Fluchtdrama aus Kinderaugen

Als Hitler das rosa Kaninchen stahlDie neunjährige Anna und Max, ihr großer Bruder, haben es schön. Sie leben behütet und geliebt in Berlin in einem liebevollen Elternhaus, der Vater ist Journalist, die Mutter Pianistin. Sie haben eine Haushälterin, die sie über alles lieben. Doch von einem Tag auf den anderen ist alles vorbei. 1933 kommt Hitler an die Macht, und sie sind Juden, der Vater ein bekannter Journalist, der sich von jeher öffentlich gegen die Nazis ausgesprochen hat. Es geht das Gerücht um, dass man ihnen die Pässe nehmen könnte, aber sie entkommen, indem sie alles aufgeben und in der Schweiz erst einmal abwarten wollen. Einen kleinen Koffer mit persönlichen Habseligkeiten darf jeder mitnehmen, Anna entscheidet sich für den neuen Stoffhund und gegen ihr geliebtes, altes, rosa Kaninchen.

In der Schweiz ist es nicht leicht, zudem essen sie dort seltsame Sachen – stinkenden warmen Käse auf Kartoffeln! Vor allem die Kinder würden sich dort allmählich einfügen. Doch sie müssen weiter, weil der Vater dort nichts verdient. Es geht nach Paris. Sie haben eine kleine, armselige Wohnung und oftmals nichts zu essen, doch sie haben sich, die Kinder sind gescheit, lernen schnell und finden Freunde. Sie würden sich gerade dort eingewöhnen – wenngleich es dort schon wieder seltsamen Käse zu essen gibt, der aussieht, als wäre er schon ganz verschimmelt! Aber es geht schon wieder weiter: nach London. Der Vater hat dort bessere Chancen, für sie alle eine Existenz aufzubauen. Schon wieder weg, schon wieder wohin, wo man kein Wort versteht, schon wieder alles zurücklassen, wo man doch allmählich wieder Freunde gefunden hätte. So verzweifelt vor allem die kleine Anna anfänglich war, so zuversichtlich ist sie, als sie auf dem Schiff rüber nach England steht. Sie weiß nun, gemeinsam schaffen sie es, und wenn sie vorher quasi zweimal eine neue Sprache gelernt haben, werden sie es auch diesmal wieder schaffen.

Der Film, der passend zur Weihnachtszeit in die Kinos kam, ist ein schönes Stück Zeitgeschichte vorrangig aus der Perspektive der kleinen Anna. Greuel gehen schon um, Leute werden denunziert, Leben und Existenzen werden zerstört, von geliebten Menschen muss Abschied genommen werden, meist auf Nimmerwiedersehen. Aber kleine Menschen sehen noch nicht so das Große. Sie sehen aber sehr wohl, dass diese Wohnung sehr viel kleiner ist als das frühere Haus, sie sehen, dass Mama geweint hat, dass es jeden Tag das gleiche billige Essen gibt, dass sie alle mitgenommenen Bücher schnell ausgelesen haben, während doch zu Hause eigentlich so viele Bücher herumstehen. Das Grauen ist im Hintergrund vorhanden, doch dieser Film kommt ohne spannende Fluchten, Inhaftierungen und Aufmärschen der NSDAP aus, obwohl der geschichtliche Hintergrund vorhanden ist. Dies ist wieder einmal ein wunderschöner Film von Caroline Link, außerdem kindgerecht, also für die ganze Familie, wenn man die Bereitschaft hat, vielleicht das eine oder andere dazu zu erklären.

Die Geschichte der kleinen Anna ist in Wirklichkeit aus dem Leben der Schriftstellerin Judith Kerr. Sie musste als kleines Mädchen mit ihrem Bruder und den Eltern alles verlassen und ins Exil gehen, sie fand in London ihr Glück, dort verstarb sie 2019 im hohen Alter von 95 Jahren. Als Hitler das rosa Kaninchen stahl – ein Buch das ich noch in der Schule lesen durfte – ist der Auftakt einer Roman-Trilogie, die 1933 beginnt und in den 1950er Jahren endet. Ich würde sehr gerne Warten, bis der Frieden kommt sowie Eine Art Familientreffen in den nächsten Jahren im Kino sehen, Frau Link!

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Film: Als Hitler das rosa Kaninchen stahl
Von: Caroline Link
Genre: Drama
Produktionsland: Deutschland
Starttermin: 25. Dezember 2019, 1 Std. 59 Min.
Cast: Riva Krymalowski, Marinus Hohmann, Carla Juri, Oliver Masucci, Ursula Werner, Justus von Dohnányi

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