Ein sehr gelungenes Comeback

© Madrugada HP

Madrugada haben sich nach dem plötzlichen Tod von Gitarrist und Songwriter Robert Burås im Jahr 2007 von ihrem Publikum verabschiedet. 2008 wurde zwar noch ein selbst betiteltes Album posthum veröffentlicht, die norwegische Band löste sich nach einer Tournee letztendlich auf. Zur Zeit des 20-jährigen Jubiläums des ersten Madrugada-Albums (Industrial Silence) haben sich Sivert Høyem (Gitarre und Gesang) und die Anfangsbesetzung Frode Jacobsen (Bass) und Jon Lauvland Pettersen (Schlagzeug) noch einmal zusammengefunden, um 2018 gemeinsam auf Tour zu gehen. Die Begeisterung des Publikums und ihre eigene führten dazu, dass die Herren ihre Zusammenarbeit weiterführten. Im Januar 2022 erschien schließlich Chimes at midnight.

Unser Musiktipp im Oktober 2021 rückte Madrugada das erste Mal in meinen Fokus, ich war sehr gespannt, was das neue Album zu bieten haben würde. Beim Recherchieren bin ich darauf gestoßen, dass die norwegische Rockband neben ein paar älteren Tracks, die vorher allerdings noch nicht als Studioaufnahmen veröffentlicht wurden, auch neue Songs aufgenommen haben. Von der früheren Rockband ist nicht viel übriggeblieben, wobei ich sagen muss, dass mir dieser ruhigere Musikstil sehr gut gefällt. Der Rock blitzt aber immer noch durch. Die Balladen umschmeicheln und die Stimme umgarnt einen, das Album lädt zum Verweilen und Entspannen ein. Die erfahrenen Musiker verstehen ihr Handwerk, da erklingt zum Beispiel eine zärtlich eingesetzte Snare-Drum, das vollständige Drum Set entwickelt sich dann erst gegen Ende („Nobody loves me like you do“). Die Sehnsucht und Melancholie spielt auch immer wieder eine Rolle („Slowly turns the wheel“, „Call my name“), viel Gefühl wird hineingelegt („Help yourself to me“). „Running from the love of your life“ reißt einen durch eine große Portion bluesigem Rock mit, „Stabat Mater“ wiederum überrascht mich, ein Gebet auf Madrugada-Art mit einem sehr schönen, verkratzt wirkenden Gitarrensolo. Sehr schön auch „Imagination“, der Track und Gesang umarmen einen. Sehr eindrucksvoll ist „Dreams at midnight“ visualisiert:

Ein „Empire Blues“ darf gerade heutzutage nicht fehlen, „You promised to wait for me“ schlägt in die gleiche Kerbe, ist allerdings etwas beschwingter. Diese dunkle Stimmfarbe berührt mich sehr in dem Gedicht „Ecstasy“, der ewige Abschied, die Wünsche an die Zurückgebliebenen, herzzerreißend und doch hoffnungsvoll. Und dann noch „The world could be falling down“, das Video dazu ist viel aussagekräftiger als alles, was ich schreiben könnte:

Den Blues scheint die Band neben dem Rock schon immer im Repertoire zu haben, aber bei Chimes at midnight haben ersteres, die Balladen und Melancholie das Ruder übernommen. Sivert Høyem scheint hier maßgebend zu sein, denn als Solokünstler hat er sich genau in diesem Metier mit seinem Soloprojekt The Volunteers einen Namen gemacht. Von dieser Band stammt auch die musikalische Unterstützung mit Cato Thomassen und Christer Knutsen (beide Gitarre und Keyboard). Entstanden ist ein wunderschönes musikalisches Paket, das an- und berührt, umschmeichelt und entschleunigt. Hier werden Gefühle transportiert, die der Sänger überzeugend durch seine beeindruckend wandelbare Stimmfarbe unterstreicht. Es sind auf jeden Fall fünf Musiker am Werk, die Erfahrung und Geschick beweisen. Der Erwerb dieser CD hat sich ohne weiteres Vorwissen vollkommen ausgezahlt, ein erstes Top des Jahres für mich.

Zur Info: Live erleben kann man die Band am 29.03.2022 in München

Anspieltipp: Nobody loves me like you do, Running from the love of your life, Stabat Mater, Imagination, Ecstasy

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Madrugada: Chimes At Midnight
Warner Music, Vö. 28.01.2022
Spieldauer: 58:36
18,99 € z.B. bei jpc

Tracklist:
01 Nobody loves me like you do
02 Running from the love of your life
03 Help yourself to me
04 Stabat Mater
05 Slowly turns the wheel
06 Imagination
07 Dreams at midnight
08 Call my name
09 Empire Blues
10 You promised to wait for me
11 The world could be falling down
12 Ecstasy

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