Die Liebe in Zeiten von Facebook
Die Weltraumsonde Voyager 1 macht vom All aus ein Bild von der Erde. Sie ist ein winziger hellblauer Punkt („Pale Blue Dot“, ein preisgekröntes, reales Foto) im Sonnensystem, gerade noch zu erkennen. Dies ist die erste Einstellung, dann wird ganz nah herangezoomt, man sieht die Erde über und über bedeckt von blinkenden kleinen Geräten, Handys, Tablets oder Notebooks, die Messages verschicken. Noch näher heran gezoomt erkennt man Teenager in einer Schulhalle, ihren Blick starr auf ihr Handy gerichtet, über jedem Kopf ist die Textmitteilung eingeblendet, die gerade abgeschickt oder empfangen wird, als gäbe es kein reales Leben. Doch das gibt es. Der Fokus liegt auf ein paar Familien in einer amerikanischen Vorstadt, auf Töchtern, Söhnen, Müttern, Vätern. Der Film heißt im Original „Men, Women and Children“, was auch im Deutschen gepasst hätte.
Da ist die eine Mutter, die ihre Tochter vor dem bösen Netz schützen will und jede Woche Handy-Nachrichten, Facebook-Einträge und -Chats überprüft und säubert.
Ja, und da ist dann noch das lang verheiratete Paar in seinen Vierzigern, bei dem es in der Liebe nicht mehr „knistert“. Auch da hilft das Netz: Sie kontaktiert eine Seite „Ich möchte mich wieder begehrt fühlen“, und er verbringt ohnehin viel Zeit auf zweideutigen Seiten, aber jetzt bastelt er sich seine Traumfrau zusammen, um sie gegen Bezahlung real zu treffen, und auch das geht alles durch Anklicken: dick oder dünn, Form der Brust, rasiert oder nicht, das kann er alles ankreuzen. Die Begleitdame, bei der alle Punkte zutreffen, die trifft er dann.
Diese einzelnen Schnipsel ergeben eine zusammenhängende Geschichte. Alle kennen sich, alles greift ineinander. Es kommt zu Katastrophen, doch am Ende des Films sind alle einen Schritt weitergekommen, der Kreis ist geschlossen. Die Stimme aus dem Off, die schon am Anfang auftauchte und immer wieder die Figuren kommentiert hat – im englischen Original von Emma Thompson gesprochen – sagt abschließend, dass das Wichtigste die Liebe sei, dass man wieder aufmerksamer seinen Lieben gegenüber sein soll.Dieser vielleicht etwas lapidare Satz stimmt meines Erachtens: Einfach mal wieder den Kopf raus aus der digitalen Welt und sich die Menschen in der wirklichen Welt und deren Bedürfnisse genauer anschauen.Jason Reitman, von dem mir schon „Juno“ und „Up in the Air“ gut gefallen haben, hat den Roman von Chad Kultgen verfilmt und sich einiger toller Darsteller bedienen können wie Adam Sandler, der einmal nicht die Ulknudel mimen muss, Jennifer Garner als hyperkorrekte Übermutter mit Mut zur Hässlichkeit, sowie den Jungschauspieler Ansel Elgort, der mir unlängst schon in „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ imponiert hat.Die unaufdringliche Musik, zum Teil auch klassische Stücke, unterstreicht die jeweilige Stimmung im Film perfekt. Es hat etwas gedauert, bis ich an einer sehr passenden Stelle Donna Summers „I feel Love“ in der Version von Nick Hallett & Ray Sweeten wiedererkannt hatte. Ich musste grinsen.
Original: Men, Women & Children
nach einem Roman von Chad Kultgen
USA 2014
Regie: Jason Reitman
Mit: Adam Sandler, Jennifer Garner, Judy Greer, Ansel Elgort
119 Minuten
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