja, sie haben ihren Reiz, aber man kann es auch überreizen. Sie nehmen den Schwung raus und klingen nach Pausenfüller, das Überspringen beim zweiten Anhören der CD passiert automatisch. „Requiem for wires“ hat eine andere Wirkung, fast könnte man meinen, man wird von Wellen getragen, es ist eine Art Klangschauspiel mit Delfingeräuschen. Bei diesem einen Instrumental hätte man es belassen sollen.

Ich muss zugeben, dass Noire keine Liebe nach dem ersten Anhören war, anfangs kamen mir die Songs mächtig und schwer vor. Erst der zweite Durchgang und der Einblick in die Texte über die VNVNation-Homepage hat der Zuneigung auf die Sprünge geholfen. Die Scheibe hört sich nach einer guten Neuausrichtung an, das Eintauchen in mitunter tiefe Melancholie ist spürbar. Geblieben ist die Liebe (zwischenmenschlich und überhaupt), die Einfluss findet. An allen Ecken und Enden brennt es, gesellschaftlich und weltpolitisch, vieles hat sich verändert, und so eben auch Ronan Harris. Vielleicht ist es auch eine Veränderung, die aufgrund des Ausscheidens von Mark Jackson eingetreten ist. Dazu könnte man die Deutung von VNV einfließen lassen: „Victory Not Vengeance“ – egal was man über die Trennung gehört oder gelesen hat. Wir sind im Hier und Heute, die Vergangenheit lebt durch musikalische Rückbezüge auf the good old days von VNV Nation auf: Synthie-Melodien, bei denen sich automatisch die Füße bewegen, Texte, die man nachempfinden und mitsingen kann. Einfach eine gute Platte mit kleinen Fehlern.

Anspieltipp: Immersed, Lights go out, When is the future?

:mosch: :mosch: :mosch: :mosch: :mosch2:  – Tendenz zu 5

VNV Nation: Noire
Anachron Sounds/Soulfood, Vö. 12.10.2018
16,99 € z.B. bei https://amzn.to/2RDip5W

Tracklist:
1. A million
2. Armour
3. God of all
4. Nocturne No.7
5. Collide
6. Wonders
7. Immersed
8. Lights go out
9. Guiding
10. When is the future?
11. Only satellites
12. Requiem for wires
13. All our sins

VNV Nation European Tour 2018
(more dates in 2019) – with special guests „Holygram“
24.10 Ringlokschuppen – Bielefeld (DE)
26.10 Columbiahalle – Berlin (DE)
27.10 Altes Theater – Magdeburg (DE)
28.10 Muffathalle – Munich (DE)
30.10 Batschkapp – Frankfurt (DE)
31.10 Haus Leipzig – Leipzig (DE)
01.11 M.A.U. Club – Rostock (DE)
02.11 Mehr Theater am Großmarkt – Hamburg (DE)
03.11 Forbraendingen, Copenhagen (DK)

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