Alles so schön bunt hier!

Berlin ist die Sprayer*innen-Hauptstadt Europas sagt man. An jeder Ecke ist Streetart zu finden. Ich war unlängst in Berlin, habe mich wieder ein wenig inspirieren lassen und möchte euch ein paar Ecken vorstellen, All-Time-Klassiker und auch einfach Sachen, die ich persönlich liebe oder witzig finde. Beispielsweise habe ich an einem einzigen Nachmittag beim Herumstromern gleich mehrere Klassiker gefunden.

Ein riesiges Mural von Hera (Jasmin Siddiqui von Herakut), schon ganz schön zugewachsen, aber wunderschön.
(Bevernstraße/Ecke May-Ayim Ufer)

Dann blinkt in Kreuzberg ein Kunstwerk aus einer Straßenecke hervor von einem Zwillingspärchen, das ich doch aus München vom Werksviertel kenne, das Mural „Yellow Man“ des Künstlerduos Os Gêmeos. Hinter dem Künstlernamen Os Gêmeos, der übersetzt „die Zwillinge“ bedeutet, verbergen sich die eineiigen Zwillingsbrüder Otávio und Gustavo Pandolfo. Sie kamen 1974 in São Paulo in Brasilien zur Welt, wo sie bis heute leben und arbeiten. Das Mural ist schon 20 Jahre alt!
(Oppelner Straße 3)

Mein absoluter Lieblingsplatz in Berlin ist der Rio Reiser Platz in Kreuzberg. Hier gibt es das haushohe Mural „Astronaut/Cosmonaut“ des portugiesisch-französischen Künstlers Victor Ash. Es ist aus 2007, und seitdem gehört diese Brandmauer zu den wichtigsten Orten der Berliner Street Art.
(Oranienstraße 195)

Was man sogar wunderbar sehen kann, auch wenn man sich gar nicht zu Fuß auf den Weg dorthin macht, ist das berühmte, riesige Mural „Apollo und Daphne“ von Young Jarus und Francisco Bosoletti. Man sieht es selbst bei einem Blick aus der U-Bahn (U1 Prinzenstraße). Der Argentinier Bosoletti und der Kanadier Jarus haben 2018 für das Urban Nation Museum und das „United-Projekt“ zusammen mit anderen Künstlern aus aller Welt gearbeitet. Die Idee zu „Apollo und Daphne“ stammt aus Ovids „Metamorphosen“.
(Wassertorstraße 65)

Das Werk „Engeika“ des Iren Fin Dac haut einen fast um. In einem Hinterhof in Kreuzberg blickt uns eine haushohe japanische Geisha an. Typisch für Fin Dac ist, dass er die Umgebung ins Bild integriert. Das Kleid geht über die Wand hinaus und rollt über den Boden, Balkon und Fenster sind integriert. Das macht es sehr spannend.
(Köpenicker Straße 9)

Für gesammelte Street-Art in einem Museum kann ich das Urban Nation Museum in Kreuzberg empfehlen. Kostenlos kann man sich hier immer wieder aktuelle Ausstellungen und Werke internationaler Künstler*innen ansehen. Aber noch mehr mag ich persönlich die „Galerie“ draußen auf der Straße um das Museum herum. Es ist eine einzige große Galerie von tollen kleinen und noch mehr großen Bildern an der Wand!
(Bülowstraße 7)

East Side Gallery
An der East Side Gallery kommt niemand vorbei, der das erste Mal in Berlin ist. Dies ist der längste noch sichtbare Teil der Berliner Mauer, und er ist 1,3 km lang. An diesem Ort wurde 1990 die Wand komplett neu gestrichen, und Künstler aus etwa 20 verschiedenen Ländern wurden eingeladen, sie neu zu gestalten. Der „Bruderkuss“ ist das vielleicht berühmteste Bild an der East Side Gallery. Honecker und Breschnew sich innig küssend. Gleich danach kommt aber der Trabbi, der die Mauer durchbricht. Geschichtsträchtig!
(East Side Gallery, Mühlenstraße, Friedrichshain)

RAW-Gelände
Das RAW-Gelände direkt an der Warschauer Brücke im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg ist ein riesiges Areal, voll mit Ausstellungen, Märkten, Bars, Clubs, Biergärten, Sportgelegenheiten und überall gibt es Streetart. Der ehemalige Eigentümer des Areals war die Deutsche Bahn, woraus sich auch die Bedeutung der Abkürzung ergibt: RAW steht für Reichsbahnausbesserungswerk. Hier muss man eher Stellen suchen, die nicht von einem Mural, Graffiti, Stencil, Sticker, Throw Up oder Paste Up verdeckt sind. Gigantisch!
(Revaler Straße 99)

Haus Schwarzenberg
Auch in Berlin Mitte kann man natürlich Streetart finden. Lange bin ich an einem versteckten Innenhof vorbeigegangen, bis ich ihn entdeckt und zu einem meiner Lieblingsplätze gekürt habe, das Haus Schwarzenberg. Es ist eine der aufregendsten Street Art Locations in Berlin. Gleich neben den Hackeschen Höfen, die wunderschön renoviert und herausgeputzt sind, gibt es hier alternatives Kino, Kneipchen, Galerien und keinen Fleck, auf dem nicht irgendwas besprüht oder beklebt ist.

Ein großes Werk ist beispielsweise das Porträt der Anne Frank vor dem Anne-Frank-Zentrum. Es ist von dem australischen Künstler Jimmy C. aus dem Jahr 2012.
(Rosenthaler Str. 39)

Teufelsberg
Ich liebe den Teufelsberg! Das ist die ehemalige Abhöranlage der Amerikaner, die vom Teufelsberg aus den Osten belauschten. Die Gebäude, Außenmauern, Treppenhäuser und Radartürme dienen Künstlern aus aller Welt als Open-Air-Atelier. Es wird gesprüht, gemalt, geklebt, collagiert, was das Zeug hält. Der Teufelsberg ist wirklich eine phänomenale Kulisse und dient demnach oft auch für Film und Musikvideos. Der Weg dorthin ist ein bisschen mühsam, fast schon eine klitzekleine Wanderung. Man kann sich aber auch eine Tour gönnen, zum Beispiel von GetyourGuide oder Secret Tours. Auf jeden Fall ist es toll dort oben!
(Teufelsberg, Charlottenburg)

Die vertikalen Schriftsäulen, meist in Rot und Blau, stammen von Paradox und den Berlin Kidz. „Fuck the System“ ist deren Motto. Hunderte von Berlin-Kidz-Arbeiten verteilen sich über die ganze Stadt. Wie haben die das bloß gemacht? Sie haben sich abgeseilt! Schräg, durchgeknallt, schnell, gefährlich.

„1UP“ sieht man fast an jeder Straßenecke, und zwar nicht nur in Berlin. Das ist von einer Berliner Graffiti-Gang, immer illegal und schnell und steht für „One United Power“. Angeblich bestehen sie aus fast 50 Mitgliedern. Sie sind für ihre waghalsigen Aktionen und das großflächige Bemalen von Zügen bekannt. Ob schön oder nicht, darüber kann man streiten. Es ist aus dem Straßenbild aber nicht mehr wegzudenken.

Diese kleinen Arbeiten sieht man auch sehr oft in Berlin. Immer in Cyan, Magenta, Yello und Black, in den Druckerfarben CMYK. Sie heißen CMYK dots, gesprochen wird das Smük dots. Sie stammen von dem Berliner Künstler Okse 126. Die „Dots“ müssen nicht immer Kreise sein, sie treten auch in anderen Figuren auf, aber immer in diesen Farben, immer in pointierten Gegenden, etwas höher als Augenhöhe, sodass man sie zur Kenntnis nehmen muss.

Ebenfalls klein, aber ausgesprochen putzig sind die kleinen schnellen Einhörner mit Text dabei. Sie sind von Roy Draws (stellvertretend für die Unicorn Gang). Manche Texte dazu sind zum Brüllen!

Zum Schluss noch mein persönlicher Liebling:
El Bocho, 1978 in Frankfurt am Main geboren, lebt und arbeitet seit 2006 in Berlin. Seine Identität hält er geheim. Sein Schwerpunkt sind Paste Ups (Plakate). Die kann man über Nacht schnell mal irgendwo anbringen. Sie sind weltweit vorzufinden, nicht nur in Berlin. Er nutzt als Stilelemente immer gleiche Figuren. Auffallend oft sieht man die schönen Frauenbilder, die sich mit der Stadt identifizieren und eine Botschaft tragen, wie auch die Figur „Little Lucy“.

Little Lucy, dieses niedliche kleine Mädchen, malträtiert in jedem Bild ihre Katze. Gottseidank überlebt sie aber alle Mordversuche!

Viel Spaß beim Entdecken bei eurem nächsten Berlin-Besuch!

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