Wo München Ruhe findet

In der ehemaligen Karmeliterkirche in München wurde vom 10. Mai bis 7. Juni 2013 eine Ausstellung zur Geschichte der Sepulkralkultur sowie zum 450. Bestehen des Alten Südlichen Friedhofs in München gezeigt. Für mich eine gute Gelegenheit mehr über diese kulturhistorische Stätte zu erfahren.

suedl-fh-aussstIm früheren Kirchenschiff der Karmeliterkirche waren Stellwände mit Informationen zum Lesen aufgestellt sowie im hinteren Teil eine 3D-Animation mit Kopfhörer, die Informationen zur Entstehung und Entwicklung des Alten Südlichen Friedhofs boten. Aufgrund dieser Darstellungen konnte man sich München im 16. Jahrhundert vorstellen:
Hier lebten ca. 15.000 Einwohner und innerhalb der Stadtmauern gab es fünf kleine Kirchenfriedhöfe, um den Verstorbenen ihre letzte Ruhestätte zu gewähren. Nachdem der Platz für die Toten aber immer knapper wurde, kauften die Pfarreien St. Peter und Unserer Lieben Frau ein Grundstück vor dem Sendlinger Tor und somit außerhalb der Stadtmauer. Unter dem Namen „ferterer Freythof“ wurde dieses Areal am 12.04.1563 geweiht; das ist der erste Abschnitt des heutigen Alten Südfriedhofs. Hier wurden vorerst allerdings nur die Armen und Pestopfer der Stadt München beigesetzt – ein Grund für die Bevölkerung, sich weiterhin auf den Kirchfriedhöfen beisetzen zu lassen.

Nachdem es Protestanten und Juden untersagt war, die Beisetzung ihrer Toten auf den katholischen Friedhöfen vorzunehmen (da diese ohne Bürgerrrecht waren), entstand 1782 eine eigene Begräbnisstätte für Protestanten. Dieser Teil wurde 1788 an den Südfriedhof angegliedert, doch erst 1818 die Trennung der Konfessionen aufgegeben. Für Juden stand ab 1816 ein Friedhof an der Thalkirchner Straße zur Verfügung. Zuvor mussten sie ihre Toten nach Kriegshaber bei Augsburg verbringen.

Im Jahre 1789 wurde die Beerdigung der Münchner Bevölkerung innerhalb der Stadtmauern verboten. Da die alten Kirchfriedhöfe eingeebnet wurden, bettete man einen Teil der Gebeine um. Somit konnte der südliche Friedhof als Zentralfriedhof in Betrieb genommen werden. 1791 konnte sich München als eine der ersten deutschen Städte rühmen, über ein Leichenhaus zu verfügen.
Allerdings war die Aufnahmekapazität des Alten Südlichen Friedhofs bereits Anfang des 19. Jahrhunderts erreicht: 1817 musste eine Erweiterung im Auftrag von König Max I. Joseph durch Gustav Vorherr vorgenommen werden. Er fügte dem Gelände auch halbkreisförmige Arkaden hinzu, in deren Schutz die betuchteren Bürger Münchens ihre Verstorbenen beisetzen konnten. Die Pracht und Herrlichkeit der Grabmäler wurde von bekannten Künstlern wie Friedrich von Gärtner, Leo von Klenze, Ludwig von Schwanthaler, die auch auf der alten Nekropole beigesetzt sind, und vieler anderer konzipiert und durchgeführt. Von Vorherr stammte auch die Idee, das Friedhofsgelände in Sarkophag-Form zu gestalten. Vorbild hierfür war Frankreich, aber in erster Linie wird die Gestaltung durch die Häuserzeilen der Umgebung vorgegeben.
Infolge einer großen Choleraepidemie 1836 war eine neuerliche Erweiterung unumgänglich. König Ludwig I. hat diese 1844 bei dem Architekten Friedrich von Gärtner in Auftrag gegeben. Das Leichenhaus wurde erweitert und ein prunkvoller Arkadengang mit 175 Gruften nach dem italienischen Vorbild eines Campo Santo errichtet. Laut der Festschrift „Wo München Ruhe findet – 450 Jahre Alter Südlicher Friedhof“ (Seite 15) wurde der alte Friedhofsteil mit dem neuen durch eine dreischiffige Pfeilerhalle mit flachen Kuppeln verbunden.
1854, vier Jahre nach Ende der Erweiterungsarbeiten, brachte die mittlerweile 500.000 Einwohner zählende Stadt München und eine neuerliche Choleraepidemie das Gelände an die Grenze ihrer Möglichkeiten, was das Ende das Alten Südfriedhofs als Hauptfriedhof bedeutet. In der Folge wurde 1869 der Nordfriedhof innerhalb der Stadt geweiht. Diesen findet man heute unter dem Namen „Alter Nordfriedhof“ an der Arcisstraße. Aufgrund der lange bestehenden Familiengräber fand erst am 30. Dezember 1943 die letzte offizielle Beisetzung auf dem früheren Zentralfriedhof statt.

ruinenarchitekturIm Zweiten Weltkrieg wurden am 02.10.1943 sämtliche Gebäude und Arkaden des Alten Südfriedhofs schwer beschädigt. Dies führte auch dazu, dass man heute nur noch 5.000 Grabstellen statt der früheren 20.000 besichtigen kann. Erst 1954 konnte Hans Döllgast beauftragt werden, die frühere zentrale Ruhestätte wiederherzustellen.
Von März 2004 bis Oktober 2005 musste das Gelände für Besucher geschlossen werden. Es wurden über 2 Mio. Euro für die Sanierung bzw. Restaurierung des Geländes und der Grabmäler genehmigt. Die wieder aufgebaute Aussegnungshalle wurde zum Lapidarium umgestaltet. Die Instandsetzung der ehemaligen Aussegnungshalle und der Arkaden wurde mittels der sogenannten Ruinenarchitektur der Bevölkerung präsentiert. Die Art der Restaurierung wurde von vielen Stimmen kritisiert; diese sollten nicht zu unrecht argumentiert haben: Mittlerweile zeigen sich unter anderem Witterungsschäden an den Gedenktafeln im Arkadengang.

Die 300-jährige Geschichte der Bestattungen auf dem Alten Südlichen Friedhof birgt so manche Begebenheiten und bekannte Namen:
sendlinger-mordweihnachtZur Erinnerung an die Sendlinger Mordweihnacht am 25.12.1705 stiftete König Ludwig I. ein neugotisches Denkmal in Form eines Weihwasserbeckens.
Helene Sedlmayr, Franziska Freifrau von Reitzenstein, Papa Schmid, der „Glockenmann“ Johann Baptist Trappentreu oder auch die Amazone Cula waren Persönlichkeiten zu ihrer Zeit und fanden hier ihre letzte Ruhestätte.
Es können 50 verschiedene Gesteinsarten für Grabsteine, -platten sowie Gedenktafeln, unter anderem der Rosenheimer Granitmamor, entdeckt werden.
Bei meinen Besuchen auf dem Alten Südfriedhof habe ich bereits viele Grabstätten gesehen, die von Zäunen umgeben sind. Laut den Ausführungen der Ausstellung war es bis zum Jahr 1799 den Mesnern des Südfriedhofs gestattet, Ziegen und Schafe zu halten. Durch die Abgrenzung sollte das Abfressen der Bepflanzung verhindert werden.

Der 450-jährige Friedhof ist die älteste Grünfläche Münchens, gehört zu den bedeutendsten Ruhestätten Europas und steht unter Denkmal- sowie Naturschutz. Bei jedem Besuch kann man Neues entdecken und Ruhe vom rundum stattfindenden Straßenlärm finden; jede Jahreszeit entwickelt ihren eigenen Reiz, vor allem auch für Fotografen. Der Alte Südfriedhof ist somit immer einen Besuch wert.

Informationen zu Führungen und zu Abendveranstaltungen auf dem Alten Südlichen Friedhof

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