Alte Krieger und neue Zeiten

StS HeyManche Bands begleiten uns schon so lange, dass wir viele Erinnerungen an diese haben. In meinem Fall, und dem sehr vieler anderer, die seit den Neunzigern zum Mittelalter Rock gekommen sind, ist es Subway to Sally. Wer hat nicht schon mal in der Vergangenheit die Stimmbänder strapaziert zu „Falscher Heiland“ oder „Kleid aus Rosen“? Gute alte Zeiten. Aber wir müssen nicht nur in Erinnerungen schwelgen, denn die Engelskrieger sind wieder zurück mit ihrem neuen Album Hey!.

Wie bei jedem neuen Album stellt sich die Frage: Haben wir denn ein Stück der guten, alten Zeit? Oder genauer: Sind es die alten Zeiten? Sind es die guten Zeiten? Darauf ein klares: Jein!

Die Erfahrung machts

Zunächst einmal muss ich mit absoluter Anerkennung sagen, dass Hey! auf einem technisch wahnsinnig hohen Niveau aufgenommen ist, praktisch absolut einwandfrei. Klarer Sound, kein deutlich vernehmbares Scheppern oder irgendwas, kein Instrument geht unter, alle Lautstärken sind richtig gut aufeinander abgestimmt. Während ich diesen Punkt auf dem Live-Album Neon noch negativ bewertet habe (denn welchen Sinn macht ein Live-Album, dass sich nicht nach Live-Album anhört?), ist es hier ein dicker Pluspunkt. Ein Zeichen der langen Erfahrung von Subway to Sally und immer wieder eine Freude, so solide und gute Arbeit auf einem Silberling zu haben.

Keine kleinen Brötchen

Schon wenn man die CD in die Hand nimmt und das Cover betrachtet, beschleicht einen das Gefühl, dass sich hier mal wieder nicht mit trivialen Themen beschäftigt wird. Aus dem Bild blickt einen eine Ballerina an, rußverschmiertes Gesicht, Dekollete und Tutu, mit einem abgestumpften, leeren Blick. Jemand der so schaut, erwartet nichts Gutes mehr zu erleben.
Und genau damit beschäftigt sich Hey!. Ist der Titel zunächst etwas nichtssagend, doch schon bald merkt man: Es ist das zentrale Thema des Albums, eine Message. Die Grundlage des Albums ist der Blick des Mädchens auf der Front, Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung, doch was uns das Album sagen will ist: „Wacht auf und tut was!“. Wortgewaltige Texte, die Bilder erzeugen und Geschichten erzählen. Wie gemacht für Eric Fishs Stimme, der auf Hey! von einigen Gaststars unterstützt wird (Chris Harms, Syrah, Dero und einem Subway-Fanchor).
Transportiert wird das ganze von einem schönen, harten Gitarrenbrett. Ja, das Wort ist ausgelutscht, aber es passt einfach: Es ist ein Brett. Da rockt und metalt es, dass man es sich gar nicht besser wünschen kann.

StS Bandpic cr Alexander Schlesier, Skulls N Gears

Wünsche?

Doch was man sich wünschen kann, vor allem wenn man Fan der frühen Subway to Sally Werke ist: Wo sind die mittelalterlichen Instrumente? Das was Subway to Sally ausmachte und einen eigenen Stil des deutschen Mittelalterrocks mitgeprägt hat. Nun, sie sind da, ein bisschen. Hier oder da mal ein wenig Dudelsack oder eine Laute. Aber ansonsten ist leider das geschehen, was ich schon bei Neon befürchtete: Subway to Sally fahren weiter auf der Elektro-Schiene.
Warum leider? Die Elektro-Parts fügen sich nahtlos in die Lieder ein, sind genauso perfekt auf die restlichen Spuren abgestimmt, wie alles andere. Es passt super hinein, besser sogar als früher, da die Lieder von Anfang an mit diesem Sound geschrieben wurden. Also warum leider? Aus einem genauso einfachen, wie traurigen Grund: Es ist einfach nicht mehr Subway to Sally. Nicht so, wie man es kennen- und liebengelernt hat. Sicher, man muss jeder Band zugestehen, dass sie sich weiterentwickelt. Aber wenn sich eine Band so sehr von ihren Wurzeln entfernt, wie eben eine Mittelalter-Rock-Band, die fast komplett auf mittelalterliche Instrumente verzichtet und dafür Synthesizer nimmt, dann muss diese eben akzeptieren, dass vielleicht viele Fans von früher ihnen den Rücken kehren werden. So etwas ist eine reine Geschmackssache (wie so vieles), und bei anderen Bands weiß ich durchaus Synthie-Einspieler zu schätzen. Doch bei einer Band, bei der ich eine CD einlege und auf einen ganz speziellen Sound hoffe, ist meine Enttäuschung eben einfach riesig, sobald ich feststelle, dass dieser Sound nicht mehr da ist. Anders ausgedrückt: Der „neue“ Sound ist wie ein Elefant im Raum, der so ungeschickt vor der Tür steht, dass ein Gefühl der Nostalgie nur noch mit einem Fuß rein kann.

Der Elefant im Raum

Wie bereits gesagt: Geschmackssache. Vielleicht kann man sich daran gewöhnen und mit Sicherheit gibt es viele, die Subway to Sally dadurch neu für sich entdecken. Vielleicht bin ich auch einfach nur altmodisch. Damit könnte ich es belassen und eine gute Note mit wehmütigem Unterton vergeben. Wäre da nicht noch ein zweiter Elefant. Einer der mich böse anschaut und seltsamerweise eine Keule schwingt.

Oh-ooh. Na-na-na.

Neuer Sound hin oder her, in Verbindung mit harten Riffs und starken Texten sind doch ein paar wirkliche Hammer-Lieder auf Hey!, sogar ein paar mit richtig Gänsehaut-Potential. Wie zum Beispiel „Messias“. Der Refrain hat mir jedes Härchen im Nacken aufgestellt. Phantastisch, genauso wie es sein muss … und dann kam der Mitsing-“oh-oh-oh“ Part. Aus und vorbei mit der Gänsehaut, die Stimmung zerstört, das Lied nur noch Pop-Rock. Genauso wie zum Beispiel „Imperator Rex Graecorum“, getragener lateinischer Gesang, ein leises mittelalterliches Gefühl, und mittendrin ein „na-na-na-na“-Teil. Es gibt meiner Meinung nach nichts, nicht einmal Synthie-Klänge, das weniger zu lateinischem Text passt wie ein derartiges Trällern. Und das Allerschlimmste ist das Bonuslied, „Hey!“, das aus 2:19 Minuten „na-na-na“ von einem Subway-Fanchor besteht. Mir fällt dafür nur ein einziges Wort ein: unnötig. Nicht nur, dass es unnötig ist, nicht zum Album passt und über zwei Minuten lang absolut dasselbe ist, finde ich es doch sehr seltsam, dass auf dem letzten Live-Album praktisch nichts vom Publikum zu hören war und wir hier einen Fanchor bekommen.

Die Keule über den Schädel

Im Grunde ist Hey! ein solides Album, klasse gemacht, technisch perfekt. Die Texte sind bildgewaltig, die Riffs brettern gut und die Gaststars hört man immer gerne. Aber die Keule vom zweiten Elefanten hab ich nicht verkraftet, da bin ich zu Boden gegangen. Kindisches „na-na-na“ oder „oh-oh-oh“ und ein wirklich sinnloses Bonuslied machen mir persönlich leider den Spaß an diesem Album kaputt. Das und die Abkehr von den mittelalterlichen Wurzeln, die ich alleine vielleicht noch hätte verschmerzen können, wenn auch mit Wehmut. Vielleicht finden sie mit ihrem neuen Sound neue Fans, in mir haben sie allerdings einen verloren.
Dennoch bekommt Hey! von mir drei von fünf Punkten, denn die pure technische Qualität muss man einfach anerkennen.

:mosch: :mosch: :mosch: :mosch2: :mosch2:

Subway to Sally: Hey!
STS Entertainment/Universal Music, Vö. 08.03.19
19,99 € beim Händler eures Vertrauens

Tracks:
1. Island (feat. Chris Harms/Lord ofthe Lost)
2. Imperator Rex Graecorum
3. Königin der Käfer
4. Messias
5. Die Engel steigen auf
6. Anna’s Theme
7. Am tiefen See (feat. Syrah/Qntal)
8. Selbstbetrug (feat. Dero/Oomph!)
9. Bis die Welt auseinanderbricht
10. Alles was das Herz will
11. Aufgewacht
12. Ausgeträumt
13. Hey! (feat. Subway to Sally-Fanchor)

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