Zäher Schinken

DZ_BLC-C_1500x1500Glenn Danzig, 1955 als Glenn Allen Anzalone in New Jersey geboren, ist eine der wichtigsten und schillerndsten Gestalten der härteren Musik. 1977 Mitbegründer der legendären Punkband The Misfits, ab 1983 volle Konzentration auf seine eigene Band Samhain, ab 1987 als Solokünstler unter dem Namen Danzig unterwegs. Nicht nur seine dunkle, markante Stimme und seine beeindruckende Bühnenpersönlichkeit, sondern auch sein Gespür für großartige Songs haben ihn schon früh zum Kultstar avancieren lassen. Nicht nur für mich gehören die Misfits-Klassiker sowie mindestens seine ersten zwei oder sogar drei Soloalben unverrückbar zur heimischen Plattensammlung. Doch in den letzten Jahren wollten Glenn Danzig irgendwie nicht mehr die ganz großen Würfe gelingen, etwas ruhiger ist es um den Schinkengott geworden. Jetzt ist sein neues Album Black laden crow erschienen – wird er damit an alte Heldentaten anknüpfen können?

Um es gleich mal vorwegzunehmen: Nein, er schafft es nicht. Schon der Titelsong „Black laden crown“ ist symptomatisch für das ganze Album: Er kommt nicht so recht aus dem Knick. Das sich zu lang hinziehende Eröffnungsriff, der zuerst noch erschreckend zaghafte Gesang, die fehlende Dynamik sind wirklich nur ein Abklatsch alter Klasse. Erst im letzten Viertel des Songs blitzt ein wenig der alten Genialität auf, als das Tempo anzieht und Tommy Victors Gitarre losröhren darf. Ähnlich enttäuschend ist „Eyes ripping fire“, schwacher Gesang, uninspirierte Riffs – von der Grundkonzeption könnte das ein klassisch-guter Danzig-Song sein, aber er will einfach nicht zünden. Was allerdings auch am seltsam schief gesungenen Refrain liegen könnte. Schade! „Devil on Hwy 9“ macht zum Glück ein wenig Dampf, kommt leider auch nicht an sowas wie das legendäre „Long way back from hell“ heran, aber schlägt zumindest in dieselbe Kerbe und ist tatsächlich gut anhörbar. Auch „Last ride“ lässt erfreut aufhorchen, hier hat der gute Glenn plötzlich wieder den Dreh raus: hypnotische Riffs, leidenschaftlicher Gesang – hach, da denkt man doch glatt an „Her black wings“ und Ähnliches. Geht doch. Oder? „The witching hour“ kommt leider wieder sehr blutleer daher, es ist wie verhext. Auch hier wären die Zutaten ganz nach alter Danzig-Schule, aber alles ist zu langgezogen, zu schwachbrüstig, gerade mal Tommy Victors Gitarrenspiel bringt noch etwas Pep in den Song. Dasselbe trifft auf „But a nightmare“ zu – irgendwo im Song sind gute Riffs versteckt, die teilweise sogar eine amtliche Härte erreichen, doch man braucht ein wenig Geduld, bis diese ihre Klasse entfalten. „Skulls and daisies“ und „Blackness falls“ kriegen zum Glück wieder etwas die Kurve, schrammen aber zwischendurch auch immer wieder hart an der Belanglosigkeit vorbei. „Pull the sun“ will dann als Albumabschluss noch mal alle Register ziehen, ein typischer Danzig-Midtempo-Song mit gefühlvollem Gesang und schweren Riffs. Auch hier gilt leider wieder: Die Grundzutaten sind gut, die Umsetzung wirkt teilweise schwach, vor allem wenn man mit den alten Platten aufgewachsen ist.

Völlig misslungen ist Black laden crown natürlich nicht, immerhin kann Glenn Danzig auf jahrzehntelange Erfahrung, Talent und sehr gute Mitmusiker zurückgreifen, und das merkt man dem Album letztendlich natürlich bei allen Schwächen auch an. Ein großer Minuspunkt ist allerdings der Sound und die Produktion, die wieder einmal Glenn Danzig selbst durchgeführt hat. Das sollte er lassen, das ist nicht seine Stärke. Vielleicht wirkt die Platte deshalb auch so blutleer, man hätte aus dem vorhandenen Songmaterial mit einem fetteren Sound sicher noch mehr herausholen können. Doch auch Danzigs Stimme ist nicht mehr ganz das, was sie mal war, was man vor allem bei den langsamen Passagen hört, bei denen sie auch noch sehr stark in den Vordergrund gemischt ist. Manche Songs sind auch mindestens eine Minute zu lang, etwa knackigere Versionen wären hier besser gewesen.
Wenn man Danzig grundsätzlich mag, dann kann man sich Black laden crown auf jeden Fall anhören, wenn man ihn wie ich früher als Musiker wirklich geliebt hat, der tut sich etwas schwer mit dem Album.

Anspieltipp: Last ride

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Danzig: Black laden crown
AFM Records, Soulfood, 26.05.17
Länge: 45:51
Kaufen: 15,99 € bei Nuclear Blast

Tracklist:
1. Black laden crown
2. Eyes ripping fire
3. Devil on Hwy 9
4. Last ride
5. The witching hour
6. But a nightmare
7. Skulls & daisies
8. Blackness falls
9. Pull the sun

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