Ein wahre Schiffbruchgeschichte

Zeitsprung ins 18. Jahrhundert – Portsmouth/ England. 1740 läuft das Handelsschiff Wager, das zum Kriegsschiff umgebaut wurde, nebst einem Geschwader weiterer Schiffe aus. Der Kurs ist gesetzt auf Chile, vorbei am Kap Horn. Ziel der Royal Navy ist eine spanische Galeone, es gilt den Spaniern einen riesigen Goldschatz abzuluchsen. Mit rund 2000 Männern sind die Schiffe um Kommodore Anson in See gestochen, ein Bruchteil der Mannschaft kommt Jahre später wieder in England an. Was war passiert? Berichtet wurde von dem Sinken der Wager, die Mannschaft ist auf einer kleinen, unwirtlichen Insel gestrandet, die heute Wager Island heißt.

Berichtet wird von Hungersnöten, Diebstählen der wenigen Vorräte, mannschaftlichen Spannungen, Streit und Gewalt. Doch dann landet ein weiteres Schiff an der englischen Küste, mitsamt des Kapitän der Wager. Der berichtet von Meuterei und Untergrabung seiner Autorität – zu dieser Zeit wurden Meuterer mit dem Tod bestraft. Der Fall landet vor dem Kriegsgericht mit ungewissem Ausgang für alle Parteien.

David Grann schildert von Seite 1 an fesselnd die Situation ab dem Umbau der Wager. Die wenigsten Menschen auf den Schiffen waren tatsächlich Seeleute, manche wurden einfach auf der Straße vom Fleck weg für die Navy verpflichtet, egal in welcher Verfassung oder in welchem Alter sie waren. Die Reise der Wager stand von Anfang an unter keinem guten Stern. Kurz nach dem Auslaufen begann es bereits in Strömen zu regnen, die Wellen waren zeitweise um die 30 Meter hoch. Es grassiert Skorbut, zahlreiche Besatzungsmitglieder sterben oder sind in einem gesundheitlich erbärmlichen Zustand. Grann hat sich durch zahlreiche Logbücher und Aufzeichnungen gewühlt und konnte somit eine gut recherchierte, detailgetreue Geschichte wiedergeben. Einige Lücken, z.B. was einige Gefühle, Dialoge etc. der Menschen betrifft, füllt er spekulativ auf. Man taucht sofort in die Erzählung ein, kann förmlich die Meeresluft riechen, die Planken knarzen hören, sieht die Wager an den Felsen von Kap Horn zerschellen oder das indigene Volk der Kawesqar auf Wager Island anlanden, das die Gestrandeten eine Zeit lang mit Lebensmitteln versorgte. Die Seefahrt dieser Zeit mit ihren wunderschönen Segelschiffen wird entzaubert – Menschenleben waren nur bedingt etwas wert. Granns Personenbeschreibungen sind plastisch und die Sympathien wechseln ab und an – je nach Sichtweise des jeweiligen Protagonisten.

David Grann hat 2017 Das Verbrechen veröffentlicht, was 2023 mit der Kinoadaption von Martin Scorseses Killers of the Flowermoon die Kinokassen klingeln ließ. Der Untergang der Wager ist spannend und emotionsgeladen nacherzählt und nicht nur was für Historienfans. Durch die Meuterei, die Spannungen innerhalb der Crew oder der Gewalt, die sie sich untereinander antun, birgt Der Untergang der Wager auch packende Thrillerplots.

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David Grann: Der Untergang der Wager
Aus dem Englischen von Rudolf Mast
C.Bertelsmann, Vö. 24.04.2024
432 Seiten
25 EUR

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