Was Kinder wünschen

c) Netflix

Eine Frau im Nachthemd rennt durch den Wald, ein Kind hinterher. Die Frau wird von einem Auto angefahren, Sanitäter bringen sie zu einer Notaufnahme. Dort erzählt das kleine Mädchen der Krankenschwester ominöse Dinge. Dass sie immer alles richtig gemacht hat. Dass sie der Mama hilft, wenn diese wieder einmal Fehler gemacht hat. Dass sie sie auf der Toilette hält, damit sie nicht runterfällt. Ob Mama manchmal Alkohol trinkt, fragt die Schwester. Nein. Mama bekommt 1,5 Liter Wasser am Tag.
Natürlich wissen die Zuschauer*innen gleich, hier wurde jemand gefangen gehalten. Und tatsächlich, die Rückblenden bringen es an den Tag. In einer fensterlosen Hütte im Wald ist eine spartanisch eingerichtete Wohnung für Lena, die Mutter und für Hannah und ihren kleinen Bruder.

Es gibt strenge Regeln: Die Toilette darf nur zu gewissen Zeiten benutzt werden, Essen und Trinken werden streng rationiert, und das kommt alles von Papa, der regelmäßig kommt und all das ermöglicht. Hier müssen sich Lena und die Kinder aufstellen und die Hände vorstrecken und drehen, ob diese auch sauber sind und nichts Gefährliches halten. Parallel sucht seit 13 Jahren die Polizei nach einer verschwundenen Studentin. Als die Frau im Krankenhaus zu sich kommt und wieder sprechen kann, kommt heraus, dass sie und Hannah aus eben diesem Verlies entkommen konnten, doch die damals verschwundene Lena ist sie nicht. Die Geschichte um diesen erst ganz gegen Ende entlarvten Mann, der eine Frau entführt und sich ein Leben mit ihr zusammen fantasiert, ist so packend, wie ich schon lange keine Geschichte mehr gesehen habe.
In der Realität gibt es ja leider immer wieder solche Bestien mit sanften Gesichtern, denen man im Alltag nicht ansieht, dass sie Kinder gefangen halten oder in einem lichtlosen Verlies Kinder mit der eigenen Tochter zeugen. Diese Geschichte hier ist nah an der Realität, und man kann sie schwer ertragen. Leichter, wenn man von „leicht“ sprechen kann, wird es einem gemacht, weil sie immer wieder abwechselt mit der Gegenwart, in der die entführte Frau sowie die Kinder scheinbar in Sicherheit sind.

Diese 6-teilige Miniserie ist höchstes Niveau. Hier wurden die perfekten Schauspieler*innen gefunden, jung und unbekannt, gemixt mit vertrauten Gesichtern in ungewohnten Rollen wie Justus von Dohnányi als hoffnungsvollem Vater der vor 13 Jahren verschwundenen Lena. Liebes Kind ist düster, nervenaufreibend, unendlich spannend. Ich konnte nicht anders, als es ganz schnell durchzusuchteln.

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Liebes Kind
Drehbuch und Regie: Isabel Kleefeld und Julian Pörksen
Cast: Kim Riedle, Naila Schuberth, Sammy Schrein, Haley Louise Jones, Hans Löw, Justus von Dohnányi, Birge Schade, Julika Jenkins u.v.m.
6 Teile seit dem 7.9.2023 auf Netflix zu sehen

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