„Soundcheck“ rocken das Studio

Samstag, 27.7. 18:20, München: torshammare und ich treffen uns hoch motiviert und bester Laune zu einem vielversprechenden Konzertabend. Im Rahmen des Free&Easy Festivals im Backstage Werk München sollen Defrage spielen – meine estnischen Helden aus der Fußgängerzone. Da wir reichlich früh da sind, vertreiben wir uns die Zeit im werkseigenen Biergarten mit lecker Pommes und Getränken, und trotz der großen Hitze steigen Laune und Spannung.

20:20: Zwanzig Minuten nach offiziellem Einlass betreten wir das „Studio“, in dem Defrage nach Deaf Kid und Bale, offenbar Bands aus dem Umland, spielen sollen. Erstere hören wir noch soundchecken, das winzige Studio ist locker gefüllt. Die Stimmung ist ruhig, aber gut.

21:00: Offizieller Beginn des Konzerts mit Deaf Kid. Die sind allerdings mittlerweile runter von der Bühne, denn nun sind Bale zum Soundcheck an der Reihe und klingen dabei wirklich nicht übel. Nachdem wir vorher von der Aussicht, bei Temperaturen um 35° noch zwei andere Bands durchschwitzen zu müssen, nicht eben begeistert waren, stimmen Bale uns nun doch positiv. Das Publikum fluktuiert rein und raus, vermutlich weil im Biergarten das Fußballspiel läuft.

21:30: Defrage tröpfeln auf die Bühne, zupfen an Instrumenten und schrauben noch hier und da. Die Stimmung steigt etwas, besonders der offenbar mitgebrachte Fanclub aus Estland ist gut gelaunt. Zarte Klavierklänge: das Band mit dem Intro zu „Save us from Religion“, dem ersten Erfolgssong der Band, beginnt und wir wippen voll Vorfreude mit den Köpfen. Doch halt – wo ist Sänger Argo? Oh, der steht hinter uns und gibt dem Tontechniker Anweisungen. Doch wieder nur ein Soundcheck. Dieser ist allerdings extrem vielversprechend und schürt nochmals die Erwartungen, mit denen wir dem Konzert entgegenfiebern.
Der Soundcheck wird allerdings immer wieder aus nicht nachvollziehbaren Gründen unterbrochen, Musiker stehen gelangweilt herum, quatschen, trinken und rupfen an Gitarrensaiten. Niemand scheint so recht zu wissen, was nun eigentlich passiert, der Tontechniker weiß nicht einmal, welche Band er gerade abmischt – geschweige denn, wann und in welcher Reihenfolge sie nun spielen werden. Aber gut, eine halbe Stunde Verspätung ist ja nicht die Welt …

21:55: Draußen an der frischen Luft reift in uns die üble Vorahnung, dass irgendwas nicht nach Plan verläuft. Die Soundchecks scheinen vorbei, aber sämtliche beteiligte Bandmitglieder stehen irgendwie noch planlos auf dem Gelände verteilt.

22:20: Wir befragen Defrage-Drummer Andres, ob er eine Ahnung hätte, wann seine Band spielt. Mit einer unsicheren Geste gibt er zu, dass es „vielleicht“ elf oder zwölf werden würde. Vermutlich aber eher zwölf.
Jetzt ist die Katze also aus dem Sack: geplant waren drei Bands, Deaf Kid um neun, Bale um zehn und Defrage – wegen denen wir ja eigentlich hier sind – um elf. Mittlerweile ist es 22:30 und Deaf Kid stehen zwar – mal wieder – planlos auf der Bühne, doch Musik ist außer dem dröhnenden Bass der Nachbarhalle noch immer keine zu hören. Langsam dämmert uns, dass auch „eher zwölf“ wohl eher dem Wunschdenken entspringt, das uns bis hierhin durchhalten ließ. Nachdem wir seit mittlerweile fast 4 Stunden auf dem Gelände waren, außer der allseits beliebten Band „Soundcheck“ nichts gehört und noch weitere Pläne für den Abend haben, beschließen wir reichlich angefressen, das Backstage Gelände zu verlassen.

Das Fazit des Konzertabends ist ziemlich ernüchternd. Mindestens zwei Bands mit großem Potential (zumindest nach dem, was man aus ihren Soundchecks heraushören konnte), zwei hochmotivierte Blogger, viel gute Laune – aber keine Musik. Ein planloser Tontechniker, ebenso planlose Musiker und irgendwie niemand, der offiziell ausschaut und irgendwas organisiert. Hinter den Kulissen ist da offenbar einiges schief gegangen, inwiefern die Bands, die Techniker oder die Organisatoren schuld waren, vermag wohl niemand zu sagen, und darum geht es ja auch gar nicht. Okay, die Halle ist winzig und die Bands sind jetzt nicht gerade Metallica, aber für einen Besucher, der einen coolen Konzertabend erwartet, war die stundenlange Warterei einfach unzumutbar. Gegen kleine Verspätungen sagt niemand was, aber wenn eineinhalb Stunden nach offiziellem Konzertbeginn noch nicht mal die erste von drei Bands zu spielen beginnt, ist das einfach nur zu viel.
Ob und wann Defrage noch gespielt haben, wissen sie wohl nur selbst. Für mich ist jedenfalls klar: bei der nächsten Gelegenheit werde ich mir die Jungs aus Estland live zu Gemüte führen, dann allerdings eher auf einem „eigenen“ Konzert und ohne Zeitdruck.

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Fotos von torshammare

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3 Kommentare
  1. Soundcheck-Band
    Soundcheck-Band sagte:

    Bin zufällig auf den Blogeintrag hier gestoßen und hatte das Gefühl, zu diesem Artikel mal Stellung nehmen zu müssen. Hier also mal der Abend aus Sicht der Bands:

    Alle Bands waren zeitgerecht und wie besprochen um 18 Uhr mitsamt Equipment vor Ort. Nur der Techniker vom Backstage war nicht da. Somit verzögerte sich der Aufbau der gesamten Backline schon einmal um etwa eine Stunde. Dann kamen Defrage auf die grandiose Idee ihren laufenden Souncheck abzubrechen, um als letztes den Soundcheck zu machen mit der Erklärung: „Wir haben seit über einem Monat nicht mehr geprobt und wollen die neuen Songs mal durchspielen, bevor wir später auftreten“.

    Alles von Defrage wurde also wieder abgebaut und die anderen beiden Münchner Bands Deaf Kid und Bale zogen ihre Checks durch. Zu diesem Zeitpunkt waren die Bands schon von einer Verschiebung um eine Stunde durch das Backstage-Management unterrichtet worden. Soweit alles Ok. Da Defrage ihren Soundcheck dann also zu einer spontanen „Live-Probe“ umfunktionierten wurde diese Verzögerung auch schwer benötigt. Pünktlich eine Stunde später hätte man also eigentlich mit Deaf Kid beginnen können, doch da hatte sich das Backstage-Orga-Team ausgedacht, dass man doch warten solle, bis das Bayernspiel vorbei sei.

    Dies war um 22:15 Uhr der Fall, weshalb Deaf Kid um 22:20 die erste Saite anschlugen. Euer Zeitplan scheint also nicht ganz zu stimmen (imho).

    Um 11 spielten dann Bale, die leider einen sehr unbefriedigenden Gig erleben mussten, da sich irgendwo in der Technik ein Wackler eingeschlichen hatte, so dass dauernd das erste Mikro ausfiel.

    Etwa gegen halb 1 spielten dann auch noch die Headliner des Abends. Eigentlich hätten die schon früher spielen können, allerdings weigerten die sich (zurecht) anzufangen, bevor das Technikproblem behoben wäre. Schlussendlich funktionierte jedoch auch das und alle die genug Geduld und Leidenschaft für die Musik und Amateurbands hatten, wurden durch die drei Bands reichlich belohnt.

    Es ist also viel von Seiten des Backstage schief gegangen an diesem Abend, aber man darf nicht vergessen, dass man immerhin freien Eintritt zu mehr als 200 Bands über 2 Wochen bekommt. Dass da ein Zeitplan nicht immer eingehalten werden kann, sollte verständnisvoll zur Kenntnis genommen werden.

    Danke sehr.

    • torshammare
      torshammare sagte:

      Hallo!
      Danke für die ausführliche Stellungnahme und Schilderung des Ablaufs des Abends! Uns (also enchi und mir) ist absolut klar, daß bei einem Festival dieser Größenordnung mit diesen vielen Beteiligten immer was schiefgehen kann, Verzögerungen nicht immer zu vermeiden sind usw. Für uns als Zuschauer kam halt an diesem Abend recht viel zusammen, und wir hatten natürlich nicht die Hintergrundinformationen, an was genau es denn jetzt lag. Deaf Kid haben wir dann wohl wirklich haarscharf verpasst (vielleicht gingen wir kurz vor 22.30), es sah allerdings bei unserem Abschied auch noch nicht danach aus, als würde das Konzert gleich beginnen. Da hatten wir dann Pech, für Defrage hätten wir aus S-Bahn-Gründen aber dann sowieso nicht bleiben können. Wegen denen wir eigentlich da waren. An Leidenschaft hat es uns also nicht gefehlt, an Geduld – bei den Temperaturen und dem von außen wahrnehmbaren Chaos – dann allerdings schon.
      Schade, daß es für alle Beteiligten ein etwas turbulenter Abend wurde, vielleicht läßt er sich ja bei einem regulären Konzertabend wiederholen? Denn gerade wir hier auf Schwarzes Bayern haben eine großes Herz für Amateurbands, noch dazu aus der Region. Und wie wir ja schrieben – der Soundcheck klang bei allen Bands sehr vielversprechend, wir hätten gerade Bale und Defrage gern gesehen. Da für uns als Besucher aber in Sachen Zeitplan gar nichts absehbar war und uns auch keiner eine halbwegs verlässliche Auskunft geben konnte (es war auch niemand da, der einem z.B. das mit dem Bayern-Spiel hätte sagen können) … entschieden wir uns zu gehen. Ich bitte, uns das nicht übel zu nehmen, sondern auch unseren Besucher-Standpunkt zu verstehen.

      Insgesamt ist das Free&Easy eine großartige Sache, und das Backstage hat unseren vollen Respekt für die Arbeit und die Leidenschaft, die da hineingesteckt wird, die Möglichkeit, so viele tolle Bands zu sehen und kennenzulernen.

    • enchi
      enchi sagte:

      Danke für deinen Beitrag – schön, auch mal den Standpunkt der Bands zu hören.
      Gut, torshammare hat da jetzt eigentlich schon alles gesagt. Wir hatten einfach, nach 1,5 Stunden Warten und niemandem, der uns irgendwie erklären konnte, was nun los ist, keine Geduld mehr. Da wir beide später noch was vor hatten, sind wir dann eben gegangen. Klar waren wir enttäuscht, aber ich dachte, ich hätte im Bericht auch eigentlich klar gemacht, dass ich dafür niemandem die Schuld geben kann und will. Aber man beschreibt nunmal die eigenen Erlebnisse, und die waren nunmal leider so. Damit soll auch niemand kritisiert oder beleidigt werden, am wenigsten die beteiligten Bands oder das Backstage.
      Wenn sich wieder Konzerte der Bands ergeben, würde ich mir alle 3 gern anhören und dann eine richtige Review abgeben; dass das am 27. nicht möglich war, würde ich einfach unglückliche Verkettung von vielen Umständen nennen.

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