You gotta hang on to the trip you’re on …

 

 

motorpsycho-1Das Backstage Werk füllt sich anfangs nur langsam, auch wenn die Seitenränge abgehängt sind. Man kann sich bequem ganz vorne an die Absperrung stellen, ohne dass einem der Platz streitig gemacht wird. Um kurz nach acht, der Saal ist inzwischen relativ gut gefüllt, läuft der Roadie zum letzten Mal über die Bühne und positioniert die letzte Gitarre, die Spannung im Publikum steigt, Motorpsycho betritt die Bühne.

Nach einem knappen „Guten Abend“ legen die Norweger mit „Year Zero“ los. Der Song beginnt ruhig, die Bühne ist in blaues Licht getaucht. Man hat Zeit, erst einmal die Bandmitglieder zu studieren. Mir als Motorpsycho-Neuling fällt erst einmal auf, dass der Bassist Bent Sæther (übrigens ein Linkshänder) in der Mitte der Bühne steht – das wundert mich allerdings nicht lange: Bent ist nicht nur Bassist, sondern auch Leadsänger von Motorpsycho.

Auf der rechten Seite steht, Kaugummi kauend, Hans Magnus „Snah“ Ryan (Gitarre, Gesang), der mit Bent Sæther seit der Bandgründung 1989 den Kern von Motorpsycho bildet. Am Schlagzeug sitzt seit 2007 Kenneth Kapstad, der mit seinen 34 Jahren deutlich jünger als der Rest der Band ist und das durch schier grenzenlose Energie unter Beweis stellt. Links steht der schwedische Gitarrist und Sound Engineer Reine Fiske, der auch bei den Studioaufnahmen zu Still Life With Eggplant mitgewirkt hat.

Mit dem nächsten Song geht die Band gleich in die Vollen – bei „Hell, Part 1-3“ vom aktuellen Album Still Life With Eggplant ist für jeden etwas dabei: Ein stoner-rockiges Intro mit einer Hookline, die einen noch tagelang verfolgt, zweistimmiger Gesang (wenn auch mit kleinen Uneinigkeiten zwischen Snah und Bent, die aber schnell per Blickkontakt geklärt werden) mit leicht poppigen Anklängen, und ein groovender, instrumentaler dritter Teil, dessen Sinn sich allerdings nicht so ganz erschließt. Aber es muss ja auch nicht alles einen Sinn haben.

Es geht eingängig weiter. Auf einen komplett neuen Song, der zum ersten mal live gespielt wurde und noch auf keinem Album ist, folgt ein Song aus dem Jahr 1969: „August“, im Original von der Band LOVE. Vom authentisch-hippiesken Anfang steigert sich die Band in einen Schlagzeug getriebenen, lärmenden Höhepunkt hinein, während das Publikum ekstatisch tanzt.

motorpsycho-2Anschließend gönnt Motorpsycho sich und uns eine ruhigere Phase. „Überpilgrim“ verzaubert mit zweistimmigen Gitarren, die sphärisch dahinwabern und einen unweigerlich an ruhige Led-Zeppelin-Songs denken lassen. Nach dieser Verschnaufpause wird die Halle kräftig angeheizt – das instrumentale „Whip That Ghost“ (2000) und der Klassiker „Greener“ (1996) („something for the old folks!“) lassen das Backstage kochen. Irgendwann versucht ein übereifriger Fan, über die Absperrung zu klettern und die Bühne zu erobern, wird aber rechtzeitig von der Security gebremst. „Arne H.“ kommt anfangs wieder deutlich ruhiger und experimenteller daher. Nach verfremdeten Gitarrenklängen entsteht langsam ein erkennbarer Bass-Groove, die Band steigt nach und nach mit ein, bis Motorpsycho wieder rockt.

Bei „Barleycorn“ aus dem aktuellen Album wechseln sich ruhige, harmonisch zweistimmige Strophen mit einem relativ brachial unisono gebrüllten Refrain ab (der dafür umso eindringlicher im Ohr bleibt). Ein bisschen schade, weil der Gesang dadurch unsauber wird (das ist er allerdings sogar auf der Studioaufnahme), aber die Energie fließt in Strömen. „Manmower“ („a song from our youth“) lässt einen wieder Zeit und Raum vergessen, ist meditativ und experimentell und wird erst zum Schluss laut. „L’Autre Autre Cretin / The Other Other Fool“ bietet wieder mehr Groove. „All Is Loneliness“ mutet hippieartig orientalisch an, mit metallischer, nach Sitar klingender Gitarre, die während des ganzen Songs auf einem Akkord bleibt, und sich versetzt wiederholendem Gesang.

Irgendwann im Laufe des nächsten Songs rückt mir ein reichlich angeheiterter und schon längere Zeit ausgelassen tanzender Motorpsycho-Fan immer mehr auf die Pelle, sodass die gute alte Moshpit-Ellbogensperre zum Einsatz kommt. Ich beschließe allerdings relativ schnell, mich lieber zu unsere Konzertfotografin des Abends (Torshammare) auf die Seite zurückzuziehen. Während der Zugaben verlassen wir das Backstage, sodass wir (leider oder zum Glück?) nicht mehr in den Genuss kommen, zu sehen, wie ein betrunkener Fan sich schlussendlich doch noch den Weg auf die Bühne erkämpft. (Nachzulesen im Forum der Motorpsycho-Homepage)

Ob deshalb, oder weil im Backstage generell um 23 Uhr die Konzerte enden und die Partys beginnen – nach „You lied“ ist endgültig Schluss, die Spielzeit von fast 3 Stunden ist allerdings nicht zu verachten.

Fazit:
Ein tolles Konzert, selbst wenn man, wie ich, viele der Songs vorher nicht kennt. Auch unter „musikalisch-handwerklichen“ Aspekten eine Freude zum Zuschauen und Zuhören. Wenn es nicht immer und überall ein paar Menschen gäbe, die nicht wissen, wann sie aufhören sollten, wäre es ein rundum gelungener Abend gewesen.

:mosch::mosch::mosch::mosch::mosch2:

SETLIST

1 Year Zero
2 Hell
3 Forget It! (Neuer Song)
4 August
5 Überpilgrim
6 Whip That Ghost
7 Greener
8 Arne H.
9 Barleycorn
10 Manmower
11 L’Autre Autre Cretin
12 All Is Loneliness
13 Satan Goes To California

Family
On A Plate
Into The Sun
X3
You Lied

Fotos: torshammare

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