Nachschlag!

IMG_9419Aufmerksame Leser des Webzines wissen, dass wir natürlich bereits über das XIII. Amphi Festival berichtet haben (Freitag, Samstag + Sonntag). Dabei haben wir bedauert, nur einen klitzekleinen Ausschnitt des an Highlights wahrlich nicht armen Festivalprogramms präsentieren zu können. Doch die Rettung naht in Form unseres Gastkorrespondenten Felix, der genauso viel Spaß auf dem Amphi hatte wie Schwarzes Bayern, aber glücklicherweise ein paar andere Bands bejubelt hat. Und euch jetzt davon erzählt! Vielen Dank, Felix! 

Samstag:

Auch wenn es nach der Pre-Party am Freitag, die schon einmal ein ganz guter Start ins Amphi-Wochenende war, spät geworden ist, stehe ich tapfer am Samstag rechtzeitig auf, um die Eröffnungsband Empathy Test zu sehen. Die erst seit 2013 aktive und bis zum Erscheinen des Line-ups mir unbekannte Band hatte mir schon beim Probehören so imponiert, dass ich sie auf keinen Fall verpassen wollte. Und in der Tat erfüllt und übertrifft sie sogar meine Erwartungen. Mit einem sanften Elektropop, angereichert mit einer unfassbaren Stimme des Sängers, die auch live überzeugt, schafft Empathy Test bei mir eine Wohlfühlatmosphäre. Bereits mit der ersten Band tauche ich mit Haut und Haaren in die Festivalwelt ein und lasse den Arbeitsalltag gänzlich zurück.
Mit Eisfabrik im Anschluss nimmt das Amphi dann an Fahrt auf. Eisfabrik liefert eine gute Show und kann mich überzeugen. Angesichts der hohen Temperaturen wirkt das Bühnenbild aus Eis durchaus erfrischend. Zudem liefert Eisfabrik einen guten Übergang zu Chrom, die als Nächstes auf der Mainstage folgen. Der Bekanntheitsgrad der Lieder nimmt jetzt deutlich zu, und die Tanzbereitschaft der Gäste dementsprechend auch.
Die bisher sehr stringente Reihenfolge der Bands, die weitestgehend im Bereich Elektropop beheimatet sind, erfährt mit Tanzwut einen Bruch, den man entweder als störend oder als willkommene Abwechslung sehen kann. Bei dem routinierten Auftritt bekommt die Hörerschaft eine eher auf neuere Lieder ausgelegte Setlist zu hören. Ob es an den neueren Liedern liegt oder an der generellen Musikausrichtung aus den Bereich Mittelalter-Rock, vermag ich schwer zu beurteilen, jedenfalls geht das Publikum weit weniger mit als es die Band eigentlich verdient hat, denn der Auftritt war eigentlich ganz gut. Das Amphi-Publikum gilt ja leider generell nicht als sehr „tanzwütig“. Insofern musste es Tanzwut ja schwer haben.
Nach einer – zugegebenermaßen späten – Mittagspause begebe ich mich als Nächstes ins Theater, wo die Band an der Reihe ist, auf die ich mich besonders freue: Frozen Plasma. Obwohl ich einige Lieder sehr mag, hatte ich es bislang noch nicht geschafft, sie live zu hören. Umso gespannter bin ich jetzt. Das Konzert gefällt mir ganz gut, vor allem die charismatische Stimme des Sängers, doch die Lautstärke ist ein Problem. Sogar mit Ohrenstöpsel ist die Musik unfassbar laut – zumindest im linken mittleren Bereich, wo ich stehe. Andere Gäste, eher rechts hinten, empfinden es hingegen als nicht so schlimm.
Nahtlos geht es dann mit Diary of Dreams auf der Mainstage weiter. Obwohl ich eigentlich ein Riesenfan der Band bin, hat mich dieser Auftritt enttäuscht. Adrian Hates kann man eigentlich keinen Vorwurf machen – bei seiner Darbietung ist nichts zu beanstanden. Auch die Liederauswahl ist gut. Das Problem ist mehr das Ambiente. Während seine Kompositionen in der düsteren Atmosphäre eines schwarzen Clubs oder von mir aus auch im spärlich beleuchteten heimischen Wohnzimmer funktionieren, bei über 30 Grad Hitze und Sonnenschein auf einer Open-Air-Bühne zünden sie irgendwie nicht so richtig. Seine Musik braucht Dunkelheit.
Im Anschluss daran mache ich einen Abstecher aufs Schiff. Die zeitintensiven Ausflüge aufs Schiff müssen in diesem Jahr ja wohlüberlegt sein, da die MS RheinEnergie wegen Niedrigwasser nicht wie gewohnt in unmittelbarer Nähe zum Tanzbrunnen sondern an der anderen Rheinseite anlegen muss. Aber für Diorama nimmt man so einen Weg schon in Kauf. Im Übrigen ist es sicherlich kein Zufall, dass sich Frozen PlasmaDiary of Dreams und Diorama so gut aneinanderreihten. Ein Lob an die Planer der Running Order. Auf dem Schiff angekommen wird meine Geduld allerdings auf eine harte Probe gestellt. Wegen technischer Schwierigkeiten verzögert sich der Beginn um rund 25 Minuten. Das ist insofern ein Problem, weil man ja dann wieder genug Zeit einplanen muss, um zum Tanzbrunnen zu gelangen. Als der Auftritt endlich beginnt, ist mein Ärger nicht sofort verraucht, aber schließlich schaffen Diorama es, mich zu besänftigen. Am Schluss bin ich begeistert. Das Schiff bietet allerdings auch genau die Atmosphäre, die der Mainstage abgeht.
Mit dem Shuttlebus geht es danach schnell zurück zum Tanzbrunnen, wo ich ein bisschen verspätet bei den Krupps ankomme. Dieses Konzert verlasse ich später mit etwas gemischten Gefühlen. Einerseits hat Sänger und Frontmann Jürgen Engler eigentlich eine ganz gute Singstimme, wie man zum Beispiel bei „Fatherland“ merkt, allerdings kann er bei anderen Liedern mit Sprechgesang stimmlich nicht so überzeugen. Insgesamt haben einige Songs wie beispielsweise „Nazis auf Speed“ live nicht die Power, die sie auf dem Album haben. Trotzdem habe ich bei diesem Konzert auch meinen Spaß.

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Sonntag:

Nach einer schönen und lang andauernden Aftershow-Party am Samstag will ich auch am Sonntag die erste Band nicht verpassen. Dabei wird mir schnell klar, wie die Band Massive Ego zu ihrem Namen kam. Tolle Stimme, extravagante Erscheinung, schöner Auftritt. Auch M.I.N.E. gefällt mir gut, vor allem etwas später als die bekannteren Lieder kommen.
Stahlmann überrascht mich bereits mit ihrem Aussehen. Während ihnen sonst ihre silberne Bemalung ein martialisches Aussehen verleiht, treten sie heute unbemalt und kleidungstechnisch eher casual auf. Schade, ich mag ihren Silber-Look. Die Setlist ist soweit bekannt, außergewöhnlich ist da nur ein Missgeschick – ein Song missglückt anfangs völlig, was die Band sofort einsieht und einfach noch einmal vor vorn anfängt. Wie offen und ehrlich die Band auf diese Situation reagiert, hat mir imponiert. Nichtsdestotrotz muss ich konstatieren, nachdem ich Stahlmann schon häufiger live gesehen habe: Sie hatten schon bessere Auftritte.
Beim Auftritt von Das Ich kann Sänger Stefan Ackermann wie immer bereits mit seiner Mimik und seinem Blick das Publikum für sich gewinnen. Routiniert und humorvoll führt er mit DasIch-Mastermind Bruno Kramm durchs Konzert und lässt sich dabei auch nicht von einer widerspenstigen Mikrofon-Konstruktion aus der Ruhe bringen: Als er bei „Gottes Tod“ wie Jesus am Kreuz hängt und deswegen keine Hand frei hat, muss er sich ganz schön verrenken, um mit dem Mund ans Mikro zu kommen, das sich immer weiter von ihm entfernt. Die Liederauswahl ist weitestgehend bekannt. Das Ich hat halt seine Hits, die die Hörerschaft erwartet und auch bekommt.
Bei den Mexikanern von Hocico wird das Tempo dann deutlich erhöht. Einsetzender Regen tut der Stimmung und der steigenden Tanzbereitschaft beim höllischen Electro keinen Abbruch. Mit Combichrist folgt dann mein persönlicher Festivalhöhepunkt. Während sich viele eigentlich gute Live-Bands oft schwer tun, auf der Mainstage das Publikum mitzureißen, schafft Combichrist das mühelos. Mit „Blut royale“, „Send us to destroy“ oder „Get your body beat“ heizen Andy LaPlegua und seine Leute dem Amphi ordentlich ein. Combichrist zählt für mich zu einer der besten Live-Bands. Das einzige Problem ist nur: Ich bin nach dem Konzert immer noch so im Aggro-Tanzmodus, dass ich danach bei Apoptygma Berzerk nicht auf deren geschmeidigen Future Pop umschalten kann, obwohl ich die Band eigentlich mag.
Deswegen gehe ich vorzeitig zur Letzten Instanz ins Theater. Sänger Holly hat durchaus die Qualitäten eines Animateurs und versteht es, die Massen einzubeziehen und zum Tanzen anzuregen. Ein Wermutstropfen bleibt hier aber: Alte Hits haben kaum eine Chance gespielt zu werden, weil sie aus einer Zeit stammen, in der die Bandzusammensetzung inklusive Sänger noch eine völlig andere war.
Zu guter Letzt geht es nochmal aufs Schiff zu Kirlian Camera. Die Band aus Italien schafft ein stimmungsvolles Ambiente, in dem die Wahnsinnsstimme von Elena Fossi einem durch und durch geht. Es ist nochmal ein Höhepunkt und ein würdiger Abschluss der Konzerte vom Amphi 2017. Und erst in diesem Moment wird mir erst wirklich klar, dass es tatsächlich schon wieder vorbei ist mit dem Amphi für dieses Jahr.
Zurück am Tanzbrunnen lasse ich dieses tolle Wochenende zunächst am Beach und dann bei der Aftershow-Party im Theater ausklingen. Wehmütig blicke ich auf die vergangenen tollen 2,5 Tage. Schön war‘s. Nächstes Jahr bin ich natürlich wieder dabei.

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