Horror vacui!

1Was für ein Glück! Ich wollte ohnehin in diese Ausstellung gehen, aber unverhofft kam ich durstig am Sonntagnachmittag in den Innenhof des Stadtmuseums, um mir eine Rhabarberschorle zu gönnen, und, kaum fassbar: Ich hatte den internationalen Tag der Museen erwischt, was heißt, ich konnte ganz umsonst ins Museum und in die Ausstellung.

Carl Strathmanns (1866-1939) Kunst ist originell, bizarr, skurril.

Selbstverständlich hatte er den Jugendstil drauf. Er setzte aber mit seiner verspielten Detailversessenheit noch eines oben drauf, er machte aus romantischen Märchen Horrorgeschichten. Blumen und Stilleben wurden zu symbolträchtigen Bildern mit ganz eigenen Geschichten. Der Künstler schuf eigene Welten von karikaturhaften Märchen, bei seinen Blumenbildern denkt man gleich an etwas ganz anderes, seine historischen Bilder wirken geschichtsgetreu, haben aber bei genauer Betrachtung immer etwas dekadentes, frivoles, freches, unerhörtes.

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Seine Personen und Persönlichkeiten waren damals vielleicht das, was man heute IT-Girls und dazugehörige coole Typen nennt. Dandy nannte man diese Typen damals. Ein Dandy und Weinkenner, das war Strathmann selbst auch. Die Bilder wirken modern, sie wollen wahrscheinlich hinweisen auf die Diskrepanz zwischen arm und reich, Bildung und keine Chance darauf.

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Strathmann war den Zeitgenossen weit über München hinaus ein Begriff. Lovis Corinth und Wassily Kandinsky verehrten ihn. Dennoch ist er der Allgemeinheit heutzutage kaum bekannt.

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Vielleicht helfen die ca. 150 Ausstellungsobjekte, zum größten Teil aus der Sammlung des Münchner Stadtmuseums. Denn hier ist tatsächlich sein gesamter künstlerischer Nachlass, selbst zahlreiche seiner Werke, die allgemein als verschollen oder zerstört gelten. Anlässlich dieser Ausstellung wurden einige dieser Werke restauriert und wieder einem Publikum präsentiert.

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Die Aufseher weisen einen auf diese Super-Werke hin: „Vorsicht: Hier darf man nicht fotografieren.“
Ich sage „Vorsicht: tolle Bilder!“

Jugendstil skurril
Carl Strathmann
15.3. – 22.9.2019 im Stadtmuseum
Münchner Stadtmuseum
Di-So 10-18 Uhr
St.-Jakobs-Platz 1
80331 München

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