Gemischter Abend

Viel ist ja nicht gerade los, scheint mir, aber ich bin gespannt, ob da nicht noch mehr Publikum in den Club strömen wird. Die Vorgruppe tritt auf, nachdem es dunkel geworden ist und das Kreischen der Anwesenden angefangen hat. Der erste Eindruck ist ganz gut, nach dem zweiten Lied fallen aber dann doch gewisse Unebenheiten auf.
vitDie Band auf der Bühne nennt sich Vlad in Tears und setzt sich aus italienischen und deutschen Musikern zusammen. Ein bisschen erinnert der Sänger an eine Mischung aus Bill Kaulitz und Will Turner aus Fluch der Karibik. Ob das nun gut oder schlecht ist, tut nichts zur Sache, denn der anwesenden Weiblichkeit geht es nur um das romantische Performen und den kurzen Blick auf den freien Oberkörper, den er immer wieder gewährt. Die Bühne scheint ein bisschen zu klein zu sein für die fünf Musiker, die man sehr gemischt betrachten muss. Einerseits scheint der saitenzupfende Teil der Band gerne über die Bühne zu springen und herumzuzappeln und bringt dadurch unnötige Unruhe in den Auftritt. Außerdem wird dadurch nicht nur die Performance des Sängers gestört, sondern auch das Hauptaugenmerk immer wieder von ihm weggenommen. Andererseits ist gerade der Sänger recht gut, hat eine passable Stimme und kann sanftere Parts genauso überzeugend transportieren wie die heftigen, lauten, gerne auch mal geschrienen Sequenzen. Der Sound ist nicht gerade umwerfend, was nicht dem Club angelastet werden kann in diesem Fall. Aber das stört die Fans wenig, denn die jubeln und klatschen sich fast die Seele aus dem Leib und bringen den doch recht kleinen Raum sehr bald richtig zum Kochen. Vlad in Tears kommen gut an und werden dankbar als Vorgruppe angenommen. Irgendwann gegen Ende gibt es leichte soundtechnische Verbesserungen, die werden aber durch eines der unnötigsten Cover von „Sweet Dreams“ zunichte gemacht. Natürlich ist das Lied toll, und es haben sich bereits einige Bands daran versucht, aber Vlad in Tears hätten die Finger davon lassen sollen – zum einen haben sie genug Eigenes, sollte man zumindest meinen, dass sie ein solches Cover gar nicht erst brauchen; zum anderen aber fällt es bei mir durch, weil es in meinen Augen zu unpersönlich dargeboten wird. Aber das stört die Fangemeinde auch nicht sonderlich, denn es geht um die Show und um die Kerle auf der Bühne. Als der Auftritt vorbei ist, gibt es viel Applaus und recht schnell auch Zugabe-Rufe, die aber nicht erhört werden.

ya-01Denn es gibt ja noch eine zweite Band, die vor dem Hauptact auftritt, die Zeit ist also denkbar knapp bemessen.
Auf der Bühne steht nun eine junge Blondine, die besser zu Hause geblieben wäre. Das Publikum hat sich etwas aufgeteilt, manche schauen sich den Act nicht einmal an, andere stehen sehr gelangweilt herum. Your Army ist nicht das, worauf man gewartet hat – und auch nichts, was man irgendwie hören möchte. Die Sängerin wirkt unsicher und performt derart lustlos, dass man sie man am liebsten von der Bühne holen möchte, um sie von der Qual, auftreten zu müssen, zu befreien. Hinzu kommt, dass sie nur schrill ins Mikro plärrt, aber von einer guten Stimme oder Gesang ist hier nicht zu sprechen. Schade eigentlich, denn ich bin mir recht sicher, dass man erheblich mehr aus ihr rausholen könnte. Die Band ist ganz nett, haut aber auch niemanden um. Allerdings steht da doch einer oben, der alles rausreißt. Der Gitarrist ist wirklich klasse, zieht die Gruppe mit und spielt hier und da kurze Soloparts, bei denen einem schon mal die Luft wegbleiben kann. Alle Achtung, der könnte auch alleine vor dem Club stehen – und würde diesen vermutlich mehr füllen als die Bandleaderin, die nicht mal richtig mit den Anwesenden kommunizieren und diese begeistern kann. Leider eine absolute Enttäuschung.
Es gibt auch nur mäßigen Applaus, und man freut sich, als Your Army endlich verschwinden und schnell für Unzucht umgebaut wird.

uz-19Die vier Jungs rocken dafür den Club und bringen ihn rasch zum Kochen. Mit brachialem Sound und gut zusammengestellten Melodien haben sie schnell alle Sympathien auf ihrer Seite. Man singt mit, jubelt Schulz und Co zu und freut sich richtig, sie alle einmal wieder in München zu haben. Schließlich ist der letzte Auftritt fast ein Jahr her. Gut gelaunt präsentieren sie eine Mischung aus Songs des neuen Albums und des Debüts, die Gassenhauer, die einfach dabei sein müssen – dazu zählen „Engel der Vernichtung“ und „Unzucht“ –, werden lautstark mitgerockt, und nur zu gerne erlebt man Schulzens Mienenspiel, wie er die Songs performt, singt, lebt und auch durchleidet. Natürlich wird auch Hagen nicht vergessen – Weggefährte, Freund und Kollege von Daniel, der im vergangenen Jahr viel zu früh und überraschend verstorben ist. Dabei blickt der Sänger an die Decke des Clubs, dieser Moment gehört nur ihm. Schöner kann man jemanden nicht ehren.
Fuhrmann sitzt wie immer Zähne zeigend hinter seinem Schlagzeug und drischt liebevoll drauf. Er sorgt für ordentlich Wums in den Songs und hat sichtlich Spaß dabei.
uz-25Dafür steht Bassist Blaschke etwas im Hintergrund an diesem Abend, zumindest kommt es mir so vor. Vielleicht liegt es auch an der ziemlich kleinen Bühne.
De Clercq schrammelt dafür wie immer gewohnt hart über seine Saiten, schreit seine Texte ins Mikro und schaut manchmal böse, wie wir es kennen.
Ja, die Jungs haben es drauf und können gerne noch länger durchpowern und ihren Gothic-Industrial-Mix spielen. Mal laut und schrill, mal leiser und sanfter, sie können beides und beweisen dies einmal mehr.
Begeistert bin ich auch vom Cover „Entre dos tierras“, das nicht einfach nachgespielt wird. Nein, Unzucht bringen ihre eigene Version des Songs, und genau das macht ihn hörbar, macht ihn zu einem gelungenen Cover, das live noch so viel besser klingt als auf Platte. Das liegt vielleicht auch daran, dass Kris Vlad, der Sänger von Vlad in Tears, extra für diesen Song auf die Bühne kommt und ihn zusammen mit Schulz performt.
Man spürt, was Schulz und De Clercq singen, sie sind ehrlich und auf dem Boden geblieben, ziehen zwar ihre Show ab, wirken dabei aber nie unnatürlich und aufgesetzt. Die Nackenmuskeln müssen an diesem Abend ganz schön was aushalten, und auch die Stimmbänder werden strapaziert, denn mehr als nur einmal werden wir aufgefordert, doch mal so richtig Krach zu machen!
Zwei Zugaberunden gibt es und am Ende sind knapp anderthalb Stunden vergangen – und das erscheint immer noch viel zu kurz! Aber Unzucht müssen leider die Bühne räumen, da danach Party im Club angesagt ist. Etwas müde aber glücklich strahlen und lachen die vier ins Publikum, bedanken sich und gehen unter lautem Jubel von dannen.

Es war ein gelungener Auftritt der Band aus Hameln, die bereits im April wieder in München Halt machen wird, dann heißt es auf dem DMF: „Macht doch mal richtig Krach!“
Enttäuschend war Your Army, die ich so schnell nicht mehr sehen muss, dafür würde ich mir Vlad in Tears durchaus noch einmal anhören. Die Band hat Potential, das noch lange nicht voll ausgeschöpft ist.
Alles in allem gibt es aber nur vier von fünf möglichen Moschern, da der gesamte Abend bewertet wird.

:mosch: :mosch: :mosch: :mosch: :mosch2:

Setlist Your Army:
What if I
One last Time
Valentine
Monster
Brain
Without Regret
No good
10 Seconds

Setlist Unzucht:
Rosenkreuzer
Kind von Traurigkeit
Blut
Todsünde
Nymphonie
Versuch zu lieben
Untergang
Feuersturm
Verlieren
Tanz
Entre dos tierras
Ewigkeit
Unzucht
Zeit

Zugabe:
Nonne
Engel
Meine Liebe
Mit Dir…

Fotos by LJ.

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