Donnerstag, 21.05.15

Phoebe

An der Bändchen-Abholschlange am Hauptbahnhof reihen wir uns ein, nehmen das – eiskalte – Bad in der Menge, das eineinhalb Stunden dauert, danach wärmen wir uns bei indischem Essen auf.
Anschließend gehen wir zur Warm Up Party bei der Moritzbastei: voll und doof.
Wir ziehen weiter zur Party des Gothic Pogo Festivals im Werk II. Es ist nicht ganz meine Musik, aber wir treffen Bekannte, es herrscht eine nette Stimmung, ist nicht zu leer und nicht zu voll, und die Bat Caver mit ihren kunstvollen Frisuren wie auch die anderen schwarzen Gestalten sind allesamt sympathisch.

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Freitag, 22.05.15



torshammare

morthhoundMorthhound (Kuppelhalle): Eröffnungsact des diesjährigen WGTs ist für mich der Schwede Morthhound in der wunderschönen Kuppelhalle, der den schon recht zahlreich anwesenden Zuschauern ein eindringliches, düsteres Dark-Ambient-Set kreiert, das mich definitiv mitreißen kann. Von allen Seiten scheinen die tonnenschweren Klanglandschaften auf einen einzuströmen, weshalb man am besten die Augen schließt und die Musik mit dem ganzen Körper erspürt. Daheim würde ich es mir vielleicht nicht unbedingt anhören, aber in der Kuppelhalle-Atmosphäre ist das ein tolles Erlebnis.

Cacophoneuses (Moritzbastei): Danach fahre ich mit der Tram in die Moritzbastei zum traditionellen Krachabend, der mit den Französinnen Cacophoneuses vom Hands-Label beginnt. Sehr tanzbarer Powernoise-Techno, der anfangs noch ein wenig eintönig daherkommt, zwischendrin aber mit etwas noisigeren Elementen aufwarten kann, womit für die nötige Abwechslung gesorgt wäre. Die Stimmung ist ab der ersten Minute großartig, das Publikum ist nach dieser Art Musik ausgehungert und tanzt sich blitzschnell warm. Guter Auftritt!

Hezzel (MB): Weiter geht’s mit Hezzel, einer meiner Muss-Bands des diesjährigen WGTs. Auf CD (Exposure, natürlich auch Hands) war das schon extrem überzeugend, aber was der Lette hier auf der Bühne fabriziert, ist atemberaubend, eine ganz eigene Liga. Mächtig, brachial, tanzbar, abwechslungsreich, durchdacht, exzellent produziert – so muss abgründiger und doch eingängiger Powernoise für mich klingen. Ich bin hin und weg. Mehr kann ich dazu gar nicht sagen, weil’s einfach perfekt ist.

Esa (MB): Nach so einem Auftritt kann es eigentlich nur abwärts gehen, und das tut es leider auch ein wenig. Der Brite Esa (kurz für: Electronic Substance Abuse) aka Jamie Blacker wird zwar mit großem Jubel begrüßt und das ganze Set über abgefeiert, aber mir kommt es wie wahnsinnig viel Wind um nichts vor. Die Musik will nicht so richtig zünden, auch wenn alle wichtigen Elemente dabei sind, doch immer, wenn ich mich gerade eingetanzt habe und eine Steigerung erwarte, wird die Spannung durch bedeutungslose, langweilige Stellen gebrochen. Auch insgesamt ist die Musik sehr eintönig; klar, schon technoid-tanzbar, allen anderen gefällt es auch, ich fühle mich ein wenig verarscht durch übertriebene Bühnenshow und wenig Rumms und höre vom Vorraum aus den Rest des Auftritts an.

Phasenmensch (MB): Die Deutschen Phasenmensch zeigen mit ihrem Set dann auch gleich, was für Qualitätsunterschiede es doch geben kann. Auch sie stammen aus dem bewährten Hands-Stall, integrieren in ihren Powernoise jedoch noch diverse andere – fast schon chillige – Elemente, die dem Ganzen noch eine ganze andere Dimension verleihen. Wäre die MB nicht zu diesem Zeitpunkt heillos überfüllt gewesen, hätte das fast noch Hezzel getoppt. Drei Männer sowie eine Frau stehen auf der Bühne, und das merkt man dem Sound auch an – alles wirkt etwas entspannter, vielschichtiger, weil sich jeder genau seiner Aufgabe widmen kann. Bisher kannte ich die Band nur vom Namen her, jetzt habe ich eine CD und bin begeistert.
Danach geht es dann zurück ins Hotel, die Ohren brauchen nach so viel Krach ein bisschen Ruhe, und ein wenig Schlaf vor den nächsten drei Tagen schadet ja auch nichts.

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Phoebe

Alte Börse

alte-boerse

Eine Kammermusik-Reihe ist Teil des Klassikprogramms im WGT und wurde 2011 im Rahmen des Wave-Gotik-Treffens gegründet. Die Alte Börse ist der Hauptspielort dieses Programms. Heute um 17 Uhr wird Wagner und das französische Lied gegeben. Thomas Michael Gribow spielt am Klavier, und Valérie Suty singt Lieder von Henri Duparc, Gabriel Fauré, Richard Wagner, Claude Debussy und Franz Liszt. Obwohl nicht viele Menschen an diesem sonnigen Nachmittag in die Alte Börse gefunden haben, sind diejenigen, die es taten, begeistert, ebenso engagiert sind die beiden Musiker. Und, by the way, ich habe noch nie etwas so Stimmgewaltiges gehört wie diese Sopranistin. Mein Trommelfell hat an manchen Stellen im Repertoire geflirrt. Aber schön!

Schauspielhaus

Lisa Cuthbert: Ich habe mich bei Youtube ein bisschen durchgehört und bin bei Lisa Cuthbert hängen geblieben. Ebenso eindrucksvoll und zum Bleiben auffordernd agiert sie im Schauspielhaus. Ihr Programm beginnt mit dunkler Bühne, es flackert folgende Schrift auf: „Over a period of 150 years, an estimated 30.000 women were imprisoned and enslaved in the Magdalene asylums of Ireland“. Und dieser kleine Text ist Programm. Lisa und ihre Band treten wortlos auf, im Hintergrund werden Sequenzen aus einem Film gespielt, den ich gleich erkenne, denn man vergisst ihn nicht, wenn man ihn einmal gesehen hat: The Magdalene Sisters (von 2002), auch bekannt unter dem Titel The Sisters of no Mercy.

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Eindringliche Szenen von meist unschuldigen, geschundenen, verhöhnten jungen Frauen, deren Sog man sich nicht entziehen kann. Lisa Cuthberts Musik passt außerordentlich gut dazu. Sie nimmt sich vielleicht ein bisschen zu sehr zurück. Das einzige Mal, dass das Publikum sie sprechen hört, ist, als sie die Zugabe ankündigt, einen Song von den Sisters of Mercy. Nettes Wortspiel mit diesen beiden Namen. Und schöne Interpretation von „This Corrosion“.

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Der Kreis schließt sich.

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prager.student

Kuppelhalle / Kantine

Sophia: Ruhiges Ambient-Military Getrommel, ein bisschen eintönig – im Duett mit Karjalan Sissit vor ein paar Jahren fand ich es besser.

sophia

Death in Rome: Moderne Popsongs im Di6-Stil gespielt – super, wie durch das Wandergitarrengeklampfe, die Industrialsounds und die Videountermalung aus harmlosen Liedchen bedeutungsschwangere Neofolk-Stücke über den Komplex WWII/Faschismus werden. Witzig und tanzbar obendrein.

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Kirlian Camera: Besser als die letzten Konzerte, zum Glück hielt sich Elena etwas zurück, und Angelo stand die meiste Zeit im Vordergrund. Ich hätte ja gehofft, dass für dieses Ancient-Set (nur Stücke von 1980 -1996) Emilia wieder ausgegraben würde …

kirlian-camera

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Tius

Morthound (Kuppelhalle): Ein Mann und sein Apfelrechner, eine knappe Stunde rauscht es. Das war‘s, minimalistischer hätte es nicht mehr sein können.

Bergtatt (Hei Do): sehr schöner Folkrock aus Norwegen. Manche Adaptionen skandinavischer Volksweisen kennt man von Garmarna („Bläck“) oder von Folque („Ravnene“, „Harpa“). Bergtatt können aber auch mit selbst geschriebenen Songs überzeugen, wie das treibende „Hjarterot“ oder das ruhige „Huldra“. Mittelpunkt ist nicht nur Frontfrau Linn Kathrin, sondern auch der bestens gelaunte John (Drehleier, Nyckelharpa), der sich im putzigen Deutsch an die Ansagen wagt. Leider kennt Bergtatt außerhalb Norwegens niemand, und es sitzen nur ein paar Leute teilnahmslos an den Metständen rum.

Sólstafir (altes LRA): sehr schönes atmosphärisches Konzert der vollbärtigen Isländer, sie überzeugen vor allem mit Laut-/Leise-Kontrast. Highlight!

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