Festival Mediaval VI, 6.-8. September 2013, Selb – Freitag

Und was das Besondere an Selb ist, fragt der freundliche Reporter, der einen auf der Suche nach zitierfähigen O-Tönen zielstrebig auf der sonnigen Wiese vor der Hauptbühne angesprochen hat, auf der am Freitag das VI. Festival Mediaval eingeläutet werden soll. Naja, Selb ist Tradition, Selb ist quasi das Familientreffen der Szene, das Ende der Saison, das Ritual, zu dem sich jedes Jahr… – nein, das mit dem Ritual hat vorhin schon jemand gesagt, man möge sich doch etwas anderes einfallen lassen, das fällt sonst auf.

Aber wie sonst soll man Selb beschreiben? „Das größte Mittelalterfestival Europas“? Aber die Bands spielen auch Folk, Metal, traditionelle irische Musik und Ska. Mittelaltermarkt? Klar, aber es gibt nicht nur Buden und Stände, wo man sein Geld lassen kann, sondern auch massenweise Workshops zum Selbermachen, die thematisch von Kontaktjonglage bis Hümmelchen spielen für Einsteiger reichen. Lagerleben? Selbstverständlich, mit über 20 Gruppen, die verschiedenen Zeitaltern entsprungen sind (dieses Jahr gab es dann auch Wikinger). Aber es stolzieren auch Stelzenläufer in fantastischen Kostümen herum, manche Gäste haben kurzerhand ihre eigenen Pois und Jonglierbälle mitgebracht und Feuerspucker zündeln glücklich auf den Wiesen. Pfaffen halten Prozessionen ab, die Schotten üben sich in ihren Highlandgames, Bettler machen unschuldige Passanten an, Ritter in voller Plattenrüstung veranstalten Schaukampfturniere. Dazwischen Familien mit Kinderwägen und vernünftigem Schuhwerk. Am hinteren Eingang raucht ein Kohlemeiler vor sich hin und verleiht dem verführerischen Geruch von frischem Brot, gebratenem Fleisch und orientalischen Teehäusern ein leicht qualmiges Aroma. Weltklasse Bands wandern in Spielpausen unbehelligt auf dem Gelände herum und feiern hinter den Kulissen Wiedersehen mit alten Kollegen. Über die Dinge, die nachts auf dem Campingplatz passieren, schweigen wir lieber …
Das alles – grob zusammengefasst – ist das Besondere am Festival Mediaval in Selb.

mediaval13-0020Dieses Jahr hat sich das Team rund um Bläcky wieder ein besonderes Programm einfallen lassen: das Mediaval 2013 stand ganz unter dem Zeichen des „Nordic Specials“ und bot unter anderem mit großen Namen wie Poeta Magica, Valravn und Garmarna ein eindrucksvolles Line-up.

Musikalisch eröffnet wurde das Mediaval am Freitag aber zunächst mit den mittelalterlichen Klängen von Totus Gaudeo. Mit gut gelaunten und witzig getexteten Liedern aus den selbst erschaffenen „Carmina Bavarica“, Balladen von Walnussbäumen, Rittern und dem Schrecklichen Sven, schafften es die Spielleute, das noch tanzfaule Publikum in Bewegung zu bringen und ein Lächeln auf fast alle Gesichter zu zaubern.

Härter ging es danach bei Unshine zu: Die finnische Band, die sich dem Druid Metal verschrieben und es schon mit ihrem zweiten Album in die finnischen Charts geschafft hat, tat ebenfalls ihr Bestes, das Publikum mit düsteren, atmosphärischen Klängen zu begeistern. Nachdem sie sich ein paar Songs lang eingespielt hatten, funktionierte das auch gut, und man konnte astreinen Metal mit leichten Nightwish-Assoziationen genießen.

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Ungewohnt früh am Abend traten dann Omnia auf, die in Selb schon quasi zum Inventar gehören. In leicht reduzierter Besetzung – Gitarrist Phil hat die Band inzwischen wieder verlassen – brachten die anarchistischen Pagan-Folk-Rocker ein zwar kurzes, aber intensives Set aus alten und neuen Stücken auf die Bühne. Dabei zeigten sie die stilistische Vielfalt, die man von ihnen gewohnt ist. Nicht nur Pagan Folk gab es zu hören, sondern auch Rap, Reggae (mit dem neuen Song „Earth Warrior“ – der ganz erstaunliche Auswirkungen auf das Publikum hatte und sogar die Fotografen im Graben zum Tanzen gebracht hat), Country und Classic Rock mit dem Klassiker „Crazy Man, Crazy“. Die wilde Mischung, der sie immer ihren eigenen Flair verleihen, funktioniert nach wie vor hervorragend – wobei mehr Proben tatsächlich nicht schaden könnten, denn obwohl die Musiker weniger geworden sind, bleibt die Anzahl und wahnsinnige Vielfalt der Musikinstrumente, die sie spielen, die gleiche.

Nachdem Feuerschwanz ihr Publikum mit abwechslungsreichem Mittelalter-Rock, schräger Lyrik und dreisten Späßen ganz nach ihrem Credo „Met & Miezen“ unterhalten hatten, gab es als Headliner eine zweite Band, ohne die Selb eigentlich undenkbar wäre: Faun. Das alte Thema „Oh nein, Faun machen jetzt Mainstream-Pop“ kann man nach dieser Saison wohl (hoffentlich) endgültig begraben: In Selb jedenfalls haben die Münchner ein astreines Set gegeben – und exakt ein Stück aus dem umstrittenen, jedoch (oder weil?) kommerziell erfolgreichen Album „Von den Elben“ gespielt, das nicht einmal das schlechteste der CD war. Abgesehen von diesem erfreulichen Trend waren sie auch gut gelaunt, hervorragend eingespielt und gaben der Menge genau das, was sie haben wollte: wilde Tanzlieder, Balladen, Atmosphäre und einige heißgeliebte Klassiker. Wenn man von dem Konzert auf die neue CD, die schon in der Mache ist, schließen kann, muss man sich jedenfalls keine Sorgen um die Band machen, und spätestens bei der hypnotischen „Hymn to Pan“ schien auch das Publikum dann wieder mit den Selb-Lieblingen versöhnt gewesen zu sein. Nur eine Bitte hätte man noch: den „Andro“, bitte, eher am Schluss spielen – gleich am Anfang ist man einfach noch nicht warm genug getanzt.

mediaval13-0378Ausklingen lassen konnte man den Abend dann mit einer Vorstellung des Theatre of Shadow Evolution, das an dem Wochenende noch mehrmals unterwegs war und diverse kleinere Vorstellungen gab. Freitagnacht zeigte die Truppe mit Schauspielern, Tänzern und Stelzenläufern das emotional sehr eindrucksvolle, konzeptionell aber eher schwierig zu verstehende Stück „Fin Amor“ und hinterließ danach ein staunendes Publikum.

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